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Mauern der Angst Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller Für die Spielzeit 2019/2020 hatte die Oper Frankfurt eigentlich einen kleinen dreiteiligen Rossini-Schwerpunkt geplant. Doch die Corona-Pandemie verhinderte den für April 2020 geplanten Abschluss der Reihe. So dauerte es zwei Jahre, bis nun auch Bianca e Falliero Premiere feiern kann. Dieses heute recht unbekannte Melodramma erfreute sich nach der mäßig angenommenen Uraufführung am 26. Dezember 1819 zunächst großer Beliebtheit, da insgesamt 39 Vorstellungen folgten und das Werk auch in den folgenden Jahren an zahlreichen Bühnen in Italien, Spanien und Portugal gespielt wurde. In Rossinis Opernschaffen markiert die Oper in doppelter Hinsicht einen Einschnitt. Zum einen war es die letzte Oper, die Rossini für Mailand komponierte, zum anderen war es das letzte Mal, dass Rossini innerhalb eines Jahres so viele Opern herausbrachte - Bianca e Falliero war seine fünfte Oper, die 1819 zur Uraufführung kam. In den Folgejahren ließ sich der Schwan von Pesaro wesentlich mehr Zeit zum Komponieren. Auch nach der Wiederentdeckung beim Rossini Opera Festival in Pesaro 1986 mit Katia Ricciarelli als Bianca und Marilyn Horne als Falliero konnte sich das Werk nicht auf den Spielplänen etablieren, so dass es nur wenige weitere Aufführungen meistens bei Rossini-Festspielen in Pesaro (2005) und Bad Wildbad (2015) gab. Erwähnenswert ist noch eine Studioaufnahme von Opera Rara. Intendant Bernd Loebe will dem Werk nun etwas mehr Aufmerksamkeit schenken, indem er die Oper nicht nur in Frankfurt auf den Spielplan stellt, sondern sie auch in die diesjährigen Tiroler Sommerfestspiele in Erl integriert. Liebe ohne eine Chance? Bianca (Heather Phillips) und Falliero (Beth Taylor) Die Handlung spielt im Venedig des 17. Jahrhunderts. Die beiden Senatoren Contareno und Capellio befinden sich in einem Erbstreit, für den sich eine Lösung abzeichnet, da Capellio sich in Contarenos Tochter Bianca verliebt hat und bereit ist, auf seine Ansprüche zu verzichten, wenn er Bianca dafür zur Frau erhält. Bianca liebt hingegen den venezianischen General Falliero, der gerade siegreich aus dem Kampf gegen die spanischen Verschwörer zurückgekehrt ist. Contareno bedeutet die Beilegung der Familienfehde mehr als das Glück seiner Tochter oder der Ruhm ihres mittellosen Geliebten, und so verbietet er ihr den Umgang mit Falliero. An ihre Pflichten als Tochter gemahnend will er sie zwingen, Capellio zu heiraten. Als der Vertrag unterschrieben werden soll, platzt Falliero herein und bezichtigt Bianca der Untreue. Die Hochzeit wird verschoben, und es kommt zu einem weiteren heimlichen Treffen zwischen Falliero und Bianca, bei dem Falliero allerdings in die spanische Botschaft fliehen muss und als Verräter festgenommen wird. Als Contareno ihn deshalb zum Tode verurteilen will, tritt Bianca vor Gericht als Zeugin auf, gesteht ihre Mitschuld am Aufenthalt des Geliebten in der spanischen Botschaft und bittet um Gnade. Capellio, der erkennt, dass Biancas Herz ihm niemals gehören wird, stimmt gegen eine Verurteilung und übergibt Falliero dem Senat, um ein Urteil zu fällen. Auch der Senat befindet Falliero für unschuldig und gibt Bianca in seine Obhut. Durch Capellios Fürsprache beugt sich schließlich auch Contareno diesem Urteil und gibt seine Tochter für Falliero frei. Contareno (Theo Lebow, rechts) will seine Tochter Bianca (Heather Phillips) zwingen, Capellio (Kihwan Sim, links) zu heiraten. Das Regie-Team um Tilmann Köhler konzentriert sich auf die vier Hauptakteure des Stückes und den Chor als Volk und streicht beispielsweise die Partie der Amme Costanza, die Bianca und Falliero bei ihrer heimlichen Liebe zur Seite steht. Das Bühnenbild von Karoly Risz ist recht abstrakt gehalten und besteht aus mehreren kahlen halbrunden Wänden, die als eine Art Mauern in zwei Kreisen geführt werden und damit immer wieder neue Räume entstehen lassen, die die Figuren von der Außenwelt isolieren. So versucht sich beispielsweise Bianca während der Ouvertüre von diesen Mauern zu befreien, indem sie eine halbrunde Wand beiseite schiebt. Dabei muss sie jedoch erkennen, dass hinter dieser Wand eine weitere Wand steht und sich die beiseite geschobene Wand hinter ihr wieder schließt. Auf diese Wände werden auch im Verlauf der Oper immer wieder Videosequenzen projiziert, die Bianca in Großaufnahme zeigen. Auch wenn diese Projektionen von Bibi Abel eindrucksvoll gestaltet sind, lässt sich ein tieferer Sinn darin nicht erkennen. So fragt man sich, wieso Bianca beispielsweise eine Perlenkette aus ihrem Mund hervorholt oder einen Revolver isst. Bianca (Heather Phillips) vor dem Gerichtshof (von links: Contareno (Theo Lebow), der Doge (Božidar Smiljanić) und Capellio (Kihwan Sim)) Die Kostüme von Susanne Uhl sind modern und zeitlos gehalten. Nur bei der Gerichtsverhandlung treten Contareno, Capellio und der Doge mit roten Kutten auf. Bianca wirkt in ihrem blassen Kleid zunächst recht farblos, was ihre anfängliche Schwäche unterstreicht, da sie zunächst nicht imstande ist, sich gegen die Forderungen ihres Vaters durchzusetzen. Erst als sie vor Gericht als Zeugin auftritt, trägt sie dunkle Hosen und erscheint wesentlich kämpferischer und selbstbewusster. Nun gelingt es ihr auch, das Blatt zu wenden. Sie legt ihrem Vater am Ende die Kette an, an der er sie zeit ihres Lebens geführt hat und verbindet ihn mit Falliero. Gemeinsam mit Capellio im Hintergrund posieren die drei Männer für die neu gewonnene Einigkeit, während der Chor jubelt und die Wände sich vor dieser Szene schließen. Jetzt betrachtet Bianca diese Mauern allerdings nicht mehr als Bedrohung, sondern fühlt sich befreit und wirkt froh, sich von dieser Gesellschaft isolieren zu können. Denn auch Falliero wird von Köhler nicht so positiv gesehen, wie die Liebesgeschichte vermuten lässt. Schließlich versucht er, Biancas Liebe ähnlich zu instrumentalisieren wie ihr Vater, und verfolgt eigentlich genau wie Contareno nur seine eigenen Ziele. Falliero (Beth Taylor, Mitte) vereitelt die Hochzeit zwischen Capellio (Kihwan Sim, rechts) und Bianca (Heather Phillips). Contareno (Theo Lebow, links) schäumt vor Wut. Musikalisch hat die Oper einiges zu bieten, was durchaus rechtfertigen würde, das Stück häufiger auf den Spielplan zu stellen. Die beiden Titelpartien sind mit Heather Phillips als Bianca und Beth Taylor als Falliero hochkarätig besetzt. Phillips, die in Frankfurt ihr Europa-Debüt gibt, stattet die Partie mit großer Dramatik und sauberen Koloraturen aus. Während sie in ihrer ersten Kavatine, wenn sie sehnsüchtig auf die Rückkehr Fallieros wartet, noch wie ein naives kleines Mädchen wirkt, was Phillips stimmlich und optisch glaubhaft zum Ausdruck bringt, zeigt sie darstellerisch überzeugend die Entwicklung zur kämpferischen Frau, die ihren Geliebten Falliero vor der Verurteilung rettet. Im finalen Rondo "Deh respirar lasciatemi" dreht sie mit beweglichen Läufen noch einmal so richtig auf, wenn sie ihr Glück darüber besingt, dass ihr Vater nun einer Hochzeit mit Falliero nicht mehr im Wege stehen wird und Capellio bereit ist, auf sie zu verzichten. Dass diese Melodie so bekannt ist, liegt daran, dass Rossini sie auch für Elenas Rondo "Tanti affetti in tal momento" in La donna del lago verwendet hat. Taylor, die dem Frankfurter Publikum noch als Dardano in Händels Amadigi im Bockenheimer Depot in bester Erinnerung sein dürfte, begeistert mit einer voluminösen Mittellage und großartigen dramatischen Ausbrüchen mit atemberaubender Flexibilität in den Koloraturen. In der Auftrittskavatine zeichnet Taylor mit beweglichen Läufen den siegreichen Feldherrn als selbstbewussten jungen Mann und vollzieht einen glaubhaften Wandel zum gefallenen Helden, wenn er die geliebte Bianca verloren glaubt. Eindrucksvoll gestaltet Taylor die große Arie im zweiten Akt, in der Falliero sich selbst aufgegeben hat, mit flexiblen und atemberaubend schnellen und sauber angesetzten Koloraturen. Im Duett mit Phillips harmoniert Taylor stimmlich und darstellerisch. Theo Lebow gestaltet die Partie des recht unsympathischen Contareno mit leicht schneidendem Tenor, was der Rolle durchaus gerecht wird. In den extremen Höhen klingt Lebow allerdings ein wenig angestrengt. Kihwan Sim hat als Capellio zwar keine eigene Arie, stattet die Partie aber mit einem profunden Bass aus. Weitere musikalische Höhepunkte stellen die beiden Quartette im ersten und zweiten Akt dar. Auch der von Tilmann Michael einstudierte Opernchor lässt stimmlich keine Wünsche offen. Das Frankfurter Opern- und Museumsorchester zaubert unter der Leitung von Giuliano Carella einen prickelnden Rossini-Sound aus dem Orchestergraben, so dass es für alle Beteiligten großen Beifall gibt. FAZIT Musikalisch stellt die Oper Frankfurt unter Beweis, dass Rossinis Bianca e Falliero ruhig öfters auf den Spielplan gestellt werden könnte.
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Produktionsteam
Musikalische Leitung Inszenierung Bühnenbild Kostüme
Licht
Video
Chor Dramaturgie
Frankfurter Opern- und Chor der Oper Frankfurt Solisten*Premierenbesetzung
Bianca
Falliero
Contareno
Capellio
Doge von Venedig
Ein Kanzler / Ein Offizier / Ein Gerichtsdiener
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