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Cavalleria rusticana

Melodramma in einem Akt von Pietro Mascagni

I Pagliacci

Dramma in zwei Akten und einem Prolog von Ruggero Leoncavallo

Aufführungsdauer: ca.2 Stunden 45 Minuten (eine Pause)

In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Premiere am 12. Oktober 2019 im Opernhaus des Staatstheaters Kassel
besuchte Aufführung: 16. Oktober 2019

 



Staatstheater Kassel
 (Homepage)

Videoüberfrachtete Bauernehre


Von Bernd Stopka / Fotos von N. Klinger

Pietro Mascagnis Cavalleria rusticana und Ruggiero Leoncavallos I Pagliacci sind als Operngeschwister eigentlich immer Garanten für ein gut besuchtes Haus und gehören damit zu den sogenannten „fleißigen Lieschen“. Über 40 Jahre waren sie das am Staatstheater Kassel nicht, weil sie nicht auf dem Spielplan standen – aber auch in den nächsten Jahren werden sie das eher nicht sein, weil sie in der jetzt gezeigten Produktion nur schwer zu ertragen sind. Das schmissig-leidenschaftliche Dirigat von Mario Hartmuth ist ein einsamer Pluspunkt, der den Abend zwar tröstend lindern, allein aber auch nicht retten kann.

Foto folgtKhatuna Mikaberidze (Santuzza), im Hintergrund Marius Vlad (Turiddu)

Das überwiegend sauber und engagiert spielende, intensiv mitgehende Orchester hilft dem Dirigenten beim Trösten, der Chor nicht immer. Da wackelt es doch außergewöhnlich häufig und manche Passagen klingen nicht so homogen, wie man es vom Chor und Extrachor des Staatstheaters Kassel gewohnt ist. Die Devise für die Sänger lautet offensichtlich bzw. unüberhörbar: Hauptsache laut! Das verwundert und verärgert, zumal man Sänger wie Hansung Yoo sehr fein dynamisch, ausdrucksvoll differenzierend und balsamisch wohlklingend kennt (man erinnere sich nur an sein geradezu überirdisch schönes Tanzlied als Pierrot in Korngolds Die tote Stadt). Als Alfio und Tonio beweist er an diesem Abend vor allem eins: Stimmstärke. Khatuna Mikaberidze lässt als Santuzza einen stimmkräftigen, stahlharten Mezzo hören, der Emotionalität stark unter Kontrolle hält. Ani Yorenz klingt ähnlich sachlich, aber angenehmer. Das Schicksal der Nedda lässt einen an diesem Abend aber auch kalt. Maren Engelhardt als Lola und Inna Kalinina als Mamma Lucia können in Cavalleria Rusticana am meisten überzeugen, während Marius Vlad als Turiddu und Canio mit viel Erfahrung, Druck und nasaler Tongebung nicht die besten Klischees eines Operntenors im italienischen Fach erfüllt. Younggi Moses Do lässt in I Pagliacci als Peppe angenehm aufhorchen. Der kurzfristig eingesprungene Nikola Diskic gestaltet die Partie des Silvio mit höchst angenehmem Timbre und ausdrucksvoller Differenziertheit. Er zeigt, wie wundervoll Operngesang klingen kann. Offensichtlich und glücklicherweise hat man dem Einspringer das Credo dieser Produktion nicht mehr rechtzeitig mitteilen können.  Schöne Erinnerungen weckt der Auftritt von Dieter Hönig mit seinem stummen, aber aktiven Auftritt als Hausmeister – wie ein alter guter Geist des Hauses.

Vergrößerung Khatuna Mikaberidze (Santuzza) mit Mitgliedern des Opern- und des Extrachors sowie des CANTAMUS-Chors

Natürlich ist es immer wieder eine große Herausforderung, diese beiden veristischen Schmachtfetzen überzeugend auf die Bühne zu bringen. Das Regieteam Tobias Theorell (Inszenierung) und Herbert Murauer (Bühne, Kostüme, Video) versucht das Seelenleben der Protagonisten durch Liveprojektionen und vorher gefilmte Videoprojektionen hervorzuheben und die verbindenden Elemente der beiden ähnlichen und doch so unterschiedlichen Kurzopern aufzuzeigen. So sieht man immer wieder in überdimensionaler Größe Gesichter, Personen und Szenen, wie etwa ein harmonisches Treffen der beiden Paare in Cavalleria rusticana und zuweilen vermischen sich die Zeiten, wenn zum Beispiel Santuzza auf der Bühne live die Hände vor ihren Kopf hält und aus der gleichen Haltung heraus eine vorher gefilmte liebevolle Begegnung mit Turiddu entsteht. Das ist einer der wenigen starken und beeindruckenden Momente des Abends.

