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Krabat

Ballett von Demis Volpi
Libretto von Musik von Peteris Vasks, Philip Glass und Krzysztof Penderecki

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)

Premiere am 10. November 2022 im Opernhaus Düsseldorf
(Rezensierte Aufführung: 13. November 2022)


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Ballett am Rhein / Rheinoper
(Homepage)
Macht und Liebe

Von Stefan Schmöe / Fotos von Ingo Schäfer

Es ist schon ein großer Stoff, den Demis Volpi hier vertanzt. Krabat ist ein zum (Jugend-)Roman aufgeweitetes Märchen aus der sorbischen Lausitz, geschrieben von Ottfried Preußler und veröffentlicht 1971 - und umgehend mit dem Deutschen Jugendbuchpreis und etlichen anderen europäischen Preisen ausgezeichnet. Preußler hat darauf hingewiesen, dass er in dem Roman seine Kindheits(kriegs)erlebnisse verarbeitet hat. Auch deshalb sollte man das Buch und noch weniger das Ballett von Demis Volpi, 2013 am Ballett Stuttgart uraufgeführt und Volpis wohl bislang größter Erfolg (und Türöffner für die Leitung des Ballett am Rhein und demnächst die Neumeier-Nachfolge am Hamburger Ballett) nicht als harmloses Kinderstück abtun. Es ist eine abendfüllende Balletterzählung geworden, die auch das junge Publikum anspricht. Um Märchenstoffe geht es im Ballett zwischen Giselle und Schwanensee ja sowieso häufig (beim Nussknacker sowieso); Krabat unterscheidet sich von diesen vor allem dadurch, dass eine romantisch-erotische Liebesbeziehung fehlt. Um Liebe geht es schon, aber auf andere Weise.

Vergrößerung Der Meister und Krabat

Zum Inhalt: Der Waisenjunge Krabat gerät in den Bann des Meisters, der eine Mühle mit zwölf Gesellen und Lehrjungen besitzt und über magische Fähigkeiten verfügt. Nach und nach erkennt Krabat, dass niemand der Macht des Meisters entfliehen kann, und dass in jeder Neujahrsnacht einer der Gesellen dem "Gevatter" geopfert wird, einer Macht, die stärker ist als der Meister. Nur die Liebe eines Mädchens kann die Macht des Meisters brechen, und Krabat findet in Kantorka eben dieses Mädchen, das die entscheidende Prüfung besteht: Mit verbundenen Augen erkennt sie Krabat - an der Angst, die er um sie hat. Die Musik hat Volpi aus Kompositionen von Peteris Vasks, Philip Glass und Krzysztof Penderecki zusammengestellt, dazu kommt ein ziemlich pathetischer Chorsatz des Liedes Die Gedanken sind frei und eine von Christoph Kirschfink aufgenommene und arrangierte "Mühlenmusik" - Geräusche aus der im Schwäbischen gelegenen Mäulesmühle. Das allett ist in drei Akte (entsprechend den drei jeweils ein Jahr umfassenden Teilen des Romans) und 17 Nummern unterteilt. Das Streichquartett (Dragos Manza, Silke Volk, Christian Atanasiu und Nikolaus Trieb) sowie die Düsseldorfer Sinfoniker unter der Leitung von Katharina Müllner spielen durchweg überzeugend.

Vergrößerung

Gesellen in der Mühle

Das geniale Bühnenbild von Katharina Schlipf besteht aus einer Wand aus Mehlsäcken (es sollen 1500 Stück sein), die als undurchdringliche Mauer die Gesellen und Lehrjungen einsperren - am Ende wird diese Wand einbrechen und einen Weg in die Welt öffnen. In der Mühle ist es immer düster, die Szenen außerhalb der Mühle sind dagegen licht und hell - ein Vorhang mit einer Landschaftsmalerei in Rokoko-Grazilität zeigt eine andere Sphäre. Hier hat der Geselle Tonda (Krabats engster Freund im ersten Jahr) ein Rendezvous mit seiner Geliebten Worschula, das tragisch endet. Weil der Meister die Identität Worschulas erkennt, kann er sie in den Wahnsinn treiben. Hier weicht Volpi ein Stück von der Romanvorlage ab (der die Episode als Erzählung Tondas in der Vergangenheit ansiedelt) und zeigt einen schönen Pas de deux (Doris Becker und Daniele Bonelli). Die Mädchen sind artifizielle Gestalten mit in Grüntönen gehaltenen, luftigen Kleidern, schwer fassbare Naturwesen, die viel auf Spitze tanzen - ein starker Kontrast zu den bodenständigen Jungen aus der Mühle. Volpi gelingt es sehr überzeugend, der erwachenden Liebe zwischen Krabat und Kantorka eine fast naive, kindliche Unbestimmtheit zu geben und doch große Szenen zu choreographieren. Emilia Peredo Aguirre tanzt die Kantorka mit burschikosem Charme und großer Leichtigkeit.

Vergrößerung Kantorka und Krabat

In der Hauptrolle glänzt Miquel Martinez Pedro mit lausbubenhaftem Habitus, zunächst staunend über die Mühlenwelt, aber auch glaubwürdig in der Wandlung zum wissenden Gegenspieler des Meisters. Den gibt Damián Torio mit großer Geste und ausladenden Bewegungen ziemlich dämonisch. Einen großen Auftritt hat Charlotte Kragh als Zauberer Pumphutt, der den meister herausfordert und im spielerischen Duell besiegt. eine virtuose Bravournummer mit vielen Kostümwechseln, der diverse Filmgenres durchspielt. Liebevoll gezeichnet sind die Gesellen und Lehrbuben, am schönsten der jüngste von allen, Lobosch, der im dritten Jahr in die Mühle kommt und ziemlich wenig Respekt vor dem Meister zeigt - Evan L'Hirondelle tanzt das mit viel Witz. Statisch wie eine Statue ist die Figur des Gevatters angelegt, der dem Meister übergeordneten Instanz - im roten Kleid auf Stelzen oder einem Podest agiert Lara Delfino eindrucksvoll mit den Armen und Kopfbewegungen.

Vergrößerung

Der Gevatter (Tod) und Gesellen

Während der Roman bis auf Kantorka eine Jungen- und Männerwelt beschreibt, hat Volpi nicht nur die Mädchen in großen Ensembleszenen in das Stück hineingeholt (und die schon erwähnte Worschula nicht in Erzählungen, sondern sehr präsent auf der Bühne sterben lassen), er hat auch mit dem Gevatter und dem Zauberer Pumphutt die zwei mächtigsten Figuren an Tänzerinnen vergeben, was der Handlung noch ein zusätzliches dynamisches Moment verleiht. Und weil alle Szenen auf annähernd gleich hohem Niveau choreographiert sind, entsteht eine stringente und fesselnde, sehr kurzweilige und zunehmend berührende Erzählung. Ob man darin nun eine Parabel auf Diktaturen lesen und die Frage nach Widerstand und Freiheit, nach Verführbarkeit und Autonomie erkennen will, ist Geschmackssache; so hoch muss man die politische Intention wohl nicht hängen. Krabat ist in jedem Fall ein toller Stoff, den Volpi mit den Mitteln des klassischen Balletts modern und frisch vertanzt, ohne märchenhaft beschaulich zu werden. Kein "es war einmal", sondern eine ganz unmittelbar wirkende Geschichte, die man auf fast allen Altersstufen versteht.


FAZIT

Demis Volpi ist ein mitreißendes Handlungsballett gelungen, das nicht groß zwischen jugendlichen und erwachsenen Zuschauer*innen unterscheidet und das von der Düsseldorf-Duisburger Compagnie eindrucksvoll getanzt wird.


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Produktionsteam

Choreographie
Demis Volpi

Musikalische Leitung
*Katharina Müllner/
Christoph Stöcker

Bühne und Kostüme
Katharina Schlipf

Licht
Bonnie Beecher

Dramaturgie
Maurice Lenhard
Julia Schinke

Uraufführung:
22. März 2013,
Stuttgarter Ballett,
Opernhaus Stuttgart



Streichquartett:
Dragos Manza
Silke Volk
Christian Atanasiu
Nikolaus Trieb

Solo-Violine
Dragos Manza

Solo-Violoncello
Nikolaus Trieb

Düsseldorfer Symphoniker


Tänzerinnen und Tänzer

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Herr Gevatter
*Lara Delfino/
Clara Nougué-Cazenave

Der Meister
*Damián Torío/
Nelson López Garlo

Krabat
*Miquel Martínez Pedro/
Vinícius Vieira

Die Kantorka
*Emilia Peredo Aguirre/
Futaba Ishizaki

Tonda
*Daniele Bonelli/
Gustavo Carvalho/
Joaquin Angelucci

Worschula
*Doris Becker/
Paula Alves/
Maria Luisa Castillo Yoshida

Pumphutt
*Charlotte Kragh/
Elisabeth Vincenti

Juro
Eric White

Merten
*Kauan Soares/
Orazio Di Bella

Michal
*Andrea Tozza/
Joaquin Angelucci

Witko
Jack Bruce

Lobosch
*Evan L'Hirondelle/
Pedro Maricato

Lyschko
*Niklas Jendrics/
Orazio Di Bella

Weitere Gesellen
*Gustavo Carvalho/
Andrea Tozza/
Kauan Soares/
Daniele Bonelli
*Joaquin Angelucci/
Niklas Jendrics
*Pedro Maricato/
Evan L'Hirondelle
*Yoav Bosidan
*Edvin Somai
*Vicinius Vieira/
Philip Handschin

Mädchen
*Mariana Dias/
Courtney Skalnik
*Rose Nougué-Cazenave
*Lotte James
*Imogen Walters
*Sara Giovanelli/
Norma Magalhães
*Neshama Nashman
*Clara Nougué-Cazenave
*Marié Shimada
*Camilla Agraso
*Maria Luisa Castillo Yoshida/
Marta Andreitsiv
*Virginia Segarra Vidal






Weitere Informationen
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