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Aus dem Zusammenhang gerissen
Von Stefan Schmöe / Fotos von Bernhard Weis
Episode 3 des Vorstellungstermins von Demis Volpi, dem neuen Ballettchef im gleichen Format wie zuvor, was bedeutet: Gruppen von bis zu acht Tänzerinnen und Tänzern (mehr dürfen derzeit nicht zusammen trainieren und proben); Abstandsregeln gelten auch auf der Bühne (soweit die Beteiligten keinen gemeinsamen Haushalt führen); nachdem eine Gruppe getanzt hat, muss die Bühne gereinigt werden (dann gibt es wieder eine Filmeinblendung, wobei dieser dritte Teil von Daisy Longs A First Date - Die Dokumentation wie ein großer Werbeclip für Demis Volpi und seine Compagnie geraten ist). Gezeigt werden an diesem Abend durchweg Ausschnitte aus Choreographien von Volpi (und am Ende von Andrey Kaydanovsky). Keine Uraufführung, wie sie es in den Episoden 1 und 2 gegeben hatte.
Big Blur entstand 2010 als erste choreographische Arbeit Volpis für das Stuttgarter Ballett, wo er danach von 2013 - 2017 Hauschoreograph war. In eine schwarze Wand an der Bühnenrückseite ist eine Öffnung eingelassen, durch die scharf begrenzten weißes Licht auf die Bühne fällt. Ein Tänzer betritt durch diesen Ausschnitt die Bühne. Knielange blaue Hose, ein weißer Blazer (der eine stark feminine Note gibt) über ansonsten entblößtem Oberkörper, ertastet er die Umgebung, sicheren Stand suchend, den Raum mit den Armen durchmessend und erobernd. Danach kommt eine Tänzerin, blaues Röckchen, ärmellose weiße Bluse, irgendwie zwischen Schuluniform und Buisiness-Look (Kostüme: Michaela Springer), dazu Spitzenschuh. Ganz ähnliches Verhalten wie ihr männlicher Kollege zuvor, nur sehr viel auf Spitze, den Körper verbiegend. Das ist das Grundmodell, das man erkennt und das in kleinen Episoden variiert wird. In einer bewegen sich zwei Tänzerinnen spiegelbildlich zueinander. Das alles wirkt gespenstisch rätselhaft, Tänzerinnen und Tänzer mitunter wie von einer fremden Macht gesteuert. Dazu erklingt Schlagzeugmusik (Philippe Ohl) vom Band, was die unwirkliche Atmosphäre unterstreicht. Die Bewegungssprache ist faszinierend. Big Blur (in etwa: Große Unschärfe) weckt Interesse nach mehr. Elegie: Futaba Ishizaki Das gilt auch für Elegie, 2014 für das Lettische Nationalballett choreographiert. Die Musik stammt von Peteris Vasks (aus dessen zweitem Streichquartett Sommerweisen, einer zerbrechlichen Musik voller Naturschilderungen, komponiert 1984). In der Einführung erfuhr man, dass Volpi in der Choreographie auf das lettische Freiheitsdenkmal in Riga anspielt, der Choreographie also einen für das lettische Publikum verständlichen Subtext mitgegeben hat, der in Düsseldorf und Duisburg natürlich nicht so einfach erkennbar ist. Zunächst ist die Bühne durch einen Schleiervorhang vom Publikum getrennt. Im Hintergrund steht eine Tänzerin (Futaba Ishizaki), vorne ein Tänzer (Rashaen Arts), der energiegeladen ein Solo beginnt, sich aufbäumt, mit etwas zu ringen scheint, am Ende die Schultern hängen lässt und die Bühne verlässt. Der Schleiervorhang fährt hoch, und jetzt gehört die Bühne der Tänzerin, in strahlendem Weiß (Kostüme: Thomas Lempertz), für ein (längeres) Solo - am Ende steht sie mit dem Rücken zum Publikum, den Kopf weit nach hinten gebeugt, und löst sich das Haar. Eine Allegorie auf die Freiheit? Erfolg und Misserfolg? Auch das erfuhr man in der Einführung; der kurze, gleichwohl eindrucksvolle Ausschnitt allein bleibt abstrakt.
Das ist ja das Problem mit diesen Ausschnitten: Es fehlt eben viel drumherum, was zum Verstehen notwendig wäre. Das betrifft auch die beiden folgenden Duette, beide mit synchronen Bewegungen. Quasi una Fantasia zum zweiten Satz aus Henryk Goreckis gleichnamigem zweiten Streichquartett zeigt eine weiße und eine schwarze Gestalt; die weiße mit Blazer, die schwarze mit Zotteln behängt. hell und dunkel, Licht und Schatten, das versteht man schnell, für das Gegensatzpaar "Haut und Haar" braucht man schon eher die Erläuterung. So oder so: Die Szene bleibt reichlich plakativ und banal. Weitaus mitreißender ist der kurze Ausschnitt aus Chalkboard Memories, also "Erinnerungen an die Kreidetafel", und Niklas Jendrics und Edvin Somai tanzen zur lässigen Musik von Nina Simone wie zwei große Lausbuben. Viel Tiefgang erkennt man nicht, auch da fehlt der Rahmen, in den die Szene eingebettet ist, aber man schaut gerne zu. Love Song: Feline van Dijken, Eric White
Zum Abschluss dann ein Mini-Handlungsballett von Andrey Kaydanovskiy, entstanden 2014 für die Reihe "Young Choreographers" des Wiener Staatsballetts. Ein Paar lernt sich durch Zufall kennen und kommt sich näher, also eine kleine Liebesgeschichte, ganz witzig in Szene gesetzt, und Feline van Dijken und Eric White dürfen sich (gemeinsamer Haushalt) berühren und küssen. Leider endet das Stück ziemlich abrupt. Auch da hätte man gerne mehr gesehen. Kurzum: Fünf Miniaturen, die allesamt das Problem haben, aus einem Kontext gerissen zu sein, die aber Neugier auf mehr wecken, die allesamt gemäßigt modernen Tanz repräsentieren. Es ist die geschlossenste der drei Episoden, mit denen Volpi sich als neuer Ballettchef in Düsseldorf und Duisburg vorstellt. Wobei nach drei Abenden noch nicht so recht deutlich wird, wo die Reise hingehen könnte.
Jetzt reicht's aber auch mit dem kleinen Format (das natürlich dem Coronavirus geschuldet ist) nach drei "Episoden" mit oft interessanten Miniaturen und Ausschnitten, die viel Talent andeuten, aber noch nicht den ganz großen Wurf. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) zu unseren Besprechungen von A First Date, Episode 1 A First Date, Episode 2 |
ProduktionsteamBig Blur (Ausschnitte)
Choreographie
Kostüm
Licht
Einstudierung Tänzerinnen und TänzerDaniele BonelliSara Giovanelli Vincent Hoffman Charlotte Kragh James Nix Elisabeth Vincenti Uraufführung: Elegie(Ausschnitt)
Choreographie
Kostüm
Licht
Einstudierung Uraufführung: Lettisches Nationalballett, Tänzerinnen und TänzerRashaen ArtsFutaba Ishizaki Uraufführung: Quasi und fantasia (Ausschnitt)
Choreographie
Kostüm
Licht
Einstudierung Tänzerinnen und TänzerMaria Luisa Castillo YoshidaCourtney Skalnik Uraufführung: Chalkboard Memories(Ausschnitt)
Choreographie
Kostüm
Licht Uraufführung:
Choreographie
Kostüm
Licht Uraufführung:
Regie
Licht und Kamera
Ton
Schnitt, Postproduktion |
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