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Mese Mariano

Oper in einem Akt
Libretto von Salvatore di Giacomo nach dem Drama O Mese Mariano aus dem Roman Senza vederlo
Musik von Umberto Giordano

Suor Angelica

Oper in einem Akt
Libretto von Giovacchino Forzano
Musik von Giacomo Puccini

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen, deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (eine Pause)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 26. Januar 2022

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Zweimal Oper im Kloster

Von Thomas Molke / Fotos: © Opéra Royale de Wallonie-Liège / Jonathan Berger

Als Giacomo Puccini unter dem Titel Il trittico drei Operneinakter kombinierte, die mit Blick auf die jeweils erzählte Geschichte sehr verschieden sind, war es für Puccini zunächst trotzdem ein zusammengehörendes Stück. Lange Zeit wehrte er sich dagegen, dass die einzelnen Teile allein aufgeführt oder mit anderen Kurzopern kombiniert wurden. Bei der großen Beliebtheit des dritten Stücks, Gianni Schicchi, ließ es sich aber nicht vermeiden, dass Gianni Schicchi bald ein Eigenleben führte und losgelöst von Il tabarro und Suor Angelica den Sprung ins Repertoire schaffte. Nun hat die Opéra Royal de Wallonie in Liège einen Operndoppelabend auf den Spielplan gestellt, bei dem Puccinis Suor Angelica mit einem Stück kombiniert wird, das acht Jahre vor Il trittico seine Uraufführung in Palermo erlebte und theoretisch als Inspirationsquelle für Puccinis "Kloster"-Oper gedient haben könnte: Mese Mariano von Umberto Giordano, der heute vor allem noch mit Andrea Chénier auf den Spielplänen der Opernhäuser vertreten ist. Beide Opern spielen im Kloster und handeln vom Verlust eines unehelichen Kindes.

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Serena Farnocchia als Suor Angelica

In Mese Mariano hat Carmela einst ihren Sohn in ein Waisenhaus zu den Nonnen gegeben, nachdem der Kindsvater sie verlassen hatte und ihr neuer Mann nicht bereit war, das Kind eines anderen großzuziehen. In Suor Angelica ist es Angelica selbst, die von ihrer Familie in ein Kloster abgeschoben worden ist, nachdem sie aus einer vorehelichen Beziehung ein Kind zur Welt gebracht hatte. Beide Frauen sehnen sich nach dem Kind und werden von großen Schuldgefühlen geplagt. Während Carmela mit einem Kuchen ins Kloster kommt, um ihren Sohn zu besuchen, sehnt sich Angelica mehrere Jahre nach einem Lebenszeichen ihrer Familie und ihres Kindes. In beiden Fällen ist das Kind bereits gestorben. Während aber in Mese Mariano die Madre Superiora es nicht übers Herz bringt, Carmela von dem Tod ihres Sohns zu erzählen und stattdessen eine Notlüge erfindet, nutzt Angelicas gefühlskalte Tante den Tod des unehelichen Kindes, damit Angelica ihren Erbanspruch zugunsten ihrer jüngeren Schwester aufgibt. Carmela verlässt das Waisenhaus unter Tränen, weil sie ihren Sohn nicht sehen konnte, tröstet sich aber damit, dass ihr Sohn bei der Probe zu den Feierlichkeiten für den Marienmonat unabkömmlich ist und eine wichtige Rolle spielt. Angelica sieht einzig und allein die Lösung im Freitod und hofft darauf, ihr Kind in einer anderen Welt wiedersehen zu können.

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La Madre Superiora (Violeta Urmana, rechts) verschweigt Carmela (Serena Farnocchia, links), dass ihr Sohn gestorben ist (im Hintergrund: Suor Pazienza (Sarah Laulan)):

Während Puccinis Oper nur mit Frauen besetzt ist und es bei Giordano mit Don Fabiano nur eine kleine männliche Nebenrolle gibt, ist auch die musikalische Leitung und die Inszenierung mit Ausnahme der Beleuchtung in Frauenhand. Das Regie-Team um Lara Sansone wählt einen sehr klassischen Ansatz und verortet die beiden Stücke in der Zeit, in der sie spielen. Francesca Mercurio hat einen naturalistischen Raum entworfen, der den Hof eines Waisenhauses mit Kapelle zeigt. Im Hintergrund sieht man einen Prospekt mit kleinen italienischen Häusern, die an einem Hang liegen. Die Kostüme von Teresa Acone unterstreichen das neapolitanische Flair. Mit großer Begeisterung empfangen hier die einfach gekleideten Waisenkinder die vornehme Contessa, die am Ostersonntag zahlreiche Geschenke bringt. Auch Carmela erscheint gut situiert, was ihr schlechtes Gewissen unterstreicht, wenn sie auf der Suche nach ihrem Kind ist. Musikalisch beginnt die knapp 40-minütige Oper relativ einfach und beschreibt die Atmosphäre des Waisenhauses äußerst trefflich. Dramatik wird erst in der Erzählung Carmelas aufgebaut, wenn sie ihrer Jugendfreundin, die sich mittlerweile Suor Pazienza nennt, von ihren Schuldgefühlen berichtet. Serena Farnocchia begeistert in der großen Erzählung mit dramatischem Sopran und sauber angesetzten Spitzentönen. Sarah Laulan gibt mit samtweichem Mezzo als Suor Pazienza eine gute Zuhörerin. Violeta Urmana zeichnet die Madre Superiora mit kräftiger Mittellage als starke Frau, die schwer mit der Entscheidung zu kämpfen hat, Carmela den Tod ihres Kindes zu verheimlichen. Hier begeistert Urmana mit ausdrucksstarker Mimik. Oksana Lyniv lotet mit dem Orchester der Opéra Royal de Wallonie-Liège die unterschiedlichen Stimmungen der Musik differenziert und feingliedrig aus. Dennoch verwundert es nicht, dass dieses Werk nahezu nie auf der Bühne zu erleben ist, weil die Dramaturgie des Stückes relativ schwach bleibt.

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Erlösung im Jenseits? Suor Angelica (Serena Farnocchia, vorne) mit ihrem Kind und Maria

Anders verhält es sich bei Puccinis Suor Angelica. Puccini haucht seinen Figuren weit mehr Leben ein, als das bei Giordano der Fall ist. Zwar wirken die anfänglichen Gespräche der Nonnen wie belangloses Geplänkel, zeichnen aber einen durchaus vorstellbaren Alltag im Kloster. Mercurio hat hier einen klassischen Klosterinnenhof entworfen, der vom Publikum zunächst durch einen Säulengang getrennt ist. Dieser Säulengang verschwindet zunächst im Schnürboden und wird erst wieder für das Zwiegespräch zwischen Angelica und ihrer Tante herabgelassen, um eine räumliche Trennung von den Nonnen zu erzeugen und zu unterstreichen, dass Angelica in dieser Welt ganz allein ist. Die Tante wirkt in ihrem Kostüm wie eine böse Stiefmutter aus einem Märchenfilm von Walt Disney, während die Nonnen sich in ihrer Kluft deutlich von den Ordensschwestern in der ersten Oper unterscheiden. Angelica ist ganz in Weiß gekleidet, was vielleicht ihr reines Gemüt unterstreichen soll. Wenn sie sich am Ende vergiftet, legt sie ihre weiße Kutte ab und löst sich gewissermaßen aus dem Orden. Dass die Mutter Maria in Angelicas Todesstunde dann wie ein gleißender Engel aus der Kapelle tritt, wenn die Stimmen vom Himmel Angelicas Erlösung verkünden, mag vielleicht ein bisschen dick aufgetragen sein. Das Kind, das im weißen Gewand mit Maria aus der Kapelle heraustritt, soll wahrscheinlich Angelicas toter Sohn sein, der in der anderen Welt seiner Mutter die Hand reicht. Ob sie sie aber wirklich ergreifen kann, bleibt offen. Angelica bricht vorher zusammen.

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Angelica (Serena Farnocchia, rechts) möchte von ihrer Tante (Violeta Urmana, links) Neuigkeiten über ihr Kind erfahren.

Auch als Angelica begeistert Serena Farnocchia mit vollem, dramatischem Sopran und großer Wärme in der Stimme, wenn sie beispielsweise die Kräuter bereitstellt, um der verletzten Schwester Linderung zu verschaffen. Bewegend arbeitet Farnocchia auch die Gefühlsschwankungen der Titelfigur heraus. Ihren Mitschwestern gegenüber zeigt sie sich als bescheiden und wunschlos, obwohl alle wissen, wie sehr sie sich nach einem Lebenszeichen ihrer Familie und vor allem ihres Kindes sehnt. Als dann ihre Tante als Besucherin angekündigt wird, kann sie sich in freudiger Erwartung kaum noch zurückhalten. Umso gebrochener ist sie nach dem Gespräch, als sie erfahren hat, dass ihr Sohn gestorben ist. Violeta Urmana gibt die herzlose Tante mit dunkel gefärbtem Mezzosopran und eiskalter Mimik. Wenn sie der gebrochenen Angelica die Erklärung überreichen lässt, mit der Angelica auf ihren Erbteil verzichtet, zeigt sie gar keine Gefühlsregung und nicht die geringste Empathie für ihre Nichte. Das Gespräch zwischen Urmana und Farnocchia kann als ein musikalischer Höhepunkt des Stückes betrachtet werden. Wenn Angelica dann nach dem Besuch ihrer Tante beschließt, aus dem Leben zu scheiden, mag man sich bei der musikalischen Steigerung vielleicht wundern, dass Suor Angelica nur relativ selten auf dem Spielplan steht. Farnocchia gestaltet den Todeskampf Angelicas eindrucksvoll und lässt bewusst an einer Stelle ihre Stimme brechen, um das Ende der Titelfigur noch realistischer zu gestalten. Wenn sie dann schon in eine andere Welt übergegangen ist, klingen ihre Höhen wieder engelsgleich. Auch die übrigen Partien und der Chor sind gut besetzt. Lyniv arbeitet mit dem Orchester auch im zweiten Teil des Abends Puccinis Klangfarben detailliert heraus.

FAZIT

Wenn man Suor Angelica aus Puccinis Il trittico herauslöst, um die Oper mit nur einem weiteren Werk zu kombinieren, ist Giordanos Mese Mariano ein passendes Stück für die Kombination, auch wenn es allein betrachtet eher blass ist.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Oksana Lyniv

Inszenierung
Lara Sansone

Bühnenbild
Francesca Mercurio

Kostüme
Teresa Acone

Licht
Luigi della Monica

Chorleitung
Denis Segond

 

Orchester und Chor
der Opéra Royal de Wallonie-Liège


Solisten

Mese Mariano

Carmela
Serena Farnocchia

Madre Superiora
Violeta Urmana

Suor Pazienza
Sarah Laulan

La Contessa
Aurore Bureau

Suor Cristina
Julie Bailly

Suor Celeste
Morgane Heyse

Suor Maria
Natacha Kowalski

Don Fabiano
Patrick Delcour

Suor Agnese
Réjane Soldano

Valentina
Irina Balte-Les
Chloé Lengelé

Suor Angelica

Suor Angelica
Serena Farnocchia

La Zia Principessa
Violeta Urmana

La Badessa
Julie Bailly

La Suora Zelatrice
Sarah Laulan

La Maestra delle Novizie
Aurore Bureau

Le Cercatrici
Natacha Kowalski
Julie Bailly

Suor Genovieffa
Morgane Heyse

Suor Osmina
Emma Watkinson

Suor Dolcina
Réjane Soldano

La Suora Infirmiera
Beatrix Papp

Una Novizia
Alexia Saffery

Le Converse
Myriam Hautregard
Emma Watkinson

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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