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Wie schön wäre Wien ohne Wiener
Von Stefan Schmöe
Nein, unmusikalisch ist Patrick Hahn ganz sicher nicht. Auch wenn er damit im Titel seines Programms damit kokettiert. Mit nicht ganz 27 Jahren der jüngste Generalmusikdirektor landauf, landab mach der Grazer, der seit einem Jahr Chefdirigent des Sinfonieorchesters Wuppertal und der Wuppertaler Oper ist, Furore; hat dort zuletzt Tannhäuser und einen Doppelabend mit dem Vorspiel aus Ariadne auf Naxos und Herzog Blaubarts Burg geleitet und gerade eine Freischütz-Produktion mit dem Concertgebouw-Orchestra in Amsterdam übernommen. Und zwischendurch bleibt noch Zeit für Solo-Abende mit Liedern von Georg Kreisler, in Wien und eben in "seinem" Opernhaus in Wuppertal. Patrick Hahn (Foto © Gerhard Donauer / C&G pictures)Hahn beginnt im Dunklen, kein großer Auftritt, wie der durchaus selbstbewusste junge Mann die Moderation auch eher knapp hält und sich dabei an Kreislers eigene, gut dokumentierte Erläuterungen zu den Songs hält. Der österreichische Dialekt ist für's rheinisch-westfälische Publikum zurückgenommen. Kreislers Pointen, Fans kennen sie natürlich, zünden, sind nur an wenigen Stellen der aktuellen Situation angepasst. Singen kann er sowieso besser als Kreisler, das ist keine Kunst und darauf kommt es nicht an; er imitiert auch nicht dessen Tonfall und Aussprache, sondern bleibt nonchalant sein eigener Herr. Die Textverständlichkeit könnte mitunter besser sein (nicht bei den virtuos dahingefetzten Wortkaskaden a la Rossini, die bewältigt er mit Bravour), denn Kreisler war eben auch ein Sprachkünstler. Im Zentrum stehen natürlich Lieder über Musik wie der Opernboogie ("Und dann kommt die Pause, manche gehen nach Hause, manche trinken Brause, das ist der Zweck der Pause"), dem Hahn ein Pendant aus eigener Feder zur Seite stellt, das amüsant Rollenstereotypen wie den Koloratursopran (sehr hübsch im Falsett imitiert) oder den schmachtenden Tenor parodiert. Natürlich fehlt der Musikkritiker nicht ("Es gehört zu meinen Pflichten, Schönes zu vernichten als Musik-Krrritikerrrr"), und auch nicht das Triangel ("Und da sitz ich mitten im Orchester drin…"). Für Kreislers schwarzen Humor steht das Tauben vergiften im Park, und bösartig-walzerselig wird beschworen: Wie schön wäre Wien ohne Wiener. Auf die Spitze getrieben wird das Sentiment im Dreivierteltakt wohl nur durch das Mädchen mit den drei Blauen Augen. Spätestens bei der Zugabe, dem Lied von der imaginären Barbara wird deutlich, dass mitunter eine gehörige Portion Melancholie hinter dem makabren Scherz steht. Ein munteres zweistündiges Best-of-Kreisler also, das auch die politischen Nummern streift (u.a. Was ist der Mensch wert, bei dem man naturgemäß die eine oder andere Nummer vermisst. Angesichts des bubenhaften Erscheinens von Hahn läge das Mütterlein nahe, und in seiner Wahlheimat Wuppertal hätte eigentlich die Hymne auf das nahe Gelsenkirchen, immerhin eine Zeit lang mit den Wuppertaler Bühnen in einer unglücklichen Theaterehe verbunden, nicht fehlen dürfen, auch wenn der Text hier tatsächlich in die Jahre gekommen ist ("Herrliche Stadt der großdeutschen Kohlenbergwerkindustrie). Oder alternativ aus der österreichischen Heimat Hahns das unvergängliche Alpenglüh'n. Aber das ist ja schon Granteln nach Wiener Art, das freilich zeigt, wie gut Hahn das Publikum unterhält. Und wie zeitlos sich Kreisler in vielen Nummern gehalten hat. Indes fragt sich so mancher beklommen, wie lange man das hochbegabte Multitalent Patrick Hahn wohl an der Wupper halten.
Auch das kann Patrick Hahn - in sehr vergnüglicher, kreislertypisch böser Abend. Ihre Meinung ? Schreiben Sie uns einen Leserbrief |
Lieder von Georg Kreisler Patrick Hahn, Gesang und Klavier
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