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Finde Deinen Gral!
Von Stefan Schmöe
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Fotos von Björn Hickmann (© Theater Hagen)
Ausgesprochen respektlos schickte die englische Komiker-Truppe Monty Python im Jahr 1975 den legendären König Artus auf die filmische Reise, um zunächst die nicht minder legendäre Tafelrunde aus edlen Rittern zu begründen und dann in der Suche nach dem heiligen Gral seine Bestimmung zu finden. Weil den Helden die Pferde fehlen, wird deren Hufschlag ständig imitiert, indem von Artus` Knappen Patsy zwei Kokosnusshälften gegeneinander geschlagen werden - das gab der ohnehin nicht allzu sensibel synchronisierten deutschen Filmfassung den albernen Titel Die Ritter der Kokosnuss. Finsteres Mittelalter
Rund 40 Jahre später plünderten Python-Mitglied Eric Idle und Komponist John du Prez das Drehbuch und kreierten auf dieser Basis das Musical Spamalot. Der Titel persifliert Camelot, den Namen des mythischen Hofes von König Artus, indem er ihn mit dem Wort Spam verbindet - ursprünglich ein Kunstwort (eine Kurzform von "spiced ham") aus einem Sketch aus der Serie Monty Python's Flying Circus, das erst später als Begriff für Massenmails Eingang in die Sprache fand. Die Devise ist klar: Höherer Blödsinn ohne jeglichen Respekt vor Heldensagen. Und der berühmteste aller Monty-Python-Songs, nämlich Always Look On The Bright Side Of Life aus dem Film Das Leben des Brian, darf auch nicht fehlen, denn den fordern die Python-Fans sowieso. König Artus schlägt Sir Galahad zum Ritter; Knappe Patsy schaut zu
Nun sind König Artus, der schwarze Ritter (der nach Verlust beider Arme und Beine seinem Gegner ein "unentschieden" anbietet), der nicht ganz so tapfere Sir Robin, das Killer-Kaninchen und die heilige Handgranate von Antiochia nach Hagen gekommen. Ein bisschen schade, dass Regisseur Roland Hüve und Ausstatterin Lena Brexendorff aus den Figuren von vornherein Knallchargen in absurden Kostümen machen, das wäre gar nicht nötig gewesen: Ohnehin bewegt sich Spamalot ständig am Rand des völligen Blödsinns, da hätte man wenigstens vordergründig ein wenig Historientheater vortäuschen können. Aber sei`s drum, das Stück funktioniert und ist wirklich ziemlich lustig. Das kleine Ensemble muss in wechselnde Rollen schlüpfen, und das noch kleinere Tanzensemble mit nur sechs Personen für bühnenfüllende Unterhaltung sorgen - in der Choreographie von Eric Rentmeister gelingt auch das ganz ordentlich. Großen Ausstattungsprunk kann sich das finanziell gebeutelte Theater Hagen nicht leisten, das ahnt man auch, aber darüber wird fröhlich hinweggespielt. Die Vision vom heiligen Gral; es staunen (von links): Patsy, Sir Robin, Sir Galahad und König Artus
An der Spitze des Ensembles steht in der Rolle des König Artus einer, der es wissen muss, denn er ist schon vielen Gralsrittern gefolgt (den Wagner'schen nämlich, also Lohengrin und Parsifal): Rainer Zaun, ehemaliges Ensemblemitglied mit Bayreuth-Erfahrung. Zaun ist kein typischer Musical-Darsteller, und so wirkt der König immer ein bisschen altväterlich, und genau das passt ganz gut: Wenn um ihn herum alle steppen oder tanzen, bleibt er der unverdrossen stoische Anti-Held. Seine Partnerin kommt im Film gar nicht vor, die wurde extra für das Musical hinzuerfunden: Die "Fee aus dem See", die ihm, so lernt man, einst das Schwert Excalibur reichte. Der Film nimmt sich immer wieder selbst auf die Schippe, da ist z.B. immer wieder von dem "Typen aus Szene 24" die Rede und es gibt absurde Sprünge in die Gegenwart - das hat Idle kongenial auf das Genre Musical übertragen. Weil die Fee keine inhaltliche Funktion hat, singt sie eben Songs, "die an dieser Stelle vorkommen". Carolin Soyka macht das mit großer Stimme und mitreißender Präsenz. Die Fee aus dem See
Mit Matthias Knaab, John Wesley Zielmann, Alexander von Hugo, Florian Soyka und Maurice Daniel Ernst als musicalversierte Gäste und Richard van Gemert aus dem hauseigenen Opernensemble mit viel Sinn für Komik ergänzen ein glänzend aufgelegtes Ensemble, die im Grunde einen Sketch nach dem anderen durchspielen (so ist das Stück aufgebaut) - es wird viel gelacht, denn die Pointendichte ist hoch und das Regieteam hat Sinn für das richtige Timing. Und auch die Songs sorgen für gute Stimmung, wobei Text und Musik gerne auch die Machart eines Musicals persiflieren. Die revuehaften Elemente sind verhältnismäßig sparsam eingesetzt; Hüve setzt da durchaus auf die durchlaufende Geschichte. In dieser Nachmittagsvorstellung steht Korrepetitor Taepyeong Kwak am Pult des stilsicher aufspielenden Philharmonischen Orchester Hagen. Und nicht erst bei der Zugabe, sondern auch im Stück singt und pfeift das Publikum den Refrain von Always Look On The Bright Side Of Life fröhlich mit.
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Produktionsteam* in der rezensierten Aufführung
Musikalische Leitung
Inszenierung
Choreographie
Bühne und Kostüme
Licht
Dramaturgie
Solisten* Besetzung der rezensierten Aufführung
König Artus
Sir Robin / Wache 1/ Bruder Maynard
Sir Lancelot / Französischer Spötter /
Patsy / Wache 2
Sir Galahad / Dennis /
Sir Bedevere / Sir Galahads Mutter /
Die Fee aus dem See
Historiker / Der Noch-Nicht-Tote-Fred /
Ensemble
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