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Aufstieg und
Fall eines Superstars
Die letzten Tage des Jesus von Nazareth sind vielleicht nicht unbedingt das
Thema, welches man mit dem bevorstehenden Weihnachtsfest verbindet. Von daher
mag es ein wenig verwundern, dass die Wuppertaler Oper nach dem Musiktheater im
Revier vor zwei Jahren schon das zweite Theater in NRW ist, das die Premiere
dieses biblischen Stoffes direkt an den Beginn der Weihnachtsferien legt. Den
Erfolg dieser Produktion, bei der es sich um eine Übernahme aus dem
Oldenburgischen Staatstheater handelt, die seit Oktober 2017 insgesamt 40 Mal
vor vollem Haus aufgeführt wurde, dürfte diese Entscheidung allerdings nicht
beeinträchtigen. Während man für die Wuppertaler Inszenierung die gleichen
beiden Hauptdarsteller für die Partien des Jesus und des Judas verpflichtet hat,
spielt man es im Gegensatz zu Oldenburg allerdings in der großen
Orchesterfassung, bei der das Sinfonieorchester Wuppertal aus dem Graben mit der
fünfköpfigen Rockband auf der Bühne zu einem großen Klangkörper zusammenwächst.
Jesus (Oedo Kuipers) wird als Superstar von der
Masse gefeiert.
Das Regie-Team um Erik Petersen interessiert - genauso wenig wie Andrew Lloyd
Webber und seinen Textdichter Tim Rice, als sie das Stück Ende der 60er bzw.
Anfang der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts schufen - in erster Linie nicht
der biblische Inhalt, sondern vielmehr die persönliche Dramatik, die in dem
bühnenwirksamen Aufstieg und Fall einer charismatischen Persönlichkeit liegt.
Von daher verzichten das Bühnenbild von Sam Madwar und die Kostüme von Verena
Polkowski auf historische Anspielungen. Die Handlung spielt im Hier und
Heute, und Jesus wird als Rockstar gezeigt, der zu Beginn des Stückes mit seiner
Band, die neben Judas aus drei weiteren Musikern und drei Soulgirls, eine davon
Maria Magdalena, besteht, von der Masse frenetisch gefeiert wird. Madwar hat
dafür eine Bühne auf der Bühne entworfen, die in ihrer halbrunden Form mit ihren
zahlreichen Lampen an eine Art Cabaret erinnert. Die Rockband sitzt als
"begleitendes Live-Orchester" auf einer Empore im Hintergrund der Bühne. Auf der
rechten und linken Seite befindet sich jeweils ein Steg, über den Figuren aus
der oberen Ebene auf die Bühne hinab- oder hinaufsteigen können. In einer
waagerechten Position bieten diese beiden Bühnenteile auch eine hervorragende
Möglichkeit für einen bewegenden Schlagabtausch zwischen Jesus und seinem
Gegenspieler Judas.
Jesus (Oedo Kuipers, Mitte) mit Maria Magdalena
(Maureen Mac Gillavry) und Judas (Rupert Markthaler, links)
Letzterer nimmt bei Rice und Webber eine derart zentrale Rolle ein, dass die
beiden sogar überlegten, das Stück Judas zu nennen. Mit einer sehr
modernen und kritischen Haltung hinterfragt er ständig Jesus' Handeln, das
textlich teilweise wörtlich aus den Evangelien des Lukas und Johannes übernommen
wird. In der Jesus-Band in Petersens Inszenierung spielt Lukas die E-Gitarre und
beobachtet sehr besorgt den Star der Band, Jesus, der dem Hype um seine Person
nicht mehr gewachsen zu sein scheint und schon zu Beginn der Aufführung relativ
ausgebrannt wirkt. Während er zu Beginn Jesus' vor dem Jubel der Masse warnt,
der schnell umschlagen kann, falls Jesus ihren Wünschen nicht mehr gerecht
werden sollte, hat er das Gefühl, dass Jesus aus Schwäche nicht auf ihn hört, so
dass er ihn schließlich trotz schlechten Gewissens verrät. Beim letzten
Abendmahl kommt es zu einem musikalisch grandiosen Schlagabtausch der beiden,
der im legendären "Judaskuss" im Garten Gethsemane kulminiert. Obwohl sich Judas
im Anschluss an seinen Verrat das Leben nimmt - bei Petersen erschießt er sich
auf einem der beiden Stege -, taucht er am Ende mit der Jesus-Band als neue
Rock-Ikone wieder auf. Während Jesus am Kreuz emporgezogen wird, hat die Masse
bereits ihr neues Idol gefunden. Judas hat mit seinen Warnungen am Anfang
folglich Recht behalten.
Pontius Pilatus (Simon Stricker, links) lässt
Jesus (Oedo Kuipers, auf dem Boden liegend) auspeitschen.
Mit Oedo Kuipers in der Titelpartie und Rupert Markthaler als Judas, die bereits
in Oldenburg das Publikum begeisterten, hat man zwei großartige Sängerdarsteller
verpflichtet, die allein schon die Reise nach Wuppertal empfehlenswert machen.
