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"“…como el musguito en la piedra, ay si, si, si…"

Ein Stück von Pina Bausch
Musik von Cecilia Matthew, HerbertKruder & Dorfmeiste, rJean Pierre Magnet, Russel Mills, Daniel Melingo, Madeleine Peyroux, David Sylvian, Amon Tobin, Manuel Wandji, Bugge Wesseltoft, Carl Craig & Moritz von Oswald, Count Basie, Cinematic Orchestra, Congreso, Rodrigo Covacevich, Victor Jara, Magdalena Matthey, Mecánica Popular, Violeta Parra, Chico Trujillo, Mauricio Vivencio, The Alexander Balanescu Quartett, Bonobo, Alexander Zekke u.a.

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eeine Pause)

Wiederaufnahme im Opernhaus Wuppertal am 3. Oktober 2019
(Uraufführung am 12. Juni 2009)


Logo: Tanztheater Pina Bausch

Tanztheater Wuppertal
(Homepage)
Ein Fest der Schönheit

Von Stefan Schmöe / Fotos von Jochen Viehoff

Als im Juni 2009 die Uraufführung von "… como el musguito en la piedra, ay, si, si, si …" über die Bühne ging, da wusste noch niemand von der Krankheit, die keine drei Wochen später zum Tod von Pina Bausch führen sollte. Die Diagnose war noch nicht gestellt. Ob die Choreographin selbst etwas geahnt hat? Sieht man zehn Jahre später die Wiederaufnahme dieses Stücks, das von einer leisen Melancholie, aber kaum von Angst oder gar Tod geprägt ist, dann mag man in manchen Szenen fast wehmütige Reminiszenzen an die großen Tanzabende der 1980er-Jahre erkennen, die wie Selbstzitate vorüberhuschen, kurze Spielszenen, wie sie damals bestimmend waren, hier nur angedeutet, aber nicht weiter ausformuliert, wodurch manches unfertig wirkt (was bei früheren Stücken eigentlich immer so war - selten war die Premierenfassung schon die endgültige Gestalt eines Stückes). Oder hat am Ende dann doch die allerletzte Kraft (oder Zeit) gefehlt, um ein "rundes" Stück zu erschaffen?

Szenenfoto

chilenischen Sängerin Violeta Parra) ist2009 in Chile entstanden, wie ja viele Stücke weit weg von Wuppertal ihren Ursprung fanden. In der gleißend weißen Spielfläche, die Bühnenbildner Peter Pabst hier kreiert hat, mag man die Salzwüste, den Atacama-See, vielleicht die Eisflächen der Antarktis sehen. Ein zunächst vergleichsweise unspektakuläres Bühnenbild, das sich nach hinten geheimnisvoll im Dunklen verliert. Plötzlich zeigen sich Risse und Verwerfungen im Boden, als werde die Salz- oder Eisschicht gesprengt (angesichts der Erdbeben in Chile kann man auch an tektonische Verschiebungen denken). Vom Tanz aufgegriffen wird das aber nicht. Die Abgründe früherer Stücke wie Arien oder Nelken mit ihrer Gleichzeitigkeit von Komik, Absurdität und Verzweiflung findet man hier wie überhaupt in den Bausch-Stücken des 21. Jahrhunderts nur in ganz wenigen Momenten.

Szenenfoto

Ensemble

"Wie das Moos auf dem Stein" (so die deutsche Übersetzung des Titels, einer Liedzeile der Vielmehr ist dieses letzte Bausch-Werk eine Feier der (weiblichen) Schönheit. Selten, ja vielleicht nie hat Pina Bausch schöne Frauen mit offenen, langen Haaren und betörenden Kleidern (Kostüme: Marion Cito) so umwerfend in Szene gesetzt wie hier, und der weiße Boden lässt sie bei passendem Lichteinfall regelrecht aufleuchten. Die Beziehung zwischen Mann und Frau, das alte Thema von Pina Bausch, ist bestimmend; in einer der schönsten Spielszenen defilieren die Damen an dem inzwischen graumelierten Fernando Suels Mendoza vorbei, der, halb Macho und halb Gentlemen, auf einem Stuhl sitzend Komplimente unterschiedlichster Form verteilt. In anderen Szenen gibt es Küsse und Ohrfeigen, Annäherung und Abwehr. Hinreißend ist ein Ensemble, bei dem die Damen und Herren, schön voneinander getrennt, akkurat nebeneinander aufgereiht auf den Bäuchen liegen und die Handbewegungen virtuos choreographiert sind. Die meiste Zeit aber wird "richtig" getanzt: Betörende Soli und Duos sind aneinandergereiht, als wolle Pina Bausch zwar nicht mit dem klassischen Ballett, aber doch mit Tanz im üblichen Sinn Frieden schließen, nachdem sie in den 1970er-Jahren zu einem Tanztheater aufgebrochen war, dessen collagierte Mini-Schauspiele die im klassischen Sinn "getanzten" Szenen mehr und mehr verdrängt hatten. Auch das ist freilich ein Trend, der schon in den Stücken davor zu beobachten war. In diesem letzten Werk Bauschs allerdings verliert sich vor lauter Schönheit auch schon mal der "rote Faden", der aus einer Aneinanderreihung großer Momente erst ein Stück macht, und das liegt in der Nachlässigkeit, mit der manche Spielszene behandelt ist.

Szenenfoto Emma Barrowman

Viele Tänzerinnen und Tänzer der Uraufführung sind noch dabei (oder als Gast zurückgekommen). Von den ganz Jungen imponiert Emma Barrowman, eine langbeinige blonde Schönheit, die irgendwann in die Rollen von Julie Shanahan (in diesem Stück nicht dabei) hineinwachsen könnte - die Verjüngung des Ensembles ist ja ein noch zu lösendes Problem des auf Leitungsebene krisengeschüttelten Wuppertaler Tanztheaters (seit das Gericht die Kündigung von Intendantin Adolphe Binder für rechtswidrig erklärt hat, gibt es mit ihr und der umgehend als Nachfolgerin installierten Bettina Wagner-Bergelt zwei künstlerische Leiterinnen und noch keinen erkennbaren Plan für die Zukunft, dazu eine Lokalpolitik mit Akteuren, deren Handeln man irgendwo zwischen "hilflos" und "intrigant" einordnen muss). Wobei … como el musguito …" wohl kein ganz schwer zu besetzendes Werk ist, weil es nicht so eng an bestimmte Tänzerpersönlichkeiten geknüpft ist.

Szenenfoto

Ensemble

Die sah man im Anschluss an diese Wiederaufnahme-Premiere, leider nur für diesen einen Abend. Eine Nacht für Pina heißt die etwa einstündige Hommage an die Prinzipalin anlässlich deren 10. Todestags, die vom Ensemble "und Gästen" gestaltet wurde: Eine Folge von Szenen, die aus älteren Stücken stammen oder dort ihren Platz gefunden hätten, dazwischen immer wieder Zitate von Pina Bausch, gelesen von den Darstellerinnen und Darstellern. Jo Ann Endicott, unumstrittener Star der frühen Bausch-Jahre und eine Legende, ist da (sie ist natürlich oft da, weil sie diverse Neueinstudierungen übernommen hat) und wird vom Publikum umjubelt. Einige, die bei … como el musguito …" nicht mitgewirkt haben, stehen jetzt auf der Bühne und übernehmen das Kommando (Julie Shanahan, Nazareth Panadero). Matthias Burkert, Pianist und musikalischer Berater, ist dabei. Andere vermisst man: Mechthild Grossmann, Lutz Förster; Jan Minarek sowieso. Ganz wunderbar wird die Stimmung der Bausch-Stücke aus den 1980ern heraufbeschworen, und am Ende bittet Nazareth Panadero alle Zuschauer auf die Bühne. Da wird man selbst kurz zum Teil der großen Pina-Bausch-Famile.


FAZIT

"… como el musguito …" bringt tolle Szenen, tolle Bilder und große Tanzmomente - und ist in der Aneinanderreihung selbiger gleichzeitig ein bisschen unverbindlich.



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Produktionsteam

Inszenierung und Choreographie
Pina Bausch

Bühne und Kostüme
Peter Pabst

Kostüme
Marion Cito

Musikalische Mitarbeit
Matthias Burkert

Andreas Eisenschneider

Probenleitung der Neueinstudierung
Daphnis Kokkinos


Solisten

Tänzerinnen und Tänzer
Pau Aran Gimeno
Emma Barrowman
Damiano Ottavio Bigi*
Ça?da? Ermi?
Clémentine Deluy*
Silvia Farias Heredia
Jonathan Fredrickson
Ditta Miranda Jasjfi
Nayoung Kim
Dominique Mercy*
Morena Nascimento*
Azusa Seyama
Fernando Suels Mendoza*
Christopher Tandy
Stephanie Troyak
Tsai-Chin Yu * als Gast



Weitere Informationen
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Tanztheater Wuppertal
(Homepage)




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