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Francesca da Rimini

Dramma per musica in zwei Akten
Text von Felice Romani
Musik von Saverio Mercadante

in italienischer Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (eine Pause)

Kooperation mit den Tiroler Festspielen Erl

Premiere im Opernhaus Frankfurt am 26. Februar 2023
(rezensierte Aufführung: 05.03.2023)



Oper Frankfurt
(Homepage)
Seelendrama im Belcanto

Von Thomas Molke / Fotos von Barbara Aumüller

Saverio Mercadante zählt neben Giovanni Pacini zu den bedeutendsten italienischen Opernkomponisten der Übergangszeit zwischen Vincenzo Bellini und Giuseppe Verdi und hat mit dem von ihm bezeichneten "canto dramatico" eine Reform der italienischen Oper eingeleitet, die heutzutage eher Verdi zugeschrieben wird. Von seinen 58 Opern kennt man heute vielleicht noch Il giuramento, mit der Mercadante die Reform der Oper eingeleitet hat. Aber selbst dieses Werk hat es noch nicht ins gängige Repertoire der Opernhäuser geschafft. Eine besonders tragische Stellung nimmt seine Oper Francesca da Rimini ein, die zu Mercadantes Lebzeiten nicht uraufgeführt werden konnte. Ursprünglich hatte er das Werk um 1830 für Madrid komponiert, wo er sich zu dieser Zeit niedergelassen hatte. Dort befand sich die ehemals sehr erfolgreiche Sopranistin Adelaide Tosi, die allerdings der Titelpartie stimmlich nicht mehr gewachsen war. Es wird gemutmaßt, dass ihr Einfluss so groß war, dass sie eine Aufführung mit einer anderen Besetzung verhinderte und Mercadante das Werk zurückzog und nach Italien zurückkehrte. Hier wollte er es in Mailand zur Uraufführung bringen, stieß aber wieder auf großen Widerstand. Dieses Mal war es wohl die berühmte Sängerin Giuditta Pasta, die es nicht für angemessen hielt, in der Hosenrolle des Paolo aufzutreten, während eine wesentlich jüngere Sängerin, wahrscheinlich Giulia Grisi, in der Titelpartie brilliert hätte. Außerdem kam es mit dem Impresario Giuseppe Crivelli zu einem Streit um das Honorar, so dass Mercadante selbst gegen eine Aufführung ein gerichtliches Verbot erwirkte. Durch den plötzlichen Tod Crivellis erhielt Mercadante aber die Partitur wohl nicht zurück, so dass er keinen weiteren Versuch unternahm, die Oper andernorts zur Uraufführung zu bringen. Das Werk verschwand in den Archiven, wo es erst in den 1990er Jahren wiederentdeckt wurde. Als das Wexford Festival Opera 2013 die Oper auf den Spielplan stellen wollte, gab es erneut rechtliche Probleme. Dieses Mal beanspruchte Ricardo Muti, der 2011 bei den Salzburger Festspielen mit der Wiederentdeckung von Mercadantes I due Figaro für internationale Aufmerksamkeit gesorgt hatte, die Uraufführung für sich. Als diese nicht folgte, nahm sich schließlich das Festival della Valle d'Itria in Martina France 2016 dieses Werkes an und brachte es mit 186 Verspätung zur Uraufführung. Die Oper Frankfurt bringt nun in Kooperation mit den Tiroler Festspielen Erl, wo das Werk bei den Winterfestspielen zu erleben war, die Oper als deutsche Erstaufführung heraus.

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Francesca (Jennifer Pratt, links) und Paolo (Kelsey Lauritano, links) (gedoppelt durch die Tänzerin (Annalisa Piccolo) und den Tänzer (Bernardo Ribeiro)) lieben einander.

Das Libretto von Felice Romani, das dieser ursprünglich für Giacomo Meyerbeer geschrieben hatte, der es allerdings nicht vertonte, geht auf eine historische Begebenheit aus dem 13. Jahrhundert zurück, wonach Francesca da Rimini und ihr Schwager Paolo beim Ehebruch ertappt und beide von Francescas Ehemann Gian Ciotto (in der Oper Lanciotto) im Bett getötet wurden. Wie viel Wahrheit in dieser Geschichte steckt, lässt sich wohl nicht mehr rekonstruieren, da man die Erzählung lediglich aus Dante Alighieris Divina Commedia und den Erläuterungen dazu von Giovanni Boccaccio kennt. Dante setzte Francesca in seinem Werk ein Denkmal, indem er ihr als Erzähler im fünften Gesang in der Hölle begegnet. Hier wird sie im zweiten Höllenkreis in ewiger Umarmung mit ihrem Geliebten Paolo von einem endlosen Sturm umher getrieben. Das seit dem 18. Jahrhundert wieder wachsende Interesse an Dantes Werk inspirierte auch zahlreiche Schriftsteller und Maler, sich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. In Romanis Libretto ertappt Lanciotto seine Gattin Francesca und Paolo zwar ebenfalls in einer innigen Umarmung im Schlafzimmer, während die beiden die tragische Geschichte von Guinevere und Lancelot lesen, bringt sie allerdings nicht sofort um, sondern lässt sie zunächst in den Kerker werfen, wo er ihnen die Wahl zwischen Tod durch Gift oder durch das Schwert gibt. Doch Francescas Vater Guido befreit Francesca und Paolo und lässt seine Tochter einen Friedenskontrakt zwischen Rimini und Ravenna unterzeichnen, wenn ihr dafür gestattet wird, ins Kloster zu gehen. Auf dem Weg dorthin trifft sie noch einmal auf Paolo, der sich aus Liebe zu ihr das Leben nehmen will. Francesca schwört ihm erneut ewige Liebe, als Lanciotto auftaucht, um seinen Bruder zu töten. Francesca wirft sich dazwischen und wird dabei tödlich verwundet, woraufhin sich Paolo das Leben nimmt.

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Von Eifersucht zerfressen: Lanciotto (Theo Lebow mit dem Opernchor)

Das Regieteam um Hans Walter Richter interessiert sich vor allem für die Vorgeschichte, die in Romanis Libretto eigentlich gar nicht vorkommt, für das Handeln der einzelnen Figuren jedoch eine durchaus bedeutende Rolle spielt. Demnach wurde Francesca aus politischen Gründen mit Lanciotto Malatesta verheiratet, um den Frieden zwischen Ravenna und Rimini zu sichern. Da Lanciotto allerdings missgebildet war, gab man zunächst seinen "schönen" Bruder Paolo als Bräutigam aus, um die Hochzeit nicht zu gefährden. Francesca und Paolo verliebten sich sofort ineinander. So wird klar, wieso es für Francesca ein Schock gewesen sein muss, als sie in der Hochzeitsnacht erkannte, dass nicht Paolo sondern Lanciotto ihr rechtmäßiger Gatte war. Richter doppelt die drei Hauptfiguren durch zwei Tänzer und eine Tänzerin, die in einer Art Traumsequenz immer wieder auf der Bühne erscheinen. So sieht man Francesca zu Beginn der Oper schlafend in einem Bett. Während sie die Berührungen ihres unansehnlichen Gatten scheut, treten im Hintergrund eine Tänzerin (Annalisa Piccolo) und ein Tänzer (Bernardo Ribeiro) als Francesca und Paolo vor den Ruinen einer Kapelle als Brautpaar auf. Francesca scheint also von einer Ehe mit Paolo zu träumen, die ihr ja vor der Hochzeit suggeriert wurde. Im weiteren Verlauf treten die drei Tänzer*innen gewissermaßen als Alter Ego mit Francesca, Paolo und Lanciotto in Interaktion und gewähren damit Einblick in das Innenleben der drei Hauptfiguren, deren tragische Geschichte für Richter im Zentrum der Handlung steht.

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Lanciotto (Theo Lebow) ertappt seine Frau Francesca (Jessica Pratt) und seinen Bruder Paolo (Kelsey Lauritano).

Johannes Leiacker hat ein recht abstraktes Bühnenbild entworfen, das in großen Teilen auf Naturalismus verzichtet. Im ersten Akt rahmt eine riesige weiße Wand den Bühnenraum ein und erzeugt schon beinahe eine klaustrophobische Atmosphäre. Francesca scheint hier in einer Welt eingesperrt zu sein, aus der es kein Entrinnen gibt. Nur in ihren Träumen öffnet sich die hintere Wand und gibt den Blick auf eine nebelumwobene verfallene Ruine frei. Hier träumt sie zunächst von einer Hochzeit mit Paolo, und diese Ruine stellt auch das Kloster dar, in das sich Francesca im zweiten Akt zurückzieht. Ein Bett steht auf der rechten Seite, in dem Francesca die Liebesbriefe Paolos versteckt, zunächst im Kissen und später unter der Matratze, wo Lanciotto sie schließlich auch findet und auch damit seine Frau der Untreue überführt. Zahlreiche Bücher liegen um das Bett herum, um anzudeuten, dass die Tragödie durch die Lektüre der verbotenen Liebe zwischen Guinevere und Lancelot ausgelöst wird. Ein riesiger Felsen auf der linken Seite, der in der Gestaltung an die Ruine erinnert, unterstreicht den surrealen Charakter des Raums, der quasi das Innenleben der Figuren widerspiegelt. Mit einer geschickten Lichtregie (Jan Hartmann) werden unheimliche Schatten an die rechte Bühnenwand geworfen. Im zweiten Akt sind die Wände schwarz und kündigen somit das grausame Ende an. Francesca stirbt in Richters Inszenierung jedoch anders als im Libretto an dem Gift, das ihr Mann ihr am Ende des ersten Aktes angeboten hat und das sie vor dem Treffen mit Paolo einnimmt. Das Ende sieht Richter dann ganz düster, indem er Lanciotto und Francescas Vater erneut das Schwert gegeneinander erheben lässt.

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Lanciotto (Theo Lebow, rechts) und Guelfo (Brian Michael Moore, 2. von rechts) wollen Francescas (Jessica Pratt) und Paolos (Kelsey Lauritano) Tod.

Musikalisch ist das Stück ein Meisterwerk, und es lässt sich kaum nachvollziehen, dass diese herausragende Oper fast 200 Jahre in den Archiven geschlummert hat. Gespickt mit großartigen Ensembles, Szenen und Arien konzentriert sich die Musik auf die drei Hauptcharaktere Francesca, Paolo und Lanciotto und macht alle drei Partien zu Paraderollen für Sopran, Mezzosopran und Tenor. Dabei mag es verwundern, dass die Rolle des "bösen" Lanciotto mit einem Tenor besetzt ist. Doch Theo Lebow arbeitet mit intensivem Spiel und kraftvollen Höhen heraus, dass man hier nicht in Schwarz-Weiß-Kategorien denken darf. Direkt zu Beginn der Oper wird deutlich, welche Zweifel Lanciotto bezüglich seiner Gattin quälen, und Mercadantes Musik unterstreicht, dass Lanciotto Francesca wirklich liebt. Die Maske hat dabei nicht nur Lanciottos Gesicht entstellt, sondern auch seinen Arm, den er im zweiten Akt mit einer Art eisernem Handschuh bedeckt. Jessica Pratt gibt in der Titelpartie ihr Debüt an der Oper Frankfurt und glänzt mit stupenden Höhen und sauber fließenden Koloraturen. Dabei beherrscht sie es, ganz leise Töne nahezu zerbrechlich klingen zu lassen und damit den tiefen Schmerz Francescas herauszuarbeiten. Schon in ihrer ersten Szene ruft sie mit dramatischen Höhen und stupenden Läufen beim Publikum Begeisterungsstürme hervor. Erik van Heyningen punktet als ihr Vater Guido mit profundem Bass.

Ein weiterer Glanzpunkt des Abends ist Kelsey Lauritano in der Hosenrolle des Paolo. Mit warmem Mezzosopran und beweglicher Stimme macht Lauritano die Leiden des jungen Mannes, der unsterblich in seine Schwägerin verliebt ist, nachvollziehbar. Mit Pratt findet sie zu den zarten Klängen der Harfe eine bewegende Innigkeit, die die Liebe der beiden unterstreicht. Ramón Tebar arbeitet mit dem Frankfurter Opern- und Museumsorchester die Emotionalität der Musik hervorragend heraus und trägt die Solistinnen und Solisten gewissermaßen wie auf einem Klangteppich durch die Partitur. Warum die Partie von Lanciottos Diener Guelfo regelrecht sadistisch angelegt ist, erschließt sich nicht wirklich. Brian Michael Moore arbeitet den unsympathischen Charakter glaubhaft heraus, den man fast unangenehmer als Lanciotto findet. Vielleicht kann aber nur ein herzloser Mensch das Liebesglück zwischen Francesca und Paolo zerstören wollen, ohne dabei von Eifersucht getrieben zu sein. Stimmlich überzeugt Moore in der kleinen Partie ebenso wie Karolina Bengtsson als Francescas Vertraute Isaura. Der von Tilman Michael einstudierte Chor punktet durch enorme Bühnenpräsenz und fulminanten Klang, so dass es für alle Beteiligten verdienten Applaus und großen Jubel gibt.

FAZIT

Es bleibt zu wünschen, dass Mercadantes Schaffen in den kommenden Jahren weiterhin mehr Aufmerksamkeit auf den Bühnen geschenkt wird. Seine Musik kann durchaus mit Rossini, Bellini, Donizetti und Verdi mithalten.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Ramón Tebar

Inszenierung
Hans Walter Richter

Bühnenbild
Johannes Leiacker

Kostüme
Raphaela Rose

Licht
Jan Hartmann

Choreographie
Gabriel Wanka

Chor
Tilman Michael

Dramaturgie
Mareike Wink

 

Frankfurter Opern- und
Museumsorchester

Chor der Oper Frankfurt

Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Francesca
*Jessica Pratt /
Anna Nekhames

Paolo
Kelsey Lauritano

Lanciotto
Theo Lebow

Guido
Erik van Heyningen

Isaura
Karolina Bengtsson

Guelfo
*Brian Michael Moore /
Hyunjung Kim

Tanz
Gabriel Wanka
Annalisa Piccolo
Bernardo Ribeiro

 


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Oper Frankfurt
(Homepage)







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