Beeindrucken könnten auch die Projektionen der Kathedralen-Kuppel, die für ein sizilianisches Dorf allerdings eher überdimensioniert erscheint (Cavalleria rusticana = Sizilianische Bauernehre). Warum ein zusätzlich eingefügter Hausmeister ständig große Mengen von Stühlen in ordentliche Reihen stellen muss, die dann kurz danach doch wieder durcheinander stehen, erklärt sich nicht. Die Marienprozession passt optisch in den Verismo und eigentlich würden die realistischen Raumprojektionen und eine ausgefeilte Personenregie für eine spannende Inszenierung ausreichen. Aber mit den lästigen Liveprojektionen erreicht die Regie viel mehr Langeweile als Aufmerksamkeit.

FotoYounggi Moses Do (Peppe), Ani Yorentz (Nedda) und Hansung Yoo (Tonio) sowie Mitglieder des Opernchors, des Extrachors und des CANTAMUS-Chors

Der für beide Werke gleichsam eingesetzte Bühnenraum mit zwei seitlichen Reihen von kabinenähnlichen Türen und einer trennenden transparenten Leinwand zwischen dem Kirchen- bzw. Theaterraum und den Protagonisten wirkt zunächst wie eine gewollte Trennung von inneren und äußeren Konflikten, aber dies wird u. a. durch die Auftritte des Volkes und den librettogerechten Biss ins Ohr als Zweikampf-Herausforderung im vorderen Bühnenbereich ausgehebelt.  Das alles ist weder Fisch noch Fleisch. Da helfen auch die den Hausmeister neckenden Ministranten und ein jesusähnlicher Kreuzträger, der in heutiger Alltagskleidung durch die Stühle der hinteren Bühne zieht, nichts.

In I Pagliacci wird der Raum deutlicher durch ein Bühnenpodest getrennt. Die Handlung wird zunächst eher librettogenau erzählt, aber durch Projektionsparallelen mit Cavalleria rusticana verbunden, vom Stilmittel der Liveprojektionen her, vor allem von Gesichtern, aber auch ganz konkret, indem zum Beispiel die gleiche Kuss-Großaufnahme wie vorher gezeigt wird. Nach den schwarz-weißen Kostümen aus der Zeit der vorletzten Jahrhundertwende wird es hier kunterbunt. Ob es nun wirklich witzig, oder einfach peinlich witzig sein wollend ist, einen Besen, oder wie hier Wischmopp wie eine E-Gitarre zu halten, mag jeder für sich entscheiden, auch, ob sich eine Überzeugungskraft dafür einstellt, den Chor zu einer Hochzeit statt zum Kirchgang rufen zu lassen. Das Spiel im Spiel wird sehr lebendig umgesetzt, aber am Ende muss natürlich noch ein Knalleffekt her. Das Spiel auf der Bühne wird zur Realität und Canio ersticht erst Nedda und dann Silvio. Man ist entsetzt, aber so steht es geschrieben. In Kassel steht der nur scheinbar erstochene Silvio wieder auf, und als sich die Komödianten zum Verbeugen vor dem Bühnenpublikum aufstellen, erschrickt Canio, weil Nedda wirklich tot auf dem Tisch liegt. Also ein Spiel im Spiel im Spiel…???

FAZIT

Ein unnötiger Opernabend.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
*Mario Hartmuth
Alexander Hannemann

Inszenierung
Tobias Theorell

Bühne, Kostüme, Video
Herbert Murauer

Licht
Stefanie Dühr

Choreinstudierung
Marco Zeiser Celesti

Choreinstudierung Cantamus
Maria
Radzikhovskiy

Dramaturgie
Christian Steinbock


Chor und Extrachor
des Staatstheaters Kassel

Kinderchor Cantamus
des Staatstheaters Kassel

Staatsorchester Kassel

Solisten

*Besetzung der besuchten Aufführung

Cavalleria rusticana

Santuzza, eine Bäuerin
Khatuna Mikaberidze

Turiddu, ein junger Bauer
Marius Vlad

Lucia, seine Mutter
Inna Kalinina

Alfio, ein Fuhrmann
Hansung Yoo

Lola, seine Frau
Maren Engelhardt


I Pagliacci

Canio, Haupt einer Dorfkomödiantengruppe;
in der Komödie: Bajazzo

Marius Vlad

Nedda, seine Frau;
in der Komödie: Colombine

Ani Yorentz

Tonio, Komödiant;
in der Komödie: Taddeo

Hansung Yoo

Beppe, Komödiant;
in der Komödie: Harlekin

Younggi Moses Do

Silvio, ein junger Bauer
*Nikola Diskic
Cozmin Sime

1, Zuschauer
*Szczepan Nowak
Ji Hyung Lee

2. Zuschauer
*Daeju Na
Hyunseung You

in beiden Opern:

Hausmeister
Dieter Hönig

Live-Kamera
*Roland Knieg
Samuel  Nerl


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Staatstheater Kassel
 (Homepage)





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