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Luisa Miller

Melodramma tragico in drei Akten
Musik von Giuseppe Verdi
Libretto von Salvatore Cammarano nach Friedrich Schillers bürgerlichem Trauerspiel Kabale und Liebe


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 50' (eine Pause)

Eine Produktion des Glyndeborne Festival 2021
Premiere im Staatenhaus Köln-Deutz (Saal 2) am 4. März 2023
(rezensierte Aufführung: 8. März 2023)


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Oper Köln
(Homepage)

Diese Luisa hätte vermutlich auch Herrn Schiller gefallen

Von Stefan Schmöe / Fotos von Thomas Aurin

Eine Affäre über Klassen- und Standesgrenzen hinweg? Allein die Liebe zählt, sagen Luisa Miller, Mädchen vom Dorfe aus einfachen Verhältnissen, und Grafensohn Rodolfo. Geht gar nicht, sagen die Väter. Graf Walter, mit erheblicher krimineller Energie zu seiner Stellung gekommen, sieht für seinen Sohn bei standesgemäßer Heirat mit Herzogin Federica eine glänzende Karriere am königlichen Hof; Vater Miller weiß um die zweifelhafte Moral des Adels in Liebesdingen, die allzu oft mit einem ebenso schnell geschwängerten wie in Unehren verlassenen Dorfmädchen endet. Giuseppe Verdi und sein Librettist Salvadore Cammarano haben das bürgerliche Trauerspiel Kabale und Liebe des auch in Italien populären Friedrich Schiller 1849 für die italienische Opernbühne adaptiert - mit allen Zugeständnissen, die ein junger Komponist (dessen großer Durchbruch mit Rigoletto, Il trovatore und La Traviata erst in den Jahren darauf erfolgen sollte) an die Konventionen der Zeit machen musste. Was zum Beispiel bedeutet, dass die Titelfigur, obwohl im dramaturgischen Konzept ein empfindsames junges Mädchen, musikalisch als glamouröser Koloratursopran angelegt ist, sonst hätte keine Primadonna der Zeit die Partie übernommen (und kein Theater die Oper aufgeführt). Dass die Oper trotzdem ein frühes Meisterwerk geworden ist, zeigen die inzwischen doch vergleichsweise hohen Aufführungszahlen.

Szenenfoto

Luisa feiert Geburtstag - aber darin wird das Begräbnis vorweggenommen

Die ästhetisch strenge Inszenierung von Christof Loy (Konzeption) und Georg Zlabinger (Einstudierung), entstanden und für das Opernfestival im südenglischen Glyndebourne 2021 (weil Loy seinerzeit an Corona erkrankte, war Zlabinger für die Realisierung des Konzepts verantwortlich), dreht die Italienisierung wieder ein Stück zurück und sucht hinter der tragischen Romanze die zentrale Idee und die Nähe zu Schiller. Das Bühnenbild von Johannes Leiacker, das sich im Verlauf der drei Akte nur geringfügig, aber entscheidend verändert, zeigt einen nüchternen Raum, der nach hinten spitz zuläuft - man kann darin ein Bild für die auf die Katastrophe zulaufende Handlung erkennen. Im zweiten Akt öffnet sich rechts ein Raum mit Fenstern, der mit wenigen Elementen das gräfliche Schloss andeutet; im dritten Aufzug ist hier eine schwarze Fläche. Interpretiert man diese Raumöffnungen als Ausbruchsmöglichkeiten für Luisa, so wäre das im zweiten Akt ein Arrangement mit dem verhassten Intriganten und gräflichen Sekretär Wurm, der ihr mit der Ehe ja auch den (moderaten) gesellschaftlichen Aufstieg anbietet; im dritten Akt symbolisiert das schwarze Viereck den Tod. Beides schlägt Luisa aus, aber in beiden Situationen hilft das Schiller'sche Freiheitspathos nicht weiter. Luisa kann, um den Vater vor dem Todesurteil zu retten, die Intrige nicht abwenden, und zwar verzichtet sie auf den zunächst geplanten Selbstmord, aber der getäuschte Rodolfo reißt sie mit in den gemeinsamen Gift- und Liebestod, der hier ziemlich sachlich abgehandelt wird: Jeder stirbt für sich allein.

Szenenfoto

Er will sie, sie will ihn nicht: Wurm und Luisa

Loy und Zlabinger bilanzieren die Möglichkeiten, die eine unterprivilegierte junge Frau hat, und sie halten brillant in der Schwebe, ob es sich dabei um das ländliche Italien Verdis, einen deutschen Kleinstaat oder unsere Gegenwart handelt - Bühne wir Kostüme (Ursula Renzenbrink) lassen alle Sichtweisen zu. Die Personenregie balanciert zudem souverän die auch im Detail sehr genau erzählte Geschichte und eine symbolisierende Erzählweise aus. So wird Luisa im ersten Bild, bei Verdi ihr Geburtstag, vom Chor (der oft unsichtbar hinter der Bühne bleibt) mit Blumen überschüttet - was bereits am Anfang der Oper bildlich Luisas Begräbnis vorwegnimmt. In ihrer Farbigkeit bleiben die Blumen ein (betörend schöner) Farbtupfer in der ansonsten fast monochromen Szenerie; ein weiterer hervorstechender farblicher Akzent ist später das rosafarbene Kleid der Herzogin, das sie zur Außenseiterin stilisiert. Wobei die Figuren, der visuellen Strenge zum Trotz, keineswegs eindimensional schwarz-weiß angelegt sind.

Szenenfoto

Vater Miller ist frei und liest den Abschiedsbrief seiner Tochter - aber den Selbstmord wird er ihr ausreden können.

Mit weißer Bluse, Strickjacke und knielangem Rock ist diese Luisa ein adrettes Mauerblümchen, nicht ohne Selbstbewusstsein, und die junge armenische Sopranistin Mané Galoyan beglaubigt das mit anrührend mädchenhaftem, beweglichem und doch groß auftrumpfendem Sopran. Sie hebt die lyrischen und von der Melodie getragenen Momente hervor und singt die Koloraturen wie nebenbei, agiert damit auch stimmlich ganz im Sinne der Regie. Rodrigo Porras Garulo gibt einen blendend aussehenden Liebhaber Rodolfo (der seine wahre Identität operngemäß erst einmal verheimlicht) mit nicht zu hellem, strahlendem und höhensicherem Tenor, dem es vielleicht eine Spur an belcantistischer Schönheit fehlt. Gleichwohl: Mit Galoyan und Porres Darulo könnte ein neues Traumpaar der Oper heranwachsen. Dario Russo gibt den Grafen mit kühl kalkulierender Schärfe und jederzeit souverän auftrumpfendem großformatigem Bass, der von Ólafur Sigurdarson als stimmgewaltigem Vater Miller, einem kämpferisch aufgelegten Hitzkopf, sogar noch übertroffen wird. Krzysztof Bączyk legt den intriganten Sekretär Wurm vielschichtig an als in sich zerrissener Underdog, der womöglich auch noch glaubt, mit seiner Intrige Gutes für Luisa zu tun, und der am Ende glaubhaft um sie trauert. Stimmlich gestaltet er die Partie mit souveränem, eher schlankem Bariton sehr differenziert. Adriana Bastidas-Gamboa steuert eine schön klingende, aber vergleichsweise passiv agierende Herzogin Federica bei.

Szenenfoto

Vergiftet und dem Tode nahe: Rodolfo und Luisa

In Anbetracht der großen - und lauten - Stimmen erweist sich die Akustik im Kölner Staatenhaus und auch das sängerfreundliche Bühnenbild, das als Resonanzkörper den Schall verstärkt und nach vorne wirft, als nicht unproblematisch - Dirigent Roberto Rizzi Brignoli dürfte das klangprächtige Ensemble ruhig bremsen und zu niedrigeren Lautstärken animieren, so jedenfalls der Eindruck in Reihe sieben auf der nüchternen provisorischen Tribüne im langgezogenen Saal 2 des Staatenhauses, Ausweichquartier der Kölner Oper. Das gute, wenn auch im Detail nicht so pointiert wie zuletzt bei anderen Produktionen spielende Gürzenich-Orchester sitzt links von der Bühne, und es versteht sich unter dem Dirigat von Rizzi Brignoli in erster Linie als Begleiter der Sängerinnen und Sänger und füllt diese Rolle gut aus. Der Chor (Einstudierung: Rustam Samedov) singt klangschön und zuverlässig meist ebenfalls von der Seite, gelegentlich auch auf der Bühne, und dann sind auch die Tableaus szenisch mit höchster Präzision durchgestaltet - da steht eben nicht pauschal ein Chor, sondern eine Ansammlung von Individuen. Das wischt manche Opernkonvention, unter der Verdi zu leiden hatte, lässig beiseite. Ein großer Opernabend.


FAZIT

Diese einschließlich der großartigen Sängerbesetzung aus Glyndeborne übernommene Produktion fasziniert vor allem in ihrer ästhetischen Konsequenz und der genauen Personenzeichnung auch im Kölner Staatenhaus.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Roberto Rizzi Brignoli

Inszenierung
Christof Loy
Georg Zlabinger

Bühne
Johannes Leiacker

Kostüme
Ursula Renzenbrink

Licht
Olaf Winter

Chor
Rustam Samedov

Dramaturgie
Stephan Steinmetz


Statisterie der Oper Köln

Chor der Oper Köln

Gürzenich-Orchester Köln


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Il Conte di Walter
*Dario Russo /
Adam Palka

Rodolfo
Rodrigo Porras Garulo

Federica
Adriana Bastidas-Gamboa

Wurm
*Krzysztof Bączyk /
Almas Svilpa

Miller
*Ólafur Sigurdarson /
Artur Ruciński

Luisa
*Mané Galoyan /
Cristiana Oliveira

Laura
Maria Koroleva

Um compagno die Rodolfo
Namil Kim



Weitere
Informationen

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(Homepage)



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