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Die Blume von Hawaii

Operette in drei Akten
Libretto von Alfred Grünwald, Fritz Löhner-Beda und Imre Földes
Musik von Paul Abraham

in deutscher Sprache (Lieder mit deutschen Übertiteln)

Aufführungsdauer: ca. 2h 25' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 24. Oktober 2020


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Selige Operettenträume

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Paul Abraham darf wohl als eine der tragischen Figuren der Musikgeschichte betrachtet werden, da seiner Karriere durch das Erstarken der Nationalsozialisten ein jähes Ende gesetzt wurde. Anfang der 30er Jahre gehörte er nämlich zu den am meisten gespielten Operettenkomponisten, der mit seiner Mischung aus klassischen Operettenmelodien, Jazz und Foxtrott das Publikum begeisterte. Mit Viktoria und ihr Husar, Die Blume von Hawaii und Ball im Savoy feierte er innerhalb kürzester Zeit drei Riesenerfolge mit eingängigen Hits, die sich zu absoluten Gassenhauern entwickelten, und er hätte sicherlich weiterhin als wichtiges Bindeglied zwischen Operette und Musical fungiert, wenn nicht aufgrund seiner jüdischen Wurzeln seine Werke kurz nach der Premiere von Ball im Savoy verbannt worden wären. Zwar gelang ihm über einige Zwischenstationen die Flucht in die USA. Aber dort wurde ihm musikalisch keine Beachtung geschenkt. Sein verjazzter Stil galt dort Ende der 30er Jahre schon wieder als veraltet. Zu den finanziellen Schwierigkeiten kamen aufgrund einer verschleppten Syphiliserkrankung gesundheitliche Probleme hinzu, so dass er 1946 ins New Yorker Creedmoor-State-Hospital eingeliefert wurde. Als er dank eines in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg gegründeten Abraham-Komitees 1956 nach Deutschland zurückkehren konnte, war er so geschwächt, dass er in die psychiatrische Universitätsklinik in Hamburg Eppendorf kam, wo er von seiner Frau, von der er sich vor seiner Flucht in die USA getrennt hatte, bis zu seinem Tod 1960 gepflegt wurde. In Hagen hat man nun Die Blume von Hawaii auf den Spielplan gestellt, ein Werk, das auch unter den derzeit geltenden Corona-Bedingungen mit einem relativ überschaubaren Orchester fast ohne Einschränkungen gespielt werden kann.

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Kanako Hilo (Insu Hwang, Mitte) will, dass Prinzessin Laya (Angela Davis) den Prinzen Lilo-Taro (Richard van Gemert, rechts) heiratet, um Hawaiis Unabhängigkeit zu sichern (im Hintergrund: Alina Grzeschik als Bessie Worthington).

Die Geschichte spielt in Hawaii zum Zeitpunkt der Annektierung durch die USA Ende des 19. Jahrhunderts und ist eigentlich so abstrus, dass man sie heute kaum noch unkommentiert spielen kann. Der Gouverneur Lloyd Harrison plant, seine Nichte Bessie mit dem hawaiianischen Prinzen Lilo-Taro zu verheiraten, um so die Vormachtstellung der USA auf der Inselgruppe zu sichern. Doch Lilo-Taro liebt die Prinzessin Laya, die als kleines Mädchen mit ihm verlobt worden ist, anschließend allerdings nach Paris gegangen ist. Nun kommt sie, getarnt als französische Jazz-Sängerin Suzanne Provence, mit ihrem Show-Partner Jim Boy nach Hawaii, um sich in einer nächtlichen Zeremonie zur Königin krönen zu lassen. Dabei soll sie auch Lilo-Taro heiraten und damit erneut die Unabhängigkeit Hawaiis von den USA anstreben. Auf der Überfahrt hat sie sich allerdings in Kapitän Stone verliebt, der den Auftrag hat, sie zu verhaften, sollte sie nicht bereit sein, auf ihre Regierungsansprüche zu verzichten. Doch Stone weigert sich aus Liebe zu ihr, diesem Auftrag Folge zu leisten, und wird selbst abgeführt. Um ihn zu befreien, unterschreibt Laya doch die Verzichtserklärung, was Lilo-Taro an ihrer Liebe zu ihm zweifeln lässt, so dass er sich im Meer ertränken will. In letzter Sekunde kann Kapitän Stone ihn retten und nimmt ihn mit nach Monte Carlo. Dort treffen dann alle Monate später in einem Spielcasino aufeinander. Lilo-Taro und Laya gestehen sich erneut ihre Liebe. Damit der Kapitän nicht leer ausgeht, taucht Layas Doppelgängerin, die richtige Suzanne Provence, auf, die ebenfalls von dem Kapitän sehr angetan ist. Und Bessie, die eigentlich gehofft hatte, entweder den Prinzen oder den Kapitän zu bekommen, erkennt, dass John Buffy, der Sekretär ihres Vaters, der sie von Beginn des Stückes an umworben hat, letztlich auch keine ganz so schlechte Partie ist.

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Kapitän Reginald Stone (Kenneth Mattice) träumt von einer besseren Zeit.

Das Regie-Team um Johannes Pölzgutter stellt der Geschichte einen Prolog voran und wandelt den letzten Akt in Monte Carlo in einen Epilog um, so dass man die ganze Handlung als einen seligen Operettentraum betrachten kann, den Kapitän Stone in einem leicht heruntergekommenen Varieté-Theater hat, wo er sich in Erinnerung an bessere Zeiten dem Alkohol hingegeben hat. Neben der im Hintergrund befindlichen Bühne sieht man ein Plakat, das Hawaii mit einer bildschönen Hula-Tänzerin als stereotypes Südseeparadies zeichnet. Suzanne Provence tritt in diesem Varieté-Theater mit drei Tänzerinnen auf, wird allerdings von Stone gar nicht zur Kenntnis genommen. Kanako Hilo arbeitet hier als Kellner und säubert recht rabiat die Tische, bevor sich der Vorhang im Hintergrund hebt und Stone in ein imaginäres Hawaii eintaucht. Das Bühnenbild von Rasa Akelaitytè besteht nun aus drei Podesten, die in ihrer Form entweder an einen liegenden Bilderrahmen oder einen Sandkasten erinnern. Aus jedem Podest ragt eine leicht kitschig glitzernde Palme, die die Surrealität der Szene unterstreicht. Durch Einsatz der Drehbühne entstehen immer neue Bilder, bei denen die Darsteller*innen problemlos die derzeit geltenden Abstandsregeln einhalten können. Natürlich wirkt es ein bisschen befremdlich, dass sich hier niemand wirklich nahekommt, aber man weiß ja warum. Selbst einen kleinen Teil des Hagener Opernchors kann man so in die Inszenierung einbauen, auch wenn der Chor in den meisten Szenen aus dem Off singen muss. Die drei Tänzerinnen aus dem Varieté haben sich nun in drei Hawaii-Schönheiten verwandelt, die alle gängigen Klischees erfüllen. Auch die übrigen Kostüme, für die Susana Mendoza verantwortlich zeichnet, dürfen als opulent bezeichnet werden, was der Gattung Operette ihren speziellen Charme verleiht.

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John Buffy (Alexander von Hugo) liebt Bessie Worthington (Alna Grzeschik), die Nichte des Gouverneurs.

Im ersten und zweiten Akt darf das Publikum dann ohne Einschränkungen einen seligen Operettentraum genießen und erlebt die Geschichte nahezu klassisch. Der letzte Akt führt dann wieder in das Varieté vom Anfang zurück, wobei Raka hier die Rolle eines Conférenciers übernimmt. Hier wird nun ein wenig textlastig das unglaubwürdige Ende konstruiert, bei dem es vier "glückliche" Paare gibt. Auf eine Doppelgängerin der Prinzessin verzichtet Pölzgutter. Zwar wird Suzanne Provence ebenfalls von Angela Davis gespielt, aber ähnlich sieht sie der Prinzessin dabei nicht, was zum einen durch eine andere Haarfarbe und zum anderen durch das Varieté-Kostüm unterstrichen wird. Auch von der Eleganz der schönen Prinzessin Laya ist diese Suzanne Provence weit entfernt. Aber im Traum sieht man eben manche Dinge ganz anders, so dass sich Suzanne ähnlich verwandelt wie Raka, die auch bereits im Prolog im Varieté zugegen ist. Wieso John Buffy in die absolut oberflächliche Bessie Worthington verliebt ist, erschließt sich nicht wirklich. Aber Liebe muss ja auch nicht immer nachvollziehbar sein. Einzig Raka und Jim Boy, die ja ein wenig außerhalb dieser ganzen Liebeswirrungen stehen, wirken am Ende als Paar relativ real. Dass Kanako Hilo am Schluss das Schreiben, in dem der Gouverneur unterschrieben hat, dass die USA auf jegliche Ansprüche auf Hawaii verzichtet, zerreißt, betont noch einmal, dass alles nur ein seliger Traum war, der jetzt ausgeträumt ist.

Das Ensemble lässt bei der Umsetzung dieser kurzweiligen Inszenierung keine Wünsche offen. Da ist zunächst einmal Angela Davis in der Doppelrolle der Prinzessin Laya und der Sängerin Suzanne Provence zu nennen. Als hawaiianische Prinzessin besticht sie durch optische Eleganz und Grazie und punktet mit strahlendem Sopran. Auch wenn sie in den flotten Songs das Tanzbein schwingt, macht sie eine sehr gute Figur. Als Suzanne zeigt sie, dass sie auch das komische Spiel beherrscht, da sie als leicht heruntergekommene Sängerin alles andere als grazil auftritt. Kenneth Mattice legt den Kapitän Reginald Stone sehr melancholisch an und spielt auch die Rahmenhandlung absolut glaubhaft. Stimmlich überzeugt er mit virilem Bariton. Richard van Gemert gestaltet die Partie des Prinzen Lilo-Taro mit weichem Tenor, der die Verliebtheit des Prinzen hervorhebt. Ihm nimmt man ab, dass er aus zurückgewiesener Liebe bereit ist, im Meer den Tod zu suchen.

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Jim Boy (Frank Wöhrmann) flirtet mit Raka (Penny Sofroniadou).

Auch die komischen Figuren sind gut besetzt. Alexander von Hugo überzeugt als John Buffy nicht nur durch humorvolles Spiel, sondern begeistert auch durch großartige Steppeinlagen. Alina Grzeschik spielt die Allüren der verzogenen Gouverneurs-Nichte Bessie sehr glaubhaft aus, kann aber leider nicht als Stepp-Partnerin für von Hugo fungieren. Da wirkt es schon ein wenig irritierend, wenn sie hinter dem Regenschirm verschwindet und mit Maciej Michael Bittner als Kadett Bobby Flipps die Rollen tauscht, der dann wie von Hugo eine atemberaubende Steppnummer aufs Parkett legt. Frank Wöhrmann gestaltet den Jim Boy ebenfalls mit großem Spielwitz. Auf seinen politisch inkorrekten "Niggersong" im dritten Akt wird verzichtet. Besondere Komik entfaltet er, wenn er mit einem Surfbrett über die Bühne rollt. Zwischen ihm und Penny Sofroniadou, die eine bezaubernde Raka präsentiert, funktioniert die Chemie sowohl bei den Tanznummern als auch beim gemeinsamen Spiel. Rodrigo Tomillo holt mit dem Philharmonischen Orchester Hagen einen flotten Sound aus dem Orchestergraben, so dass es für alle Beteiligten berechtigten und begeisterten Applaus gibt. Dass dieser vielleicht etwas dünn wirkt, liegt daran, dass aufgrund weitergehender Corona-Bestimmungen die Platzkapazität im großen Haus noch weiter eingeschränkt werden musste.

FAZIT

Das Theater Hagen lässt das Publikum in einer momentan doch sehr frustrierenden Zeit in einen seligen Operettentraum eintauchen. Es bleibt zu hoffen, dass bald wieder mehr Publikum ins Haus gelassen werden kann. Diese Produktion hätte nämlich einen vollen Saal verdient.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Rodrigo Tomillo

Inszenierung und Bühne
Johannes Pölzgutter

Bühne
Rasa Akelaitytè

Kostüme
Susana Mendoza

Choreographie
Sean Stephens

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Licht
Martin Gehrke

Dramaturgie
Rebecca Graitl

 

Philharmonisches Orchester Hagen


Besetzung

*Premierenbesetzung

Prinzessin Laya / Suzanne Provence
Angela Davis

Prinz Lilo-Taro
Richard van Gemert

Kanako Hilo
Insu Hwang

Kapitän Reginald Stone
Kenneth Mattice

Gouverneur Lloyd Harrison
Götz Vogelgesang

John Buffy
Alexander von Hugo

Bessie Worthington
Alina Grzeschik

Raka
*Penny Sofroniadou /
Elizabeth Pilon

Jim Boy
Frank Wöhrmann

Kadett Bobby Flipps
Maciej Michael Bittner

Chor
Dirk Achille
Nina Andreeva
Johan de Bruin
Anja Frank-Engelhaupt
Bumchul Kim
Sophia Leimbach
Nicole Nothbaar
Egidijus Urbonas

Tänzerinnen
Filipa Amorim
Noemi Emanuela Martone
Amber Neumann
Suzanne Vis

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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