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Wenn die Nacht am tiefsten
(... ist der Tag am nächsten)

Deutsch-Rock-Punk-Pop-Theater-Party
Musik von Grobschnitt, Fehlfarben, Ideal, Ton Steine Scherben, Trio, Die Ärzte, BAP, Münchner Freiheit, Herbert Grönemeyer, Nina Hagen, Extrabreit, Reinhard Mey, Deichkind, Die Toten Hosen, Selig, Rio Reiser, Wir sind Helden, Kraftklub, Rüdiger "Purple" Schulz, Nena u. a.

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (eine Pause)

Premiere im Theater Hagen am 6. September 2020


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Nostalgie mit Neuer Deutscher Welle

Von Thomas Molke / Fotos von Klaus Lefebvre (Rechte Theater Hagen)

Das Theater Hagen gehört zu den wenigen Bühnen, die nach der Corona-bedingten Schließung der Theater im März 2020 schon vor der Sommerpause die Pforten des Großen Hauses wieder geöffnet hat, wenn auch nicht mit dem ursprünglich vorgesehenen Programm. Statt des Ballettabends Schwanensee - aufgetaucht choreographierte Ballett-Chefin Marguerite Donlon einen an die durch Corona geltenden Abstandsbedingungen angepassten Prolog, und in der Oper gab es den ersten Teil einer szenischen Umsetzung von Schuberts Winterreise. Zwar hat sich, was die durch COVID-19 bedingten Auflagen betrifft, auch zum Beginn der neuen Saison noch nicht viel geändert. Aufgrund der geltenden Abstandsregeln sind immer noch nur maximal 180 Zuschauer im Saal zulassen. Aber das Theater Hagen knüpft trotzdem da an, wo es am 12. März 2020 abbrechen musste, und eröffnet die Spielzeit mit der Eigenproduktion Wenn die Nacht am tiefsten (... ist der Tag am nächsten). Die Realisierung dieser Rock-Punk-Pop-Theater-Party kann man sich in Zeiten von Corona eigentlich kaum vorstellen. Aber von der ursprünglichen für März geplanten Fassung musste gar nicht so viel abgeändert werden, um die geltenden Schutzbestimmungen einzuhalten. Schließlich stehen ja "nur" maximal drei Solisten, zwei Background-Vocals, vier Tänzerinnen und eine fünfköpfige Band auf der Bühne. Verzichtet werden muss allerdings auf den Einbezug des Publikums, was bei diesen zahlreichen Songs mit Mitsing-Potenzial gar nicht so einfach ist.

Die Show kann gewissermaßen als Fortsetzung der Undergroundparty Take a Walk on the Wild Side betrachtet werden, mit der das Theater im September 2018 die Spielzeit eröffnet und das Publikum im wahrsten Sinne des Wortes von den Sitzen gerissen hat (siehe auch unsere Rezension). Damals gab es einen bunten Streifzug durch die Rock-Musik der 60er, 70er und 80er Jahre des letzten Jahrhunderts, mit der sich die Jugend der damaligen Zeit gegen verkrustete Strukturen in Staat und Gesellschaft gewehrt hat. Nun widmet man sich der deutschen Rock-, Punk- und Pop-Welle, die seit dem Ende der 70er Jahre in Deutschland genauso unangepasst daherkam wie die Musik des ersten Abends und sehr deutlich Stellung gegen die damalige Politik in Deutschland bezog. Das Bühnenbild von Jasna Bošnjak weckt mit einer mit Graffiti besprühten Hauswand auf der rechten Seite der Bühne, dem Bild einer typischen Hochhaussiedlung im Hintergrund auf der linken Seite und einem kahlen Baum davor Erinnerungen an 80er Jahre des letzten Jahrhunderts. Unterstützt wird dieser Eindruck durch Video-Projektionen im Hintergrund der Bühne und auf der rechten und linken Seite, die die einzelnen Songs untermalen.

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Streifzug durch die deutsche Rock-, Punk- und Pop-Welle mit Vanessa Henning, Patrick Sühl (rechts) und Alexander Brugnara (links)

Anders als beim ersten Abend kann bei einigen deutschen Songs auch ein expliziter Bezug zu Hagen hergestellt werden. So wird der Abend mit einem Instrumental-Teil aus dem Rock-Märchen Rockpommel's Land aus dem Jahr 1979 eröffnet. Die Band Grobschnitt war 1970 aus ein paar Schülerbands in Hagen entstanden. Auch Annette Humpe, die als Frontfrau der Gruppe Ideal mit "Blaue Augen" einen Riesenerfolg feierte, ist gebürtige Hagenerin. Extrabreit ist ebenfalls in Hagen Kult. Der Song "Polizisten" entstand 1982 im "Rockpalast Hohenlimburg", dem ehemaligen Oeger-Lux Kino, das der Band als Probenraum diente. Als berühmteste Hagener Rock-Pop-Ikone zählt natürlich Nena, und so darf an diesem Abend ihr wohl größter Hit "99 Luftballons" nicht fehlen. Als Zugabe gibt es von ihr dann auch noch "Irgendwie, irgendwo, irgendwann". Die übrigen Songs des Abends entstanden zwar in anderen Teilen der Republik, dürften aber in Hagen genauso gefeiert worden sein wie im Rest des Landes.

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"Ich glotz' TV": Vanessa Henning

Die Besetzung ist nahezu identisch mit der bei der Undergroundparty vor zwei Jahren. Wie schon bei Take a Walk on the Wild Side dominiert Vanessa Henning mit ihrer unglaublichen Energie den Abend und gibt den von ihr interpretierten Songs eine ganz eigene Note, ohne dabei das Original zu kopieren. Schon bei ihrem ersten Auftritt mit "Ein Jahr (Es geht voran)" von Fehlfarben gibt sie das Tempo des Abends vor, präsentiert ihre Kolleginnen und Kollegen als "Corona-Assistenten", mit denen sie die Spielregeln für den Abend erklärt: "Mittanzen gerne, aber Maske auf! Mitsingen auf gar keinen Fall! Leider! Wir wollen ja alle gesund den Saal verlassen." Und dann nimmt sie Fehlfarbens Text wörtlich: "Keine Atempause". Ein weiterer Höhepunkt ist ihre Interpretation des Nina Hagen-Klassikers "Ich glotz' TV", den sie absolut schrill präsentiert, während sie bei "Ohne dich" von der Münchner Freiheit und dem gleichnamigen Titel von Selig auf sehr viel Gefühl setzt.

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"Rebell" Patrick Sühl

Auch Patrick Sühl ist wieder mit dabei. Neben seinem Gesang überzeugt er auch an der E-Gitarre. Zu erwähnen ist seine Interpretation des Songs "Rebell" von den Ärzten, die er überzeugend aggressiv gestaltet. Ein weiterer Höhepunkt ist seine Umsetzung des berühmten Grönemeyer-Songs "Alkohol", und als Rio Reisers "König von Deutschland" liefert er ebenfalls einen sehr starken Auftritt ab. Dritter und neu im Bunde ist Alexander Brugnara, der unter anderem zwei Songs der Band Ton Steine Scherben interpretiert. Ein Song ist der Titel des Abends und passt vielleicht auch ganz besonders zur momentanen Corona-Situation: "Wenn die Nacht am tiefsten ist, ist der Tag am nächsten". Man darf die Hoffnung nicht aufgeben, dass auch wieder bessere Zeiten kommen. Das wird an diesem Abend immer wieder deutlich. Andres Reukauf, der für die Arrangements verantwortlich zeichnet und die Vorstellung am Keyboard begleitet, war ebenso bei der Undergroundparty dabei wie der Großteil der restlichen Band, die an diesem Abend sehr weit auseinander auf der Bühne platziert ist. Joyce Diedrich und Alina Grzeschik runden als Background-Vocals die Show musikalisch stimmgewaltig ab, und die Tanzstatisterie sorgt ebenfalls für gute Stimmung und animiert mit eingängigen Moves zum Mittanzen.

Beim Neue Deutsche Welle Medley fällt es ganz besonders schwer nicht mitzusingen, und man spürt einen Hauch Nostalgie durch den Saal schweben. Die Solisten tun wirklich alles, dem Publikum zwei unbeschwerte Stunden zu schenken. Ob man sich allerdings "An Tagen wie diesen" wirklich "Unendlichkeit" wünschen möchte, bleibt bei der derzeitigen Corona-Situation fraglich. Bei der letzten Zugabe gibt es dann zwar kein Mitsingen, aber zumindest ein "Mitsprechen". Mit Grönemeyers legendärer "Currywurst" beschließen Henning, Sühl und Brugnara den Abend und verabschieden sich von einem begeisterten Publikum.

FAZIT

Diesem Abend ist zu wünschen, dass er auch nach der Pandemie vor dann richtig vollem Haus zu erleben ist und Henning, Sühl und Brugnara das Publikum ohne Auflagen zum Toben bringen können.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung, Arrangements und  Keyboard
Andres Reukauf

Inszenierung
Michaela Dicu

Choreographie
Amber Neumann

Bühne
Jasna Bošnjak

Kostüme
Christiane Luz

Licht
Hans-Joachim Köster

Video
Michaela Dicu
Hans-Joachim Köster
Peter Copek

Konzept
Francis Hüsers

Dramaturgie
Ina Wragge

 

Guitar
*Christian Kiefer /
Peter Fischer /
*Patrick Sühl

Saxophone
Andreas Laux /
*Gerrit Rentz

Bass
Rudolf Behrend

Drums
Volker Reichling


Solisten

Vocals
Vanessa Henning
Alexander Brugnara
Patrick Sühl

Background-Vocals
Joyce Diedrich
Alina Grzeschik
Vanessa Henning

Tanzstatisterie
Hannah Emami
Hana Jurczyk
Ramina Kalashnykova
Anna Knipps
Olivia Koschinsky

 


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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