Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Un ballo in maschera
(Ein Maskenball)

Oper in drei Akten (sechs Bildern)
Libretto von Antonio Somma nach Augustin Eugène Scribes Libretto
zu der Opéra-historique Gustave ou Le Bal masqué von Daniel-François-Esprit Auber
Musik von Giuseppe Verdi

in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus des Theaters Münster am 14. September 2019

Logo: Theater Münster

Theater Münster
(Homepage)
Maskenball ohne Masken

Von Thomas Molke / Fotos: © Oliver Berg

Dass Opern durch die Zensur im 19. Jahrhundert zahlreiche Änderungen erfuhren, war für Giuseppe Verdi nichts Ungewöhnliches. Dennoch stellen die endlosen Kämpfe, die Verdi ausfechten musste, bis Un ballo in maschera schließlich am 17. Februar 1859 im Rom zur Uraufführung gelangte, einen Rekord im negativen Sinne dar. Ursprünglich plante Verdi eine Oper unter dem Titel La vendetta in domino (Die Rache im Dominokostüm) über den schwedischen König Gustav III., der 1792 an den Folgen eines während eines Maskenballs von Johann Jakob Anckarström verübten Attentats starb. Als Vorlage diente ihm ein Libretto von Eugène Scribe, das bereits Auber und Mercadante vertont hatten. Da die Zensur der Bourbonen in Neapel die Ermordung eines Königs auf der Bühne nie gestattet hätte, war Verdi bereit, die Handlung nach Stettin ins 17. Jahrhundert zu verlegen und aus dem König einen unbedeutenden Fürsten von Pommern zu machen. Doch auch das reichte der verantwortlichen Behörde nicht. Man fertigte unter dem Titel Adelia degli Adimari eine neue Fassung an, die von Kämpfen zwischen den Kaiser- und Papsttreuen in Florenz um 1385 handelte. Das ging Verdi definitiv zu weit, und er löste seinen Vertrag mit Neapel. Daraufhin ging er mit dem Stück nach Rom, verlegte die Handlung nach Nordamerika, machte aus dem schwedischen König den Grafen Riccardo, einen Gouverneur von Boston, und feierte mit der Uraufführung einen Triumph, der ihn für zahlreiche Italiener zu einem Vorreiter des Freiheitskampfes werden ließ.

Bild zum Vergrößern

Renato (Filippo Bettoschi, auf dem Tisch sitzend) warnt Riccardo (Garrie Davislim, rechts) vor einem drohenden Anschlag (links: Oscar (Marielle Murphy) mit dem Richter (Christian-Kai Sander)).

Seit 1935 ist immer mal wieder der Versuch unternommen worden, die Handlung nach Schweden zurückzuverlegen und die Urfassung unter dem Titel Gustavo III. zu spielen. Auch das Regie-Team um Marc Adam möchte einen Bezug zum schwedischen König herstellen. Daher zeichnet Adam Riccardo als einen vom Theater begeisterten Gouverneur, der mit seinem Stab Scribes Stück Gustave III. einstudieren will und auf dem Maskenball am Ende erschossen wird. Bereits während der Ouvertüre sieht man Riccardo auf der Seitenbühne vor einem Schreibtisch, der sich mit einem zunächst hinter einem schwarzen Tuch verdeckten Spiegel zu einer Art Garderobe entwickelt. Auf der linken Seite befindet sich ein Rokoko-Kostüm, mit dem sich Riccardo in den König verwandeln kann. Daneben ist eine Miniaturbühne aufgestellt, die Riccardo wohl als Vorlage für die Inszenierung dient. In den Händen hält er Scribes Libretto und studiert übertrieben barocke Gesten ein. Wenn sich der Vorhang öffnet, sieht man einen großen dunklen Raum, in dem sich Riccardos Politiker in modernen Anzügen von diesem Spiel nicht gerade begeistert zeigen. Oscar fährt einen Kostümständer auf die Bühne und weist die Berater an, das Spiel des Gouverneurs mitzuspielen. Dabei kristallisiert sich die kleine Gruppe der Verschwörer bereits sehr deutlich heraus. Die deutschen Übertitel unterstützen dabei den Regie-Ansatz und sind folglich nicht immer korrekt übersetzt. So wird aus "conte" im gesungenen Text beispielsweise "König" in den Übertiteln.

Bild zum Vergrößern

Auftritt der Wahrsagerin Ulrica (Monika Walerowicz)

Der Auftritt der Wahrsagerin Ulrica im zweiten Bild gelingt recht eindrucksvoll. Auf einem hohen schwarzen Gestell, das in der Form an einen überdimensionalen Reifrock eines Barockkostüms erinnert, wird sie unter unheimlichen Nebelschwaden auf die Bühne gefahren. In ihrem dunklen Kostüm mit den schwarzen Federn wirkt sie wie ein Wesen aus einer anderen Welt. Riccardo belauscht ihre Prophezeiungen von der Seitenbühne aus, bevor er selbst als Fischer verkleidet den eigenen Tod vorhergesagt bekommt. Beim Maskenball im letzten Bild thront Ulrica dann auch im Hintergrund über dem Geschehen. Nun ist das Gestell ganz weiß. Bei dem Schuss auf Riccardo versinkt Ulrica in diesem weißen Gestell, um am Ende auf der Seitenbühne neben dem sterbenden Riccardo erneut aufzutreten. Die Szene auf dem Galgenberg findet auf leerer Bühne statt. Ein Teil des Chors hat sich bei der Prophezeiung im zweiten Bild die Gesichter mit weißer Farbe beschmiert und stellt entweder Gräber oder dunkle Bäume dar, zwischen denen Amelia verzweifelt das Kraut sucht, dessen Saft sie von ihren Gefühlen für Riccardo heilen soll. Wenn Riccardo auftritt, entfernt sich der Chor und lässt Riccardo und Amelia einen Moment der Zweisamkeit, in dem sie sich ihre Liebe gestehen, bevor sie von Renato unterbrochen werden.

Bild zum Vergrößern

Amelia (Kristi Anna Isene, vorne Mitte) warnt Riccardo (Garrie Davislim, Mitte) auf dem Ball vor dem Anschlag (schräg hinter Riccardo: Renato (Filippo Bettoschi), dahinter: Opernchor).

Der Maskenball im letzten Akt ist wieder als Spiel im Spiel angelegt. Die Kostüme, in denen die Besucher auftreten, stammen aus unterschiedlichen Zeiten. Auf Masken wird dabei verzichtet. Stattdessen trägt jeder eine lebensgroße Pappfigur Riccardos in seinem Königskostüm als Gustav vor sich her. So wird nachvollziehbar, dass für die Verschwörer zunächst schwer zu erkennen ist, wer auf diesem Ball der richtige Riccardo ist. Dass Riccardo nicht erdolcht, sondern erschossen wird, dürfte auch den historischen Umständen geschuldet sein, wonach der reale Gustav von dem adeligen Offizier Anckarström mit einer Pistole niedergestreckt wurde, an dessen Folgen er wenige Tage später starb. So gewinnt sogar der lange Abschied des sterbenden Riccardo, bei dem Renato versichert, dass Amelia ihm immer treu gewesen sei, und er ihm das Attentat verzeiht, eine gewisse Logik.

Bild zum Vergrößern

Renato (Filippo Bettoschi, Mitte) verbündet sich mit den Verschwörern Tom (Christoph Stegemann, links) und Samuel (Gregor Dalal, rechts).

Musikalisch bewegt sich der Abend auf gutem Niveau. Garrie Davislim gestaltet die Partie des Riccardo mit höhensicherem Tenor und entwickelt direkt in seiner ersten großen Arie "La rivedra nell' estasi", wenn er erfährt, dass Amelia unter den Gästen für den bevorstehenden Maskenball ist, in den Spitzentönen enorme Strahlkraft. Auch im dritten Akt überzeugt er mit großer Leidenschaft, wenn er in der Arie "Forse la soglia attinse" Amelia aufgeben und sie mit ihrem Gatten zurück nach England schicken will. Kristi Anna Isene stattet die Partie der Amelia mit dramatischem Sopran aus und punktet vor allem mit großem Pathos bei ihrer Arie "Ecco l'orrido campo" im zweiten Akt, wenn sie um Mitternacht auf dem Galgenberg das Zauberkraut sucht. Bewegend gelingt ihr auch die Interpretation ihrer Arie im dritten Akt, "Morrò, ma prima in grazia", in der sie ihren Mann darum bittet, vor ihrem Tod noch einmal ihren geliebten Sohn umarmen zu dürfen. Mit Davislim findet sie in den beiden Duetten im zweiten und dritten Akt zu einer betörenden Innigkeit. Filippo Betoschi vollzieht als Renato einen szenisch und musikalisch bewegenden Wandel von Riccardos Freund zu seinem erbitterten Feind, der die Verschwörer bei ihrem Vorhaben unterstützt. Mit fulminantem Bariton warnt er zunächst Riccardo eindringlich und will ihn schützen, bis er in der verschleierten Frau im zweiten Akt seine eigene Gattin erkennt. Seine große Arie im dritten Akt, "Eri tu", in der sich seine Wut auf seine Frau allmählich gegen seinen Freund Riccardo richtet und er beschließt, ihn statt seiner Frau zu töten, entwickelt sich zu einem musikalischen Höhepunkt des Abends.

Marielle Murphy legt den Pagen Oscar mit jugendlich frischem Sopran und beherztem Spiel an. Dabei punktet sie vor allem in ihrer Arie "Saper vorreste" im dritten Akt, wenn Oscar Renato nicht verraten will, welche Maske Riccardo trägt, mit strahlenden und leicht angesetzten Höhen. Christoph Stegemann und Gregor Dalal zeichnen die beiden Verschwörer Tom und Samuel mit finsterem Bass und bedrohlichem Spiel. Monica Walerowicz punktet als Wahrsagerin Ulrica mit dunklem Mezzo. Aufhorchen lässt auch Valmar Saar aus dem Chor, der die Partie des Matrosen Silvano mit kräftigem Bass gestaltet. Der von Joseph Feigl einstudierte Chor zeigt sich stimmgewaltig und spielfreudig und überzeugt vor allem bei der Choreographie des Maskenballs im letzten Bild. Golo Berg entwickelt mit dem Sinfonieorchester Münster einen frischen Verdi-Klang aus dem Graben und rundet den Abend damit musikalisch wunderbar ab, so dass es für alle Beteiligten verdienten Applaus gibt.

FAZIT

Marc Adams Idee, die Masken auf dem Ball durch lebensgroße Pappfiguren des Königs zu ersetzen, geht gut auf, und auch die musikalische Umsetzung kann überzeugen.

Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Golo Berg

Inszenierung
Marc Adam

Bühne und Kostüme
Monika Gora

Choreographie
Pascale-Sabine Chevroton

Choreinstudierung
Joseph Feigl

Dramaturgie
Ronny Scholz

 

Sinfonieorchester Münster

Opern- und Extrachor des Theaters Münster

 

Solisten

Riccardo
Garrie Davislim

Amelia
Kristi Anna Isene

Renato
Filippo Bettoschi

Ulrica
Monika Walerowicz

Oscar
Marielle Murphy

Tom
Christoph Stegemann

Samuel
Gregor Dalal

Silvano
Valmar Saar

Richter
Christian-Kai Sander

Diener
Jae Joon Pak


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Münster
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2019 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -