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Musiktheater
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Scherz, List und Rache

Deutsches Singspiel in vier Akten
Libretto von Johann Wolfgang von Goethe
Musik von Philipp Christoph Kayser

In deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 35' (eine Pause)

Halbszenische Aufführung im Bayer Kulturhaus am 28. November 2019

 

 

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Goethe als Opernlibrettist

Von Thomas Molke / Fotos: © peuserdesign

Dass der Librettist einer Oper bekannter ist als der Komponist, dürfte heutzutage eher eine Seltenheit sein. Allerdings verbindet man Johann Wolfgang von Goethe auch nicht mit der Oper, selbst wenn der von Charles Gounod vertonte Faust und Jules Massenets Werther durchaus heute zu den gängigen Werken des Opernrepertoires gehören. Ursprünglich waren Faust und Die Leiden des jungen Werther ja nicht als Opernsujets gedacht. Dass Goethe allerdings auch Libretti geschrieben hat, die er von seinem langjährigen Freund Philipp Christoph Kayser vertonen ließ, ist eher unbekannt. Zunächst hatte Goethe ein einaktiges Singspiel mit dem Titel Jery und Bäteli im Gepäck, als er Kayser, den er in Frankfurt kennen und schätzen gelernt hatte, Ende der 70er Jahre des 18. Jahrhunderts in Zürich besuchte. Beim Gegenbesuch in Weimar 1781 betraute er Kayser dann mit der Vertonung von Scherz, List und Rache. Obwohl Kayser dieses Stück bis 1787 zu einer vieraktigen Opera buffa mit Seccorezitativen verarbeitete, kam es nicht zu einer Uraufführung. Erst nach Goethes Tod arbeitete Ludwig Bischof das Libretto für eine einaktige komische Oper für Max Bruch um, die 1858 in Köln uraufgeführt wurde. 1993 gab es schließlich erstmals eine Aufführung von Kaysers vieraktiger Oper in einer stark arrangierten Form im Liebhabertheater Schloss Kochberg Thüringen. Nun hat es sich Werner Ehrhardt mit dem von ihm 2004 gegründeten Ensemble l'arte del mondo zur Aufgabe gemacht, dieses Werk neu zu erschließen.

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Scapin (Cornel Frey, rechts) und Scapine (Annika Boos) wollen an dem habgierigen Doktor (Florian Götz, links) Rache nehmen.

Die Geschichte handelt von dem jungen Paar Scapin und Scapine, die von einem habgierigen Doktor bei ihrer Tante verleumdet und von der Tante anschließend enterbt werden. Beide wollen sich nun an dem Doktor rächen und das ihnen zustehende Erbe, das die Tante dem Doktor vermacht hat, zurückgewinnen. Zunächst lässt sich Scapin als mittelloser kranker Mann bei dem Doktor als Diener einstellen. Dann taucht Scapine beim Doktor auf und bittet um ein Heilmittel gegen ihre Melancholie und ihre Wahnvorstellungen. Als der Doktor ihr eine Medizin zubereitet, täuscht Scapin ein Feuer im Haus vor, das der Doktor sofort löschen will. Währenddessen tauscht Scapine die Medizin gegen Arsen aus und gibt bei der Rückkehr des Doktors vor, an einer Vergiftung zu sterben. Scapin beschuldigt den Doktor, den Tod der jungen Frau verschuldet zu haben, bietet ihm aber für 50 Dukaten an, die Tote heimlich des Nachts aus dem Haus zu schaffen. Zähneknirschend willigt der Doktor ein und zahlt Scapin den geforderten Preis. In der Nacht erscheint allerdings Scapine, scheinbar von den Toten wieder auferstanden, und verfolgt den Doktor. Sie droht ihm an, ihn bis ans Ende seines Lebens des Nachts heimzusuchen, wenn er ihr nicht als Entschädigung ebenfalls 50 Dukaten zahle. Dem Doktor bleibt nichts anderes übrig, als ihren Forderungen nachzukommen. So haben Scapin und Scapine ihr Erbe zurückgewonnen und triumphieren.

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Scapine (Annika Boos) hat den Doktor (Florian Götz) in der Hand.

Igor Folwill hat eine halbszenische Aufführung eingerichtet, bei der vor allem die aufwändigen Kostüme nach historischen Vorlagen auffallen. Scapin und Scapine erinnern optisch in hellen Blautönen an ein traditionelles Dienerpaar des beginnenden 18. Jahrhunderts. Der Doktor wirkt durch seinen übermäßigen Bauchumfang und die leicht abstehende Frisur wie ein komischer Buffo-Bariton. Das Orchester befindet sich auf der Bühne hinter den Solisten. Auf der linken Bühnenseite gibt ein offener Schrank Einblick in die zahlreichen bunten Mixturen des Doktors. Massimiliano Toni wird am Fortepiano mit langer weißer Haarpracht ebenfalls Teil der Inszenierung, wenn er dem Doktor pantomimisch Ratschläge gibt. Da die Solisten großteilig das Textbuch beim Gesang benutzen, ist das Spiel natürlich extrem eingeschränkt. So stehen sie bei ihren Auftritten an drei Pulten vor dem Orchester, zumal die Aufführung auch mit davor platzierten Mikrophonen von WDR3 aufgezeichnet wird. Dennoch setzen die Solisten die Handlung, so gut es geht, mit Mimik und Gestik szenisch um. Die drei Stühle auf der Bühne sind mit Tüchern bedeckt, die einen hellblauen Himmel mit weißen Kumuluswolken zeigen, der im Hintergrund der Bühne wieder aufgegriffen wird.

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Scapin (Cornel Frey) und Scapine (Annika Boos) sind fast am Ziel.

Musikalisch weist das Stück einige Perlen auf. Kayser gelingt es in seiner Musik recht plastisch, unterschiedliche Stimmungen einzufangen. Während in den ersten beiden Akten ein eher leichter Tonfall überwiegt, wenn Scapin und Scapine ihren Rachefeldzug gegen den intriganten Doktor planen, kommt bei Scapines angeblicher Vergiftung regelrechte Dramatik auf. Scheinbar geschwächt führt sie ihn in einer Halluzination zur Höllenpforte, an der sie entkräftet zusammensinkt. Kayser gelingt hier eine sehr düstere Stimmung. Unheimlich wird es dann, wenn Scapine des Nachts in weißem Nachtgewand und mit gelöstem Haar wie ein Gespenst wieder auftaucht. Auch hier schafft es Kayser, die Ängste des Doktors musikalisch wunderbar nachzuzeichnen, ohne dabei auf ein Augenzwinkern zu verzichten, das deutlich macht, dass Scapine ein böses Spiel mit dem Doktor treibt. Das Ensemble l'arte del mondo fängt unter der Leitung von Werner Ehrhardt die verschiedenen Nuancen der Partitur überzeugend ein. Bei einem längeren Instrumentalstück nach der Pause geben eingeblendete Textprojektionen auf der Rückwand Einblick in die Handlung, die ohne Darstellung schwer nachvollziehbar gewesen wäre.

Die Gesangspartien sind gut besetzt. Annika Boos verfügt als Scapine über einen weichen, lieblichen Sopran, der den koketten Charakter der Figur unterstreicht. Leider bleibt sie in den hohen Tönen textlich ein bisschen unverständlich, was in Anbetracht der Unbekanntheit des Werkes und ohne Übertitel schade ist. Dennoch überzeugt sie mit verführerischem Spiel, wenn sie dem Doktor ihr angebliches Leid klagt, und setzt ihre weiblichen Reize gekonnt ein. Mit großer Dramatik gestaltet sie auch ihre scheinbare Vergiftung und sinkt vor der Pause sehr glaubhaft entseelt zu Boden. Cornel Frey glänzt als ihr Gefährte Scapin mit geschmeidigem und wandelbarem Tenor. Mit sauber angesetzten Höhen plant er zunächst gemeinsam mit Boos die Intrige gegen den Doktor, bevor er sich stimmlich überzeugend in den scheinbar alten mittellosen Greis verwandelt, der sich dem Doktor als Diener empfiehlt. Mit großer Komik entlockt er dem Doktor die 50 Dukaten, um die vermeintliche Leiche zu entsorgen. Florian Götz begeistert als geldgieriger und geiziger Doktor mit kräftigem Bariton und komödiantischem Spiel. Bei allem, was er Scapin und Scapine vor Beginn des Stückes angetan hat, kann man trotzdem am Ende ein wenig Mitleid mit ihm bekommen. So gibt es am Ende verdienten Applaus für alle Beteiligten.

FAZIT

Auch wenn dieses Singspiel sicherlich nicht den Sprung ins Repertoire schaffen wird, ist es allemal hörenswert. Am 18. April 2020 ist es noch einmal im Rahmen des Theatersommers 2020 im Goethe-Theater Bad Lauchstädt zu erleben. Der Mitschnitt von WDR3 wird am 13. Juni 2020 übertragen.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Werner Ehrhardt

Regie und szenische Realisation
Igor Folwill

 

l'arte del mondo

Fortepiano und musikalische Assistenz
Massimiliano Toni


Solisten

Scapine
Annika Boos

Scapin
Cornel Frey

Doktor
Florian Götz


Weitere Informationen
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Bayer Kultur

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Da capo al Fine

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