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Ein Sommernachtstraum

Oper in drei Akten
Libretto nach William Shakespeare von Benjamin Britten und Peter Pears
Deutsche Übersetzung nach A.W. von Schlegel
Musik von Benjamin Britten


In deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 45' (eine Pause)

Premiere im Theater Stralsund am 23. September 2022

(rezensierte Aufführung: 09. Oktober 2022)


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Theater Vorpommern
(Homepage)
Herzensangelegenheiten

Von Stefan Schmöe / Fotos Peter van Heesen

Das Herz ist ein Präzisionsinstrument. Bei ziemlich vielen Menschen pumpt es zuverlässig ungefähr im Sekundentakt Blut durch den Körper, am Tag bis zu 10.000 Liter, und das über viele Jahre. Immer wieder lässt Regisseur Wolfgang Berthold, Operndirektor und Chefregisseur am Theater Vorpommern, Videosequenzen eines offenliegenden, pulsierenden Herzens in seine Inszenierung des Sommernachtstraums einspielen. Mehr noch: Elfenkönig Oberon und sein Helfer Puck verwenden für ihre Liebeszauber anstelle einer Blume, mit der sie die Augen der Schlafenden berühren, auf dass sie sich in das erstbeste Wesen nach dem Aufwachen verlieben, ein Modell des menschlichen Herzens, das glitzerndes Pulver verstreut. Wer damit berührt ist, der folgt, so lässt sich dieser Ansatz wohl lesen, seinem Herzen (und nicht der bürgerlichen Heiratskonvention, muss man ergänzen).


Foto kommt später Die Handwerker proben die spaßhafte Tragödie von Pyramus und Thisbe

So ganz schlüssig geht das allerdings nicht auf. Wenn die dem Zauber verfallene Titania sich in den (laut Shakespeare und Britten in einen Esel verwandelten) Handwerker Zettel verguckt, dann glaubt man doch eher an faulen Zauber denn an eine Herzensangelegenheit, denn hier erscheint ein zottiges, immerhin regenbogenfarbig buntes Fantasiewesen mit knöchernem Schädel - zu absurd, um ernstgenommen zu werden. Die eigentlich zentrale Titania-Geschichte wird damit zur skurrilen Randepisode. Den Knaben, um den Oberon und Titania streiten (was letztendlich die Handlung in Gang setzt), bekommt man gar nicht erst zu sehen. Damit ist ein heikler Punkt sicherheitshalber aus dem Weg geräumt. Weil die Elfen, Titania, Oberon und Puck eingeschlossen, mit Fell und Federn ausgestattete Märchenwesen aus einer anderen Welt sind (Kostüme: Julia Klug), bleibt deren Liebesleben ohnehin ein Geheimnis für sich. Manege frei für die Menschen, um die es der Regie eigentlich geht.

Foto kommt später

Irrende Liebespaare: Lysander und Hermia, Helena und Demetrius. Vorne Puck

Der Wald von Athen ist eine mit Torf ausgestreute Arena, umgeben von verschiebbaren Wänden mit rechteckigen Fensterhöhlen, die eine Stadt andeuten könnten (Bühne: Nathalie Himpel). Hier ringen Hermia und Lysander, Helena und Demetrius, die auch durch Pucks Trotteligkeit lange irrenden Liebespaare, um den richtigen Partner. Ganz in weiß gekleidet mit leicht historisierenden, aber nicht exakt einer Epoche zuzuordnenden Kostümen erscheinen sie wie Prototypen des liebestollen Menschen. Unter dem Zauber beginnen sie, sich ihrer Kleidung teilweise zu entledigen, da bekommt die Inszenierung ein vorsichtig erotisches Moment - am stärksten da, wo (eine Zutat der Regie) Hermia und Helena ihre gegenseitige Zuneigung entdecken. Alles ist für einen Moment möglich, wobei man leider von der Mittsommernacht, einer Ausnahmesituation, so gut wie nichts mitbekommt, und damit verschenkt Berthold, Operndirektor und Chefregisseur am Theater Vorpommern, ein theatralisches Moment. Mit ganz ähnlicher, ebenfalls weißer Bekleidung tritt das Paar der Rahmenhandlung auf, Theseus (der Herzog von Athen) und Hippolyta. Die feiern wohl eher ihre diamantene Hochzeit als ihre Vermählung (wie bei Shakespeare und Britten vorgesehen). Die dauerhafte Beziehung, das scheint die Botschaft zu sein, verlangt eben mehr als den kurzen Liebeszauber einer Sommernacht. Ziemlich real zeichnet Berthold die schauspielernden Handwerker, heutige Menschen mit Smartphone und Campingstühlen (schade, dass ihre Aufführung am Ende allzu sehr in Klamauk abdriftet).

Foto kommt später

Titania und Zettel, in einen ziemlich bunten Esel verwandelt

Über manches Detail dieser Inszenierung kann man sicher streiten, aber insgesamt gelingt Berthold und seinem Team eine in sich stimmige und eher zurückhaltende Deutung des Stücks, die sich letztendlich trotz der genannten Freiheiten ziemlich genau an der Geschichte entlang bewegt, aber genug Offenheit für Interpretation anlegt, um nicht als naives Märchen zu enden. Zudem kann sich die Regie auf die musikalische Seite verlassen. GMD Florian Czismadia und das sehr gute Philharmonische Orchester Vorpommern finden einen durchsichtigen, filigranen Klang, zeichnen sowohl die schwebend unbestimmte Atmosphäre des Waldes mit ihren Glissandi als auch das scherzohafte Gebaren der Elfen ausgezeichnet nach, nie ganz eindeutig greifbar, auch nie vordergründig auftrumpfend. Schon deshalb hat die Produktion weit mehr Zuschauer und -hörer verdient als in der hier besprochenen, ziemlich leeren Nachmittagsvorstellung.

Foto kommt später

Großes Finale: Vor Theseus und Hippolyta führen die Handwerker

Und auch gesungen wird sehr gut. Countertenor Tobias Hechler gibt einen präsenten, klangschönen Oberon, für die erkrankte Katharina Konstanti singt Elena Fink zuverlässig und mit souverän auftrumpfendem Sopran von der Seite, Schauspielerin Katharina Rehn spielt auf der Bühne. Betörend schön klingen die Hermia von Amelie Baier und die Helena von Franziska Ringe; Uwe Gottswinter ist ein tenoral schwärmender Lysander, Alexandru Constantinescu ein draufgängerischer Demetrius, und im Quartett finden sie sehr homogen zueinander. Thomas Rettensteiner als Zettel dürfte seine große Stimme sehr viel zurückhaltender einsetzen, macht aber in einer Mischung aus Tumbheit, Selbstgefälligkeit und physischer wie vokaler Präsenz den Handwerker zur schillernden Figur. Maciej Kozłowski gestaltet einen nuancierten Peter Squenz, und sehr genau ausgestaltet und schön gesungen sind die kleineren Handwerkerpartien (Flaut: Semjon Bulinsky, Schnock: Yuji Natsume, Schnauz: Bernd Roth, Schlucker: Jeremy Almeida Uy). Etwas angestrengt klingt die Hyppolita von Emma McDermott, kraftvoll der Theseus von Jovan Koščica. Mit entrücktem, federleichten Klang beeindrucken Kinder- und Frauenchor (Einstudierung: Csaba Grünfelder).

FAZIT

Dem Theater Vorpommern gelingt vor allem musikalisch eine bemerkenswerte Produktion. Mit der soliden Inszenierung, die hier und da noch ein wenig mehr Theatersommernachtszauber verbreiten dürfte, kann man gut leben.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Florian Csizmadia

Inszenierung
Wolfgang Berthold

Bühne
Nathalie Himpel

Kostüme
Julia Klug

Licht
Kirsten Heitmann

Chor
Csaba Grünfelder

Dramaturgie
Katja Pfeifer


Kinderchor und Damen des Opernchors
des Theaters Vorpommern

Philharmonisches Orchester Vorpommern


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Oberon
Tobias Hechler

Titania
Katharina Constanti /
* Elena Fink (singt)
Katharina rehn (spielt)

Puck
Carolin Schär

Lysander
* Uwe Gottswinter
Daniel Schliewa

Demetrius
Alexandru Constantinescu

Hermia
Amelie Baier

Helena
Franziska Ringe

Zettel
Thomas Rettensteiner

Peter Squenz
Maciej Kozłowski

Flaut
Semjon Bulinsky

Schnock
Yuji Natsume

Schnauz
Bernd Roth

Schlucker
Jeremy Almeida Uy

Hippolyta
Emma McDermott

Theseus
Jovan Koščica


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Theater Vorpommern
(Homepage)



Da capo al Fine

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