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Riviera ist auch keine Lösung
Von Roberto Becker
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Fotos von Marie Liebig La Rondine, das ist die Schwalbe. Eigentlich heißt sie Magda. Jung. Schön. Leidenschaftlich. Und doch ist sie eine Frau "mit Vergangenheit" wie man so sagte. Vor allem in voremanzipatorischen Zeiten. Sie ist eine von den Bühnenfrauen Puccinis. Ein langes Leben haben die ja alle nicht. Magda hat immerhin die Chance, alt zu werden. Jedenfalls lassen der Meister der ganz großen, hemmungslos aufrauschenden Operngefühle und sein Librettist Giuseppe Adami sie nicht sterben. Ein Happyend ist dem Liebespaar der Geschichte aber auch nicht vergönnt. Am Ende verlässt Magda ihren Ruggero. Der wird schon drüber hinwegkommen. Vielleicht sogar Kunst daraus machen. Es ist also nur ein trauriger, nicht wirklich tragischer Schluss. Puccini light sozusagen. Dazu passt, dass die drittletzte Oper des Italieners zwar eigentlich vom Wiener Carltheater in Auftrag gegeben, aber 1917 in Monte Carlo uraufgeführt wurde. In Wien wollte man vom Franz-Lehár-Bewunderer Puccini eigentlich etwas Operettiges, höchstens etwas dem geliebten Rosenkavalier ähnliches. Tote hatte es auf den Schlachtfeldern des ersten Weltkrieges genug gegeben.
Die Geschichte von der großen Liebe, der dann doch kein Happyend mit vielen glücklichen Ehejahren und einer Schar von Kindern und Enkeln vergönnt ist, beginnt tatsächlich auch mit Schwung und einem geschmeidigen Salon-Parlando. Natürlich mit melancholischem Einschlag und Anschmachten. Da bei dem Plot für Puccini offenbar sein Landsmann Verdi und die Operetten von Strauß bis Lehár Pate gestanden haben, verliebt sich die Edelkurtisane außerhalb ihrer "Beziehung" in ein sympathisch naives Männerexemplar aus der Rubrik "Unschuld vom Lande". Dazu braucht der an seinem ersten Tag in Paris nur eine Arie. Elif Aytekin ist die bestens höhentaugliche Schwalbe Magda und der konditionsstark strahlende Alex Kim ihr Liebhaber Ruggiero. Sie erobert ihn mit spielerischer Leichtigkeit, in dem sie sich beim Ball als Paulette ausgibt. Er lässt sich mit passender, noch nicht durch Paris verdorbener Naivität darauf ein. Der Ort ist ein Ball im Etablissement Bullier, bei dem das Zimmermädchen (ganz so wie Adele in der Fledermaus) in einem Outfit ihrer Herrin auftaucht.
In all der hier entfesselten und vom Graben aus walzernd angeheizten Vergnügungssucht scheint bei Regisseur Bruno Berger-Gorsky auch das durch, was man hier eigentlich vergessen will. Es gibt nicht nur leicht zu ködernde Mädchen für die Herren und Stripper und Gigolos für die Damen sowie das auf Paris getrimmte Ballettensemble des Landestheaters Eisenach (Choreographie: Andris Plucis) für Atmosphäre und eine Portion Paris-Klischee. Auch ein paar aus der Bahn Geworfene tauchen hier auf. Der Mann mit den Krücken, eine Frau, der der Mann abhandengekommen ist, eine andere, die hier putzt. Kleine Irritationen im schönen Schein, die auf den Schatten der Entstehungszeit verweisen. Das ist dezent eingeflochten, verdirbt nicht den Balanceakt einer eleganten Mischung aus Oper und Operette. Paris und die Riviera bleiben in der abstrakten Ästhetik der Bühne mit den Paravents von Helge Ullmann und dem Kostümschick von Francoise Raybaud angedeutet, aber erkennbar. Die Liebesbeziehung im Zentrum der eher klein gehaltenen Geschichte endet, als Ruggero im Liebesnest an der Rivera ernsthaft vom Heiraten, Kinderkriegen und einem Anstrittsbesuch bei seiner Mutter spricht. Da kriegt sie kalte Füße, findet, dass das mit ihrer Vergangenheit als Kurtisane nicht gut gehen kann. Und das wars. Dass hier etwas scheitert, lässt ein brennendes Klavier am Ende ahnen.
In Meiningen darf die Schwalbe frei in der Luft bleiben. Auch wenn die Wolken im entsprechenden Video sich mal eintrüben. Dem Publikum bleibt der Aufwind des versierten Puccini-Schmelzes und die Aussicht eine Liebesgeschichte, bei der zumindest keiner umkommt, gegönnt. Und wer weiß, vielleicht haben sich ja Magda und Ruggero in irgendeiner anderen Operette oder in einem Musical oder im Herzkino wieder getroffen und noch mal angefangen…. Mehr Angst als Vaterlandsliebe: Der Fürst und sein Geheimdienstchef
Im Graben steuern die Musiker der Hofkapelle und ihr Dirigent Leo McFall eine wohldosierte Melange aus Puccini-Schmelz und Operettenfrischluft bei. Um das gescheiterte Liebespaar ist ein spielfreudiges Ensemble gruppiert. Regine Sturm ist als Lisette eine gewitzte Widergängerin der Fledermaus-Adele, die sich an den leichtfüßigen Dichter Purnier (Robert Bartneck) hält und mit ihm das zweite Paar bildet. Tomasz Wija hat kaum Chancen, den "Gönner" Magdas Rambaldo zu profilieren. Als Freundinnen-Trio Yvette, Bianca, Szuy haben Imogen Thrilwall, Carolina Krogius und Marianne Schechtel da bessere Karten (und die nutzen sie!). Auch das übrige Ensemble und der von Manuel Bethe einstudierte Chor ziehen voll mit. Der ausgiebige Beifall für diese mit der Oper Bytom/Katowice koproduzierte Inszenierung war für alle Beteiligten einmütig und herzlich. Mit guten Gründen. FAZIT Dem Meininger Staatstheater ist eine musikalisch und szenisch höchst gelungene Produktion von Giacomo Puccinis selten zu sehender lyrischer Komödie La Rondine gelungen. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühne
Kostüme
Choreographie
Chor
Video
Dramaturgie
Solisten
Magda
Lisette
Ruggero
Prunier
Rambaldo
Yvette
Bianca
Suzy
Périchaud
Gobin
Crébillon
Adolfo
ein junger Mann
Lolette
Georgette
Gabriella
Rabonnier
eine entfernte Stimme
ein Butler
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