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The Producers

Musical in zwei Akten
Buch von Mel Brooks und Thomas Meehan
Musik und Gesangstexte von Mel Brooks

in deutscher Sprache

Aufführungsdauer: ca. 2 h 55' (eine Pause)

Premiere im Großen Haus am 4. März 2023
(rezensierte Aufführung: 29.03.2023)


Logo: Theater Hagen

Theater Hagen
(Homepage)
Auf der Suche nach dem schlechtesten Stück

Von Thomas Molke / Fotos: © Björn Hickmann

Kann man über Hitler und das wohl dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte eine Komödie machen? Mel Brooks kann, und das mit großem Erfolg. Bereits 1964 fasste der heute durch äußerst schräge Genre-Parodien wie Spaceballs und Robin Hood: Men in Tights bekannte Brooks den Plan, die Satire The Producers zu drehen, die in Deutschland unter dem Titel Frühling für Hitler in die Kinos kam. Zunächst war Brooks' Erstlingswerk allerdings kein großer Erfolg beschieden. Das änderte sich schlagartig, als der Film 1969 mit einem Oscar für das beste Drehbuch ausgezeichnet wurde. Von da an nahm Brooks' Karriere als Filmemacher und Regisseur Fahrt auf. 1998 wurde The Producers vom American Film Institute auf Platz 11 in die Liste der 100 witzigsten amerikanischen Filmkomödien aller Zeiten aufgenommen. Zu diesem Zeitpunkt trat auch David Geffen an Brooks mit dem Vorschlag heran, aus dem Film ein Broadway-Musical zu machen. Nach einigem Zögern ließ sich Brooks schließlich darauf ein, komponierte sogar selbst die Songs, für die er ursprünglich Jerry Herman engagieren wollte. So feierte das Musical The Producers am 19. April 2001 am St. James Theatre in New York eine umjubelte Premiere und lief dort bis 2007. Dabei löste es mit insgesamt 12 Tony Awards Hello Dolly als Musical mit den meisten Auszeichnungen ab. Am Theater Hagen hat man mit diesem Stück nun nach Monty Pythons Spamalot erneut eine schräge Musical-Komödie auf den Spielplan gestellt.

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Buchprüfer Leo Bloom (Alexander von Hugo, Mitte, mit dem Ensemble) träumt von einer Karriere als Produzent am Broadway.

Die Geschichte spielt am Broadway im Jahr 1959. Der frühere "König des Broadway", Max Bialystock, hat gerade mit The Funny Boy, einer Musical-Version über den Prinzen Hamlet, einen gewaltigen Misserfolg eingefahren. Der Buchprüfer Leo Bloom stellt jedoch fest, dass Bialystock ein weiterer Flop mehr Geld einbringen könne als ein Erfolg am Broadway, von dem Bialystock nichts übrig bliebe, da er davon seine Gläubiger bezahlen müsse. Also plant Max, gemeinsam mit Leo das schlechteste Broadway-Musical aller Zeiten zu produzieren, es als großen Misserfolg abzuschließen und sich mit dem Geld für die Produktion nach Rio abzusetzen. Nach einigem Suchen stoßen sie auf das Stück Frühling für Hitler, das der Exil-Nazi Franz Liebkind, der mittlerweile in New York Tauben züchtet, verfasst hat. Mit der Verpflichtung des absolut unfähigen Regisseurs Roger De Bris, der das Stück in jeder Hinsicht "gay" inszenieren will, sind sich Max und Leo sicher, dass sie ihren Plan in die Tat umsetzen können. Doch Liebkind, der selbst in der Titelrolle auftreten will, bricht sich kurz vor der Premiere das Bein, so dass Roger für ihn einspringt und eine tuntige Parodie des Diktators präsentiert, die vom Publikum und der Kritik einhellig als beste Satire aller Zeiten gelobt wird. Nur Liebkind beschwert sich über die Verunglimpfung seines Stückes und schießt wild um sich. Durch die anrückende Polizei fliegt der Betrug auf, und Max wird verhaftet, während Leo entkommen kann und zunächst mit Ulla, die er während des Probenprozesses kennen und lieben gelernt hat, nach Rio fliegt. Doch Leo bringt es nicht über sich, seinen Freund Max allein büßen zu lassen, kehrt zurück und wird gemeinsam mit Max zu fünf Jahren in Sing Sing verurteilt. Dort proben die beiden mit den Insassen des Gefängnisses ein neues Musical, "Knackis mit Herz", werden begnadigt und erobern mit dem neuen Stück den Broadway.

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Max (Ansgar Schäfer, links) und Leo (Alexander von Hugo, Mitte) suchen bei Franz Liebkind (Richard van Gemert, rechts) das schlechteste Stück aller Zeiten.

Regisseur Thomas Weber-Schallauer beschließt, das Stück in der Zeit zu belassen, in der es spielt, weil eine Übertragung in die Gegenwart zahlreiche Pointen verpuffen lasse. Beispielsweise würden die bitterbösen Seitenhiebe auf den Alt-Nazi Franz Liebkind nicht mehr funktionieren, wenn er die Zeit des Dritten Reichs nicht aktiv mitgestaltet hätte. Auch die Figur der schwedischen Schönheit Ulla würde seit der "MeToo"-Debatte ihre Komik verlieren, weil Brooks mit der berüchtigten Casting-Couch die damaligen Missstände ebenfalls offen ausspricht und keineswegs verharmlost. So fühlt man sich, nicht zuletzt durch Brooks' Musiksprache, in ein Musical der "guten, alten Zeit" versetzt und kann sich kaum vorstellen, dass dieses Werk erst im 21. Jahrhundert entstanden ist. Yvonne Forster fängt in treffenden Kostümen den Zeitsprung zum Ende der 1950er Jahre wunderbar ein. Bei Ullas weißem "Marilyn-Monroe"-Kleid fehlt eigentlich nur noch der Luftschacht auf den sie sich stellt. Sandra Linde hat ein flexibles Bühnenbild geschaffen, das unter Einsatz der Drehbühne, Nutzung von Videoprojektionen und Zwischenvorhängen schnelle Szenenwechsel ermöglicht. So verwandelt sich die Außenfassade des Shubert Theatre, vor der das Publikum zu Beginn seinem Unmut über die misslungene Premiere The Funny Boy freien Lauf lässt und Max und Leo im zweiten Akt der Premiere von Frühling für Hitler entgegenfiebern, blitzschnell in das Büro von Max, in dem er mit Leo seinen Plan ausheckt und alte reiche Damen auf der Couch um ihre Barschaften bringt.

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Roger (Florian Soyka, Mitte) überlegt mit seinem Sekretär Carmen (Matthias Knaab, vorne rechts), ob er Frühling für Hitler inszenieren soll (hinten links: Ensemble, hinter Carmen: Max (Ansgar Schäfer), hinten rechts: Leo (Alexander von Hugo)).

Ebenso verwandelt sich der Probenraum, in dem das Casting für die Rolle des Hitler stattfindet, zu einer glamourösen Revue-Bühne mit Show-Treppe, auf der Roger seinen Auftritt als nicht ernst zu nehmender Hitler hat. Dennoch ist diskutabel, ob das Stück im Stück nicht die Grenzen des guten Geschmacks überschreitet, was keineswegs der Inszenierung, sondern vielmehr der Vorlage anzulasten ist. Natürlich setzt Weber-Schallauer alles daran, Hitler als Figur zu karikieren, was von Florian Soyka auch sehr überzeugend umgesetzt wird. So knickt er beispielsweise gekonnt die ausgestreckte rechte Hand beim Hitler-Gruß ab. Auch wird beibei der rot-weißen Armbinde, die der Sturmtruppenmann und Hitler tragen, auf das Hakenkreuz verzichtet, welches nur in Videoprojektionen auf einer Leinwand herunterregnet und im Erdboden versinkt. Wenn man dann jedoch den Weltkrieg mit Flugzeugen aufziehen sieht und die Kanonen knallen hört, kann einem das Lachen im Hals stecken bleiben. Ein Großteil des Publikums sieht es anders und spendet amüsiert großen Beifall. Diese Show ist schon wieder so schlecht angelegt, dass sie in ihrer Satire als gut betrachtet werden mag. Das darf man an dieser Stelle wohl nicht vergessen. Schließlich setzen Max und Leo ja alles daran, das schlechteste Stück zu produzieren.

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Ulla (Emma Kate Nelson) und Leo (Alexander von Hugo) kommen sich näher.

Mit großartigem Spiel setzt das Ensemble jede Pointe gekonnt um. Richard van Gemert spielt den Exil-Nazi Franz Liebkind mit herrlich überzeichneter Komik. Wenn er zu den Klängen aus Wagners Ring des Nibelungen Max und Leo zwingt, den "Siegfried-Eid" zu schwören, sorgt das genauso für zahlreiche Lacher im Publikum wie die liebevolle Begrüßung seiner Tauben, die er nach diversen Nazi-Größen benannt hat. Dass der Taubenstall im wahrsten Sinne des Wortes "beschissen" aussieht, passt hier wunderbar ins Konzept. Florian Soyka und Matthias Knaab geben als Regisseur Roger und Sekretär Carmen ein wunderbar sich streitendes schrulliges Paar ab, wobei Knaab mit herrlich überzeichnetem Spiel überzeugt. Mit großer Komik werden auch der Auftritt des Bühnenbildners, Kostümbildners und Choreographen zelebriert, die sich trefflich in Rogers "gay"-Konzept einfinden, bevor die Lichtregie in Form einer burschikosen Frau auftritt. Emma Kate Nelson gestaltet die Partie der Ulla mit herrlichem Dialekt und charmantem Spiel. Bewegend spielt sie mit Alexander von Hugo aus, wie sich allmählich die Liebe zwischen Ulla und Leo entwickelt. Das Ensemble schlüpft in zahlreiche kleine Rollen und überzeugt wie der von Wolfgang Müller-Salow einstudierte Chor durch großen Spielwitz. Bisweilen sind jedoch die Mikroports für den Saal ein wenig zu laut eingestellt, so dass man auch den Klang des Orchesters an einzelnen Stellen ein wenig hätte zurücknehmen sollen.

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Wahre Freundschaft: Max (Ansgar Schäfer, rechts) und Leo (Alexander von Hugo, links)

Großartig besetzt sind auch die beiden Hauptpartien Leo Bloom und Max Bialystock. Alexander von Hugo verleiht dem Buchhalter Leo einen leicht spleenigen Charakter, der zunächst mit seiner Schmusedecke in Stresssituationen keine Nähe erträgt und von seinem Chef gnadenlos schikaniert wird. Überzeugend stellt er die Entwicklung dar, die Leo vom unterdrückten Angestellten zum Produzenten durchmacht. Dabei begeistert er mit großartigen Steppeinlagen in der Kanzlei, die ihn schließlich dazu bringen, aus seinem spießigen Leben auszusteigen und sein Glück im Showbusiness zu suchen. Hier stecken wohl auch autobiographische Züge von Brooks selbst in der Figur. Als kleiner Junge hatte ihn ein Besuch im Musical davon träumen lassen, einmal selbst eine Show zu produzieren. Aber später verfolgte er den Plan, Pharmazeut zu werden und in einer kleinen Apotheke ein bürgerliches Leben zu führen. Ansgar Schäfer verleiht dem zunächst recht selbstgefälligen Max komödiantische Züge, wenn er beispielsweise in einer Art Schrein die Stichwortzettel für die zahlreichen liebestollen alten Damen sucht, denen er das Geld aus der Tasche zieht. Im Zusammenspiel mit von Hugo bilden die beiden ein großartiges Produzenten-Duo, das am Ende eine tiefe Freundschaft verbindet. Hier findet das Stück bei aller Persiflage auch recht leise und bewegende Töne. Andreas Vogelsberg führt das Philharmonische Orchester Hagen gekonnt durch die Partitur, die für das 21. Jahrhundert ein wenig aus der Zeit gefallen klingt, aber deshalb trotzdem herrlichen Charme versprüht. So gibt es im für einen regulären Wochentag sehr gut besuchten Theater stehende Ovationen für ein großartiges Ensemble und eine kurzweilige Inszenierung.

FAZIT

Die Inszenierung macht nachvollziehbar, wieso das Stück zu den erfolgreichsten Musicals der letzten 30 Jahre zählt, auch wenn es in Deutschland nicht allzu häufig auf den Spielplänen zu finden ist.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Steffen Müller-Gabriel /
*Andreas Vogelsberg

Inszenierung
Thomas Weber-Schallauer

Choreographie
Riccardo De Nigris

Bühne
Sandra Linde

Kostüme
Yvonne Forster

Licht und Video
Hans-Joachim Köster

Chor
Wolfgang Müller-Salow

Dramaturgie
Otto Hagedorn

 

Chor des Theaters Hagen

Ballett Hagen

Philharmonisches Orchester Hagen


Solistinnen und Solisten

*rezensierte Aufführung

Leo Bloom
Alexander von Hugo

Max Bialystock
Ansgar Schäfer

Carmen Ghia
Matthias Knaab

Roger De Bris
Florian Soyka

Ulla
Emma Kate Nelson

Franz Liebkind
Richard van Gemert

Sturmtruppenmann
Tobias Georg Biermann

Ensemble
Veronica Appeddu
*Michael Berres
*Tobias Georg Biermann
*Lorenzo Di Girolamo
*Matthias Knaab
*Jacqueline Krell
*Vera Lorenz
*Elena Otten


Weitere Informationen
erhalten Sie vom
Theater Hagen
(Homepage)




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