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Der kleine Lord

Familienstück ab sechs Jahren nach Motiven von Frances Hodgson Burnett
Fassung von Henner Kallmeyer
Musik von William Shaw

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 10' (keine Pause)

Eine Kooperation vom Schauspiel der Wuppertaler Bühnen und dem Sinfonieorchester Wuppertal
Premiere im Theater am Engelsgarten am 16. November 2019
(rezensierte Aufführung: 23. Dezember 2019 im Opernhaus Wuppertal)


Wuppertaler Bühnen
(Homepage)
Tierisch gut

Von Stefan Schmöe / Fotos © Uwe Schinkel

Rührseligkeit garantiert? Wenn man den Kleinen Lord auf dem vorweihnachtlichen Theaterspielplan entdeckt, sollte man das eigentlich denken. Der in ärmlichen Verhältnissen in New York aufwachsende Cedric wird als designierter Erbe seines adeligen Großvaters zwecks standesgemäßer Erziehung nach England verfrachtet und macht dort aus dem hartherzigen Earl einen guten Menschen - so schlicht lässt sich die Handlung des Romans von Frances Hodgson Burnett aus dem Jahr 1886 zusammenfassen, und die Verfilmung mit Sir Alec Baldwin (1980) ist längst auch hierzulande Bestandteil des Weihnachtsfestes. Kein Wunder, dass ein Theater wie die Wuppertaler Bühnen den Stoff für das diesjährige Familienstück zur Weihnachtszeit entdeckt haben.

Szenenfoto kommt später

Cedric, ein Junge aus sehr einfachen New Yorker Verhältnissen, ahnt noch nicht, dass er Alleinerbe eines englischen Lords ist.

Die Rührseligkeit aber hat Henner Kallmeyer, der auch Regie führt, in seiner Fassung komplett ausgemerzt. Im Grunde interessiert ihn die Geschichte gar nicht, die nimmt er nur als Vorwand für quicklebendiges Theater, das stilistisch zwischen Slapstick, Straßentheater und Improvisation angesiedelt ist - und ob jedes Kind (ab 6, so die Altersempfehlung) die Handlung wirklich nachvollziehen kann, ist so sicher nicht. Aber die tollsten Szenen haben sowieso nichts mit der Geschichte zu tun. Da gibt es einen Hund (Silvia Munzón López) mit großartigem englischem Phlegma, und die Gestik von Pony (Konstantin Rickert) und Pferd (Andreas Rother) ist hinreißend witzig. Da gelingen große Theatermomente. Allzu schrill und lärmig geraten ist dagegen die Episode, in der eine Schauspielerin als vermeintliche Erbin den Adelstitel ihrem Sohn vermachen möchte - ein bisschen mehr Sorgfalt beim Erzählen der Geschichte wäre vielleicht doch angebracht.

Szenenfoto kommt später

In England angekommen: Der Earl of Dorincourt (Mitte) beäugt seinen Enkel Cedric skeptisch. Der eigentliche Star ist aber der Hund links.

Mit fünf Schauspielern, meistens in mehreren Rollen - neben den schon genannten sind das die charmant burschikose Julia Meier als Cedric und Martin Petschan als clowneske Karikatur eines Lords - nimmt das Stück seinen temporeichen Lauf. Die variable Bühne (Franziska Gebhardt), die mehr auf Stehgreif- denn auf Illusionstheater setzt, und die überdrehten Kostüme (Silke Rekort) verorten das Geschehen vage in den 1960er-Jahren, als das Telefonieren noch etwas Besonderes war und die Entfernung zwischen England und Amerika riesig - und, das ist wohl das Entscheidende, noch keine Unterhaltungselektronik und kein Internet das Leben bestimmt haben. Wenn menschenfreundliche Intuition über hartherzige Etikette siegt, ist das eine ohnehin zeitlose Botschaft.

Szenenfoto kommt später

Von links: Cedric (Julia Meier), der vermeintliche Enkel Tedrik (Andreas Rother), der Earl of Dorincourt (Martin Petschan, oben), noch ein falscher Enkel (Silvia Munzón López) und die angebliche Schwiegertochter, die für ihre Söhne den Adelstitel erschleichen möchte (Konstantin Rickert)

Als besonderen Clou hat William Shaw, Korrepetitor an den Wuppertaler Bühnen, eine aberwitzige Musik für Kammerorchester dazu komponiert, unter seiner Leitung vom blendend aufgelegten Wuppertaler Sinfonieorchester lustvoll gespielt. Die filigrane und transparente, sehr temporeiche Musik, oft basierend auf flotten Tanzrhythmen, wird gerade dann, wenn die Handlung selbst nicht so ernst genommen wird, zum wichtigen Akteur - viel mehr als nur Begleitung, ja geradezu Motor des Spiels. Daher ist es nur richtig, dass die Gemeinschaftsproduktion der Schauspielsparte und des Sinfonieorchesters nach der Premiere im Theater am Engelsgarten (einer schmucklosen kleinen Bühne für das Schauspielensemble) inzwischen im Wuppertaler Opernhaus angekommen ist.


FAZIT

Nein, rührselig geht es keine Sekunde zu - Der kleine Lord wird als Vorwand für höheren Theaterblödsinn genutzt, der aber ist mit toller Musik sehens- und hörenswert.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
William Shaw

Inszenierung
Henner Kallmeyer

Choreographie
Sophia Otto

Bühne
Franziska Gebhardt

Kostüme
Silke Rekort

Dramaturgie
Elisabeth Wahle



Sinfonieorchester Wuppertal


Schauspieler

Cedric
Julia Meier

Mr Hobbs / Graf von Dorincourt
Martin Petschan

Dicks Partner / Mr Havisham /
Mokka (Ein Pony) / Die falsche Gräfin
Konstantin Rickert

Dick / Higgins / Silberschweif (Ein Pferd) / Tedric
Andreas Rother

Eine Kundin / Cedrics Mutter /
Dougal (Ein Hund) / Fredric
Silvia Munzón López



Weitere
Informationen

erhalten Sie von den
Wuppertaler Bühnen
(Homepage)



Da capo al Fine

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