Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Berlin Skandalös

Ein wilder Tanz durch die 20er Jahre
Revue von Gil Mehmert mit Musik von Hanns Eisler, George Gershwin, Theo Mackeben u. a.
und Texten von Alexander Kareno, Egon Erwin Kisch, Curt Moreck u. a.

in deutscher und englischer Sprache

Aufführungsdauer: ca. 1h 35' (keine Pause)

Premiere  im Opernhaus Dortmund am 22. Oktober 2021
(rezensierte Aufführung: 27.10.2021)




Theater Dortmund
(Homepage)
Vorgeschmack auf Cabaret

Von Thomas Molke / Fotos von Björn Hickmann (© Stage Picture)

Die Spielzeit 2020/2021 sollte eigentlich im Musiktheater mit John Kanders berühmtem Musical Cabaret eröffnet werden. Dann kam die Corona-Pandemie und machte derartige Projekte für die vergangene Saison unmöglich. Auch ein Jahr später ist man in Dortmund noch nicht so weit, das Stück auf den Spielplan zu stellen, und hat es wegen anhaltender Planungsunsicherheit auf die kommende Spielzeit verschoben. Einen Vorgeschmack soll es aber dennoch geben, und deswegen hat der designierte Regisseur Gil Mehmert eine Revue zusammengestellt, die unter dem Titel Berlin Skandalös als ein "wilder Tanz durch die 20er Jahre" beschrieben wird und das Publikum in eine Welt eintauchen lässt, in der im Musical Cabaret  Clifford Bradshaw sein Herz an die Tänzerin und Sängerin Sally Bowles verliert. So könnte man sagen: "Willkommen im fiktiven Kit Kat Club", der als Sinnbild für das berauschende Berliner Nachtleben steht, das jetzt auch in der Serie Babylon Berlin thematisiert wird. Natürlich darf hier wie bei Cabaret der Conférencier nicht fehlen, der in Gestalt von Rob Pelzer ein wenig diabolisch durch den Abend führt.

Das Bühnenbild von Heike Meixner zeigt ein überdimensionales angeschrägtes Klavier, das auch als Bühne auf der Bühne fungiert und von dem eine Showtreppe herabführt, wie es sich für die Revuen der damaligen Zeit gehört. Doch dieser Rausch, in den sich die wachsende Metropole in der Hoffnung auf eine schillernde Zukunft hineinträumt, steht bereits vor dem Aus, wenn zum Ende hin die leuchtenden Sterne und der schimmernde Mond, die aus dem Schnürboden herabstrahlen, durch Hakenkreuzfahnen ersetzt werden und aus dem Radio keine Musik mehr erschallt, sondern eine Rede den Beginn einer neuen Zeit ankündigt, die schließlich in den Gräueltaten des Nazi-Terrors enden wird. Doch davon handelt der Abend nur am Rande. Stattdessen taucht man in ein Kaleidoskop ein, das vom Tanztee über das Sechstagerennen bis hin zu Jahrmarktszauber reicht und sowohl bekannte als auch unbekannte Musiknummern der damaligen Zeit präsentiert, die ein Bild über den Hunger nach Unterhaltung und Vergnügen vermitteln. Im Hintergrund der Bühne sieht man eine abstrakte Collage der Stadt, die ebenfalls andeutet, wie schräg dieser Zauber gewesen ist.

Bild zum Vergrößern

Bettina Mönch als Starlet mit den Boys und dem Conférencier (Rob Pelzer, links)

Jörn-Felix Alt, der im Programm als Gigolo ausgewiesen wird, schlüpft in diesem Ambiente unter anderem in die Rolle des Clifford Bradshaw, der als Neuling in diese Stadt kommt und von ihrem Zauber genauso fasziniert ist wie von dem "Starlet" Sally Bowles, die von Bettina Mönch verkörpert wird. Szenen aus dem Musical werden wie Versatzstücke in die Revue eingefügt, ohne dass sich daraus eine zusammenhängende Geschichte ergibt. Man scheint in die Welt der 20er Jahre einzutauchen und dabei nur kurze Momentaufnahmen zu erhalten, wie bei einer Art Museumsgang. Dass dabei der berühmte Song "Mein Herr" gespielt wird, macht dabei durchaus Sinn. Eine weitere Szene, die das Ende der Beziehung zwischen Sally und Clifford anbahnt, kann man jedoch nur verstehen, wenn man die Hintergrundgeschichte kennt. Doch Alt zeigt an diesem Abend auch noch ganz andere Seiten. So wirkt er direkt zu Beginn der Oper, wenn er mit der Toccata Nr. 2 von George Antheil an dem überdimensionalen Klavier mit zwei Tänzern, die wie zwei Hände über die riesigen Tasten wirbeln, nahezu diabolisch, während er sich später als Gigolo durchaus frivol präsentiert, wenn er Friedrich Hollaenders Song "Ich mache alles mit den Beinen" oder "Was hast du für Gefühle, Moritz" von Richard Fall zum Besten gibt. Beim berühmten "Am Amazonas" aus Künnekes Glückliche Reise werden Erinnerungen an Max Raabe wach. Bettina Mönch begeistert als Sally Bowles stimmlich und darstellerisch mit einem großartigen "Mein Herr" und weckt bereits Vorfreude auf ihre Darstellung der Partie im Musical in der nächsten Spielzeit. Doch auch bei "Känguruh" aus Paul Abrahams Ball im Savoy macht sie als Starlet eine sehr gute Figur. Falk Bauer fängt mit den Kostümen die Zeit der 20er Jahre wunderbar ein.

Bild zum Vergrößern

Angelika Milster als Diva

Als Grande Dame des Musicals ist Angelika Milster dabei, die in die Rolle der Diva schlüpft. Mit großartiger Mimik spielt sie den abgeklärten Star und fragt ganz frech und selbstbewusst: "Warum soll eine Frau kein Verhältnis haben". Mal flirtet sie mit dem Gigolo und lässt sich umwerben, dann sitzt sie in einem drehbaren Séparée auf der Seite der Bühne und kommentiert mit Blicken das Geschehen. Tom Zahner spielt als Chauffeur den in die Jahre gekommenen Berliner, der versucht, mit der Zeit mitzuhalten und seinen Platz in der sich ständig wandelnden Gesellschaft zu finden. Begleitet werden die einzelnen Songs von frischen Choreographien von Yara Hassan, bei denen Maja Dickmann, Yasmina Hempel und Florentine Kühne als Girls und Louis Dietrich, Nico Hartwig, Lukas Mayer und Samuel Türksoy als Boys eine gute Figur machen. Die vier Herren lassen auch gemeinsam mit dem Conférencier Rob Pelzer mit einzelnen Liedern die Zeit der Comedian Harmonists wieder aufleben.

So wie das Radio damals eine Traumwelt in die heimischen Wohnzimmer geholt hat, hat man für die Produktion auch noch insgesamt vier "Stars" der Musical-Szene engagiert, die alternierend als Crooner eine Vorstellung begleiten. Crooning beschreibt dabei einen mit Einführung des Mikrophons entstandenen Gesangsstil, der sich vor allem durch Intimität und Wärme der Stimme auszeichnet. Am besuchten Abend schlüpft Mark Seibert in diese Rolle und präsentiert sich im weißen Anzug als großer Star einer anderen Welt. Passend dazu gibt es im Foyer auch einen Devotionalienstand, an dem CDs und DVDs von Seibert gekauft werden können, und nach der Veranstaltung findet noch eine Autogrammstunde statt. Das Publikum zeigt sich begeistert und feiert die Revue mit stehenden Ovationen.

FAZIT

Berlin Skandalös bietet einen kurzweiligen Abend mit einem gut aufgelegten Ensemble und einer tollen Musikauswahl, die Lust auf mehr Berlin der 20er Jahre macht. So freut man sich jetzt schon auf Cabaret in der kommenden Spielzeit.

 

Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Christoph JK Müller

Regie
Gil Mehmert

Bühne
Heike Meixner

Kostüme
Falk Bauer

Choreographie
Yara Hassan

Lichtdesign
Michael Grundner

Dramaturgie
Laura Knoll

 

Mitglieder der Dortmunder Philharmoniker

 

Solisten

*rezensierte Aufführung

Starlet
Bettina Mönch

Diva
Angelika Milster

Gigolo
Jörn-Felix Alt

Conférencier
Rob Pelzer

Chauffeur
Tom Zahner

Girls
Maja Dickmann
Yasmina Hempel
Florentine Kühne

Boys
Louis Dietrich
Nico Hartwig
Lukas Mayer
Samuel Türksoy

Crooner
Anton Zetterholm /
David Jakobs /
Alexander Klaws /
*Mark Seibert

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Dortmund
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2021 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -