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Un ballo in maschera (Ein Maskenball)

Melodramma in drei Akten
Libretto von Antonia Somma nach dem Drama Gustave III. von Eugène Scribe
Musik von Giuseppe Verdi


in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Koproduktion mit der Welsh National Opera
Premiere im Opernhaus Bonn am 11. Dezember 2022


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Theater Bonn
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Der Tod ist ein Gaukler

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thilo Beu

Es ist ein Maskenball der rabenschwarzen Art: Alle Gäste tragen das Kostüm des Todes, lange Gewänder mit aufgemalten Skeletten. So allgegenwärtig war der Tod nie, vor allem dem Grafen Riccardo nicht, der Opfer eines Mordanschlags werden soll. Der freilich als einziger unkostümiert ist, ein Adeliger der Barockzeit, immer mit einem ziemlich heutigen Taschen- oder Notizbuch unterwegs. Aber der tödliche Stich trifft gar nicht ihn, und plötzlich sinken alle anderen leblos zu Boden. Vielleicht ist er selbst der Tod; zu Beginn war er einem Sarg entstiegen, und am Ende legt er sich wieder zurück. Der Page Oscar und die Wahrsagerin Ulrica sind seine Entourage. Regisseur David Pountney wirbelt in seiner Inszenierung, die schon an der Welsh National Opera zu sehen war, die Geschichte ziemlich durcheinander und ändert doch nichts. Aber er dehnt den Maskenball, der dem Stück den Namen gibt, auf die gesamte Oper aus - und er demaskiert sich respektive sein Konzept nie vollständig. Die Regie selbst ist eine Art Spiel mit Maske, bei dem nie ganz klar wird, was man eigentlich vor sich hat.

Vergrößerung in neuem Fenster Großer Auftritt für Wahrsagerin Ulrica mit Todesprophezeiung

Der schwedische König Gustav III. wurde 1792 während eines Maskenballs im Stockholmer Theater ermordet; darauf basiert der Plot der Oper (die Zensur forderte, die Story ins ferne Amerika zu verlegen). Bei Pountney ist nicht nur alles ein Maskenball, es ist auch alles Theater. Die verschiebbaren Bühnenelemente kann man wegen der angedeuteten Fensterhöhlen als Stadtkulisse verstehen, beim näheren Hinsehen sind es Theaterlogen (Bühne: Raimund Bauer). Manchmal sieht man Totenköpfe darin. Pountney bewegt sich auf einer ironisch verspielten Ebene, die nichts ernst nimmt und der doch alles todernst ist. Über das Nebeneinander von hohem Pathos und Trivialität beim frühen und mittleren Verdi ist viel diskutiert worden, und Un ballo in maschera gilt gemeinhin als das Werk, in dem die Gegensätze am elegantesten und stilsichersten austariert und miteinander verschmolzen sind. Pountney bebildert die Musik mit einer Art überdimensioniertem Puppentheater, oft an der Grenze zur Lächerlichkeit oder bewusst darüber hinaus. Der Auftritt der Wahrsagerin Ulrica wird begleitet von einem Hexenchor, bei dem die Akteurinnen allerlei Mordswaffen in Kopf und Körper stecken haben (Kostüme: Marie-Jeanne Lecca), und das Blut fließt zwar nicht in Strömen, aber in Fäden - passenderweise in der Farbe des Strickzeugs, das diese Damen mit sich tragen. Es ist nicht weit bis zu György Ligetis Grand Macabre (Motto: "Der Tod ist tot"). Man erlebt diese Inszenierung wie eine Fahrt durch eine ziemlich alberne Geisterbahn. Dafür steckte Pountney bei dieser Premiere ein paar kräftige Buhs ein.

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Der Maskenball hat eigentlich noch gar nicht begonnen, aber in dieser Inszenierung ist immer Maskenball: Riccardo und Page Oscar

Berechtigt, wenn man die Regie für sich betrachtet; unangemessen, wenn man die Aufführung als Gesamtkunstwerk wahrnimmt. Pountney braucht eine ganz starke musikalische Absicherung, nicht um seine Zumutungen zu überspielen, sondern um sie durch die Musik zu beglaubigen. Und die bekommt er. Mit Will Humburg steht ein ausgesprochen versierter Verdi-Dirigent am Pult des Beethoven-Orchesters, das zu großer Form aufläuft und die Musik in allen Schattierungen nachzeichnet, sich für derben Schunkeloperettenton nicht zu schade ist, im nächsten Moment im Pianissimo geheimnisvoll zaubern kann, ungeheuer differenziert spielt und die Klangfarben prachtvoll auslotet. Humburg geht auf die Szene ein, spielt den makabren Totentanz lustvoll mit. Verlassen kann er sich auch auf den ebenso klangprächtigen wie nuanciert singenden, aufmerksamen Chor und Extrachor. Und auf ein großartiges Solistenensemble.

Vergrößerung in neuem Fenster Kurzer Moment der Zweisamkeit: Riccardo und Amelia

Arthur Espiritu stattet den Riccardo mit einem in der Höhe strahlenden, umsichtig eingesetzten Tenor aus; kein musikalischer Draufgänger, sondern ein bedachtsamer Schöngeist. In der Mittellage verliert die Stimme im Piano merklich an Farbe und wird blass, diese Unausgeglichenheit zieht sich durch die Partie durch; gleichwohl hat Espiritu starke Momente. Giorgos Kanaris singt Riccardos engsten Freund und Verbündeten Renato (der später zum Mörder wird, jedenfalls gemäß dem Libretto) mit kraftvoll kernigem Bariton; als er die vermeintliche Affäre seiner Gattin Amelia mit Riccardo erkennt (die tatsächlich platonisch bleibt und in gegenseitiger Entsagung enden soll), zeigt er bedrohliches Gewaltpotenzial. Für die von beiden Männern begehrte Amalia findet Yannick-Muriel Noah betörend schöne, tragfähige Pianissimo-Töne, aber auch Kraft für die große Geste. Ein Manko der Regie ist sicher, dass sich Pountney in dieser Dreiecksgeschichte nicht näher für die Personenregie interessiert (oder ist die bei der Übernahme aus Cardiff auf der Strecke geblieben?). In den Arien lässt Pountney den Figuren durchaus Raum zur Entfaltung, lässt sie sozusagen aus dem Konzept heraustreten. Nur müsste dann auch mehr kommen als ein paar Standardgesten.

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Der Maskenball im Finale wird zum danse macabre

Der musikalische Clou sind freilich die beiden anderen Frauengestalten. Lada Bočková als Page Oscar glänzt mit virtuos geführter, leuchtender und nicht zu kleiner Stimme und wird zum Motor des Geschehens - szenisch ist die Rolle ziemlich dankbar angelegt, eine Art Harlekin im Michael-Jackson-Look. Nana Dzidziguri als Ulrica ist eine Wucht; mit faszinierender Klangfarbe in der tiefen Lage und Power in der Höhe macht sie auch vokal ihren Auftritt zum großen Theaterereignis - inszeniert ist das ohnehin als genau solches, eine schaurige Revuenummer, die aber durch die Musik eine unheimliche Größe gewinnt. Mit Andrei Nicoară und Martin Tzonev sind die Verschwörer Samuel und Tom großformatig besetzt. Musikalisch ist dies ein ganz starker Abend für die Bonner Oper, die auf diesem Niveau mit größeren Häusern konkurrieren kann.


FAZIT

David Pountney legt den Maskenball als makaber-todessüchtige Revue mit absurder Komik an - und mit einer grandiosen musikalischen Interpretation geht das Konzept beeindruckend auf.




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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Will Humburg

Inszenierung
David Pountney

Bühne
Raimund Bauer

Kostüme
Marie-Jeanne Lecca

Licht
Fabrice Kebour

Beleuchtungseinrichtung
Boris Kahnert

Bewegungschoreographie
Michael Spenceley

Chor
Marco Medved


Statisterie des
Theater Bonn

Chor und Extrachor des
Theater Bonn

Beethoven Orchester Bonn


Solisten

Riccardo
*Arthur Espiritu /
Leonardo Caimi Neele Kramer

Renato
Giorgos Kanaris

Amelia
Yannick-Muriel Noah

Ulrica
Nana Dzidziguri

Oscar
*Lada Bočková /
Marie Heeschen

Silvano
*Andrei Nicoară /
Mario Klein

Tom
Martin Tzonev

Ein Richter
Tae Hwan Yun

Ein Diener Amelias
Justo Rodriguez



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