Kuipers zeichnet ein glaubhaftes Bild eines umjubelten Rockstars, der dem Rummel
um seine Person nicht mehr gewachsen ist und in den Armen Maria Magdalenas
vergeblich Ruhe und Kraft sucht. Ein absoluter Höhepunkt ist die "Gethsemane"-Szene,
in der Jesus nach dem letzten Abendmahl mit seinen Jüngern in seiner Einsamkeit
zu verstehen versucht, warum ihm dieser Leidensweg vorherbestimmt ist. Kuipers
innerer Kampf rührt hierbei zu Tränen. Auch stimmlich fängt er die Zerrissenheit des Erlösers bewegend ein, und seine verzweifelnden Schreie gehen
unter die Haut. Das Publikum ist derart begeistert, dass es sogar innerhalb
dieser Szene frenetischen Zwischenapplaus spendet. Wenn Jesus nach der
Verhaftung schließlich blutig geschlagen und ausgepeitscht wird, versetzt Kuipers mit seinem eindringlichen Spiel das Publikum in eine regelrechte
Schockstarre. Auch die letzten Worte am Kreuz werden von ihm bewegend umgesetzt.
Judas (Rupert Markthaler, vorne rechts) verrät
Jesus an Kaiphas (hier: Sebastian Campione, 2. von links) und Annas (Simon
Stricker, links oben) (im Hintergrund: die beiden Priester: hier Sookwang Cho
und Hak-Young Lee).
Markthaler steht ihm als Judas szenisch und stimmlich in nichts nach. Großartig
gestaltet er Judas' inneren Kampf, wenn dieser immer weniger Jesus' Verhalten
nachvollziehen kann. Erst in seinem Song "Judas' Death" erkennt er, als Werkzeug
für die Verwirklichung eines höheren Plans missbraucht worden zu sein, so dass
er in seiner Verzweiflung nur noch den Freitod als Ausweg sieht. Markthaler
begeistert hier durch sauber angesetzte Spitzentöne. Den "Judaskuss" gibt er
Jesus nur auf den Hals. Dabei nähert er sich ihm auch von hinten, so dass die
beiden sich in dieser Szene nicht in die Augen sehen. Das hätte Judas vielleicht
in Petersens Lesart doch nicht fertiggebracht. Maureen Mac Gillavry überzeugt
als Maria Magdalena, die zunächst mit einem milde angesetzten "Everything's
Alright" Jesus zu beruhigen und später in dem berürenden "I Don't
Know How to Love Him" ihre Liebe zu Jesus zu begreifen versucht. Kim David
Hammann übernimmt die Partien des "Band-Mitglieds" Simon Zelotes und des Petrus, der nach Jesus' Verhaftung abstreitet, ihn zu kennen.
Ernüchternd gelingt die Szene, in der die Band beschließt, auch ohne Jesus
weiterzumachen.
Rainer Zaun legt die Partie des durchtriebenen Kaiphas mit dunklem Bass an, der
die Schwärze der Figur glaubhaft unterstreicht. Simon Strecker punktet mit
kräftigem Bariton sowohl als Annas, der mit Kaiphas zu dem Entschluss gelangt "This
Jesus Must Die", als auch als Pontius Pilatus, der in seinem weißen Anzug
versucht, sich der Verpflichtung zur Verurteilung zu entziehen. Wenn er sich im
"Trial Before Pilate" mit 39 Peitschenhieben bemüht, ein Geständnis aus Jesus
herauszuprügeln, und dann unter dem Druck des Volkes Jesus aufgeben und der
Hinrichtung übergeben muss, stellt Stricker das Unbehagen des Präfekten sehr
glaubhaft dar. Marc Bowman-Hester legt den König Herodes als eine Art Liberace
mit glitzerndem Sakko und Pelzmantel an, der vom Volk als glamouröser Star
gefeiert wird und in dessen Song eine gewisse Häme dem "gefallenen Konkurrenten"
gegenüber mitschwingt. Sehr eindrucksvoll gelingt auch die Abendmahlszene nach
der Pause, die von den zwölf Jüngern, die teilweise auch von Choristen
dargestellt werden, zunächst mit einer Gitarre sehr intim begleitet wird, bevor
das Orchester diese wunderbare Melodie aufnimmt. Der von Markus Baisch
einstudierte Opern- und Jugendchor überzeugt in kleineren solistischen Partien
und in den Massenszenen. Das Sinfonieorchester unter der Leitung von Jürgen
Grimm harmoniert wunderbar mit der Rockband auf der Bühne, so dass es für alle
Beteiligten am Ende zu Recht frenetischen Beifall gibt.
FAZIT
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung und Bühne Bühne Kostüme
Choreographie
Licht
Chor Dramaturgie
Sinfonieorchester Wuppertal Opernchor und Jugendchor der Wuppertaler Bühnen Solisten*Premierenbesetzung Jesus von Nazareth Judas Ischariot Maria Magdalena / Soulgirl Pontius Pilatus / Annas Simon Zelotes / Petrus Kaiphas Herodes 1. Priester 2. Priester Soulgirl 1 Soulgirl 2 Jesus People Frau am Feuer Alter Mann Lepröse Frau Lepröser Mann Jesus-Band
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- Fine -