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Lakmé

Oper in drei Akten
Libretto von Edmond Gondinet und Philippe Gille
Musik von Léo Delibes

In französischer Sprache mit französischen, niederländischen, deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 30' (zwei Pausen)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 20. September 2022

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Exotik in Postkarten-Optik

Von Thomas Molke / Fotos: © Opéra Royale de Wallonie-Liège / Jonathan Berger

Léo Delibes' Lakmé gehört zu den Opernraritäten auf den Spielplänen der Musiktheater, obwohl das Werk bei der Uraufführung 1893 an der Opéra Comique einen größeren Erfolg verbuchen konnte als beispielsweise Bizets Carmen. Dass das Stück nicht auf Dauer den Sprung ins gängige Repertoire geschafft hat, mag vor allem den Schwächen des Librettos angelastet werden, da der Titelfigur, anders als ihrem "Vorbild", Giacomo Meyerbeers L'Africaine oder Puccinis 21 Jahre später komponierten Madama Butterfly, eine dramatische Entwicklung auf dem Weg zum Selbstmord fehlt. