Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



"Digitales Opernglas": Die tote Stadt

Ein Projekt der Rheinoper und Vodafone
Im Rahmen der Produktion Die tote Stadt
Oper von Erich Wolfgang Korngold

Premiere am 16. April 2023 im Opernhaus Düsseldorf


Homepage

Rheinoper
(Homepage)
Der Blick durchs "digitale Opernglas"

Von Julia Freudewald und Stefan Schmöe / Fotos von Lukas Loss und Sandra Then


"Augmented Reality" hält Einzug ins Düsseldorfer Opernhaus. Die (im Rahmen dieses Pilotprojekts noch sehr überschaubare) Zahl von 30 Personen hat die Möglichkeit, über eine entsprechende Brille und ein eigens dafür präpariertes Smartphone (beides wird vom Theater gestellt) das konventionelle Blickfeld zu erweitern. "Immersive Technologie" und "einen neuen, niedrigschwelligen Zugang zur analogen Welt des Musiktheaters" verspricht Intendant Christoph Meyer. "Digitale Hintergrundinformationen zu Werk und Solist*innen" klingen allerdings für opernerfahrene Besucher*innen eher mittelprächtig spannend. Das OMM bespricht die Produktion von Erich Wolfgang Korngolds Die tote Stadt daher aus zwei Blickwinkeln. Stefan Schmöe, seit der Gründung 1995 für dieses Magazin als Rezensent und mit dem Ballast von vielleicht fünf oder sechs Inszenierungen der toten Stadt unterwegs, sitzt ohne Technik und digitale Zusatzinformationen im Parkett und berichtet aus der konventionellen Perspektive; Julia Freudewald, nicht gänzlich opernunerfahren, aber bisher ohne Begegnung mit Korngold, schaut vom zweiten Rang (denn nur dort ist das möglich) durch die digitale Brille auf die Inszenierung.

Szenenfoto

So sieht es aus, das "digitale Opernglas" (Foto: Lukas Loss)

Erst einmal zum Technischen: Man erhält keine taucherbrillengroße VR-Brille, sondern ein Modell, das einer klobigen Sonnenbrille ähnelt und per Kabel mit dem Smartphone verbunden ist. Hinweis vom Servicepersonal: Wenn das System mal gar nicht mehr funktionieren sollte, dann Stecker ziehen und wieder einstöpseln (das passiert aber nicht, das System läuft in dieser Hinsicht stabil). Manchmal ruckelt es allerdings ein wenig und das Bild ist weg, zum Beispiel dann, wenn man aufgefordert wird, beim Vorspiel zum zweiten Akt bei geschlossenem Vorhang per Brille in den Orchestergraben zu schauen und das sicher alle gleichzeitig machen. Ansonsten ist das System leicht und intuitiv zu bedienen, man steuert einen visuellen Punkt per Kopfbewegung auf verschiedene Menüpunkte, und dann erhält man die gewünschten Informationen. Man sollte dabei den Kopf gerade halten und direkt auf die Bühne schauen - den Blick schweifen lassen, das ist schwierig. Die Brille selbst ist etwas zu groß und sitzt schlecht, und der zuständige Servicemitarbeiter ist in der Pause in andere Gespräche verwickelt und kann gerade nicht helfen. Angeblich kann man aber die Nasenbügel austauschen, also beim nächsten Mal vor der Aufführung die Brille anpassen lassen.

Szenenfoto

Informationen zum Sänger, hier in englischer Sprache ...

Und was bietet die Brille an Inhalten? Man kann die Untertitel mitlaufen lassen (na gut, die kann man vom zweiten Rang auch ohne Brille als Übertitel mitlesen, aber mit Brille funktioniert das deutlich eleganter). Man kann für den laufenden Akt die Inhaltsangabe aufrufen, und die gerade auf der Bühne befindlichen Akteure werden angezeigt (und zu denen gibt es auf Wunsch biographische Informationen). Wenn man diese Oper zum ersten Mal sieht oder hört, ist das ein wirklich hilfreiches Feature. Außerdem kann man drei Kameras im Orchestergraben ansteuern und so etwa den Dirigenten von vorne sehen, was man dann definitiv allen anderen Besuchern voraushat. Die beiden anderen Einstellungen von den Seiten zeigen immer denselben Ausschnitt, dazu relativ stark verpixelt, und bringen nicht wirklich viel Neues - da lohnt der Blick auf GMD Axel Kober deutlich mehr. Insgesamt ein ganz nettes Gimmick, aber keine sensationelle Erweiterung, die über drei Akte entscheidenden Mehrwert bringt.

Szenenfoto

... oder auch in deutscher Sprache (beide Fotos: Sandra Then)

Ab und zu erscheinen im oberen Bereich des Bildfelds "Infopunkte", über die man, wenn man sie ansteuert, Zusatzinformationen bekommen kann. So erfährt man beim ersten Auftritt der Hauptfigur, dass diese "Paul" heißt und ein trauernder Witwer ist - das macht den Einstieg in die Oper leicht. Je länger das Stück dauert, desto weniger relevant sind diese Informationen, und später werden dann nicht uninteressante, aber auch nicht zwingend erforderliche funfacts eingeblendet. Jetzt wissen wir, dass im dritten Akt 60 Puppen auf der Bühne liegen und das Bühnenbild 2,8 Tonnen wiegt. Kann man wissen, muss man aber nicht. Und manches ist dann doch mehr Spielerei als sinnvolle Ergänzung - und lenkt eben auch vom Bühnengeschehen ab. Das führt zum vielleicht größten Problem: Der Blick durch die virtuelle Brille ist eingetrübt, ähnlich wie der Blick durch eine Sonnenbrille, und verfälscht die Farben. Um die raffinierten Beleuchtungseffekte adäquat wahrzunehmen, muss man die Brille absetzen.


FAZIT

Für Einsteiger bietet das Konzept tatsächlich manche Unterstützung für einen leichten und zeitgemäß modernen Einstieg in das seltsame Genre "Oper", wobei eine Überarbeitung schon noch angebracht wäre. Kommentare zur laufenden Szene wären da denkbar, und Bühnenkameras, die an das Geschehen heranzoomen, sowieso. Warum gibt es die eigentlich nicht? Eine visuelle Erweiterung des Bühnengeschehens wäre doch eigentlich das Naheliegendste. Es besteht also noch Optimierungspotential.

Hier geht's zur Rezension der Premiere von Die tote Stadt.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

In diesem Text geht es um das
Projekt "Das digitale Opernglas".

Unseren Premierenbericht finden
Sie hier.



Weitere Informationen
zum "digitalen Opernglas" von der
Rheinoper



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2023 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -