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Die Vögel

Ein lyrisch-phantastisches Spiel in zwei Aufzügen
Dichtung von Walter Braunfels nach dem Schauspiel Die Vögel von Aristophanes
Musik von Walter Braunfels


in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 1) am 5. Dezember 2021


Logo: Oper Köln

Oper Köln
(Homepage)

Die Stunde des Demagogen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire

Die Uraufführung der Vögel 1920 in München war ein spektakulärer Erfolg. Komponist Walter Braunfels avancierte neben dem längst etablierten Richard Strauss und Wunderkind Erich Wolfgang Korngold zum Star, wurde 1925 zu einem der Gründungsdirektoren der Kölner Musikhochschule berufen. 1933 verboten die Nazis seiner jüdischen Abstammung wegen Aufführungen seiner Musik, und Braunfels zog sich von allen Ämtern zurück (nach dem Krieg wurde er von Oberbürgermeister Konrad Adenauer wieder eingesetzt). Da hatte er bereits an Popularität eingebüßt; in der zweiten Hälfte der 1920er-Jahre ließ das Interesse an der spätromantischen Tonsprache Braunfels' nach - Stücke wie Weills Mahagonny und Bergs Wozzeck lagen da in der Wahrnehmung vorne. Nach 1945 war Braunfels erst recht ein Unzeitgemäßer, die Verbindung von Tonalität und Katholizismus war nicht mehr gefragt. Erst in den 1990er-Jahren gab es eine kleine Renaissance, da wurden die Vögel auch in Köln wiederentdeckt (unsere Rezension). Vor ein paar Jahren hat die Kölner Oper auch die Szenen aus dem Leben der heiligen Johanna auf den Spielplan gesetzt, jetzt folgt diese Neuinszenierung der Vögel - der im Januar 2022 rheinaufwärts in Strasbourg die französische Erstaufführung folgen wird.

Szenenfoto

Machtloser Vogelkönig Wiedehopf

Als Grundlage des selbst verfassten Librettos diente Braunfels die gleichnamige Komödie von Aristophanes, 414 v. Chr. uraufgeführt. Zwei Männer, die in der Oper Hoffegut und Ratefreund heißen, betreten das Reich der Vögel. Hoffegut erfährt in der Begegnung mit der Nachtigall eine Art Initiationserlebnis und erkennt in der Natur die absolute Schönheit; Ratefreund stachelt die Vögel zum Krieg gegen Zeus an, der aber im kurzen Gewittersturm hoffnungslos verloren geht. Braunfels arbeitete von 1913 bis 1919 an der Oper, wurde während dieser Zeit als Soldat einberufen und an der Front verletzt. In diese Zeit fällt auch die Hinwendung des Protestanten Braunfels zum Katholizismus, und in der Warnung des Prometheus (der einst selbst vergeblich gegen die Götter rebellieren wollte) vor dem göttlichen Strafgericht mag man dies heraushören - da erscheint der griechische Göttervater mehr wie der alttestamentarische christliche Gott.

Szenenfoto

Das reinrassige Ei dient Ratefreund als Keimzelle eines faschistoiden Vogelstaats

Regisseurin Nadja Loschky nimmt eben diese autobiographischen Kriegserfahrungen des Komponisten zum Ausgangspunkt ihrer Inszenierung. Noch bevor der erste Ton erklingt, sieht man zwei Soldaten in einer vegetationslosen Landschaft aus Bombentrichtern. Offenbar geraten die beiden in einen Hinterhalt, werden angeschossen. Die Oper selbst lässt sich dann deuten als die letzten Visionen des sterbenden Soldaten Hoffegut, andererseits als apokalyptische Vision des aufkommenden Faschismus. Kostümbildnerin Irina Spreckelmeyer zeichnet die Vögel halb als Tiere, halb als Kriegsteilnehmer: Offiziere, Verletzte, Krankenschwestern und Ärzte. Die Masken mit Schnabel könnten auch Gasmasken sein. Die Nachtigall erscheint zunächst als trauernde Witwe, wird dann in der zentralen Szene mit Hoffegut mehrfach geklont - es ist nicht die individuell-erotische Begegnung mit einer Frau, sondern mit dem Prinzip Natur, das ihn am Ende sagen lässt: "es lebt, wenn ich es auch nicht fasse".

Szenenfoto

Nachtigallen - aber nur die hier stehende kann auch singen

Die Inszenierung unterstreicht die satirischen Elemente der Oper, ja noch mehr: Sie verstärkt diese noch. Der machthungrige Populist Hoffegut, immer begleitet von zwei trotteligen Gehilfen, propagiert das "reinrassige Ei" und kurbelt als Arzt eine fabrikmäßige Eierproduktion an. Auch da, wo Braunfels mit bestenfalls leiser Ironie die erste Hochzeit in der neu erbauten Festungsstadt feiert, greift die Regie zynisch ein und deutet die Szene um in eine Wahnvorstellung des unangepassten Zaunschlüpfers (großartig kess, auch stimmlich: Anna Malesza Kutny aus dem Opernstudio), dem umgehend ein Beruhigungsmittel zwangsverabreicht wird. Und das strafende Gewitter bedeutet beileibe nicht das Ende der Vogelwelt: Stattdessen schlüpft aus einem riesigen Ei der neue Anführer, dem man bereitwillig folgt. Da gibt es so manches, das sich aus Libretto oder Musik nicht zwingend herauslesen lässt, und dadurch wirkt die Regie ziemlich angestrengt und bemüht. Vergleichsweise kurz kommt das Naturerlebnis des Hoffegut, szenisch durch stark vergrößerte Blumen begleitet. Wobei Ana Durlovski als Nachtigall mit bestechender Präsenz in den Koloraturen singt, das Timbre der Stimme aber reichlich kühl bleibt - diese Nachtigall ist in Wahrheit ein Eisvogel.

Szenenfoto

Kriegsgezeichnete Vögel

Der warnende Prometheus (Samuel Youn mit großformatigem, klar fokussiertem Bass) ist eine Verdopplung des geläuterten Hoffegut, den Heldentenor Burkhard Fritz sehr eindrucksvoll, dabei nicht zu schwer und mit schöner Höhe anlegt (allerdings auch ein paar Schrecksekunden hat, in denen die Stimme versagt). Bassist Joshua Bloom gibt einen weitgehend imposanten Demagogen Ratefreund, dem bei den wenigen "heldischen" Passagen noch die Kraft fehlt. Wolfgang Stefan Schwaiger ist als kriegsversehrter Vogelkönig Wiedehopf stimmlich recht schlank. Großartig singt der Chor der Kölner Oper und spielt dazu ausgesprochen agil. Und am Pult des ausgezeichneten Gürzenich-Orchesters nimmt Gabriel Feltz die Lautstärke oft sehr zurück und legt den Schwerpunkt auf kammermusikalische Transparenz und Detailzeichnung. Feltz hat in Köln auch Korngolds Tote Stadt dirigiert (die nur ein paar Tage nach den Vögeln zur Uraufführung kam, die zweite Uraufführung mit überwältigendem Erfolg in diesen Jahren), und da hatte Feltz auf klangliche Opulenz und Überwältigung gesetzt. Interessant, wie er dagegen bei Braunfels das Zarte und Filigrane betont, wobei es im Gewitter auch schön dramatisch krachen kann.


FAZIT

Musikalisch eine fesselnde, unbedingt hörenswerte Produktion. Über die Regie von Nadja Loschky lässt sich streiten; der gefährlichen Naivität der Oper ist sie aus dem Weg gegangen, aber restlos überzeugend ist die angestrengte Weltkriegsmetaphorik auch nicht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Gabriel Feltz

Inszenierung
Nadja Loschky

Co-Regie
Wolfgang Nägele

Bühne
Ulrich Leitner

Kostüme
Irina Spreckelmeyer

Licht
Nicol Hungsberg

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Yvonne Gebauer
Georg Kehren


Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der Premiere

Hoffegut, Bürger einer großen Stadt
*Burkhard Fritz /
Young Woo Kim

Ratefreund, Bürger einer großen Stadt
Joshua Bloom

Prometheus
*Samuel Youn /
Bjarni Thor Kristinsson

Wiedehopf, einstens ein Mensch,
nun König der Vögel
*Wolfgang Stefan Schwaiger /
Insik Choi

Nachtigall
*Ana Durlovski /
Gloria Rehm

Zaunschlüpfer
Anna Malesza-Kutny

1. Drossel
Lotte Verstaen

2. Drossel
Mariola Mainka /
Mine Yücel

1. Schwalbe
*Katharina Fainshtein /
Yoshiko Kaneko Schüler

2. Schwalbe
*Lisa Katharina Zimmermann /
Constanze Rottler

3. Schwalbe
*Franka Wagner /
Kristi Anna Isene

1. Meise
*Cordula Hack /
Ji-Hyun Lee

2. Meise
*Eva Budde /
Elena Maier

1. Wendehals
*Artjom Korotkov /
George Ziwziwadze

2. Wendehals
*Andrew Penning /
Manuel Marin

3. Wendehals
*Michail Kapadoukakis /
Zenon Iwan

4. Wendehals
*Heiko Köpke /
Lasha Ziwziwadze

1. Kiebitz
*Kevin Moreno /
Anthony Sandle

2. Kiebitz
*Christoph Westerkamp /
Anthony Sandle

Adler & Stimme des Zeus
Lucas Singer

Rabe
Sung Jun Cho

Flamingo
*SeungJick Kim /
Dustin Drosdziok



Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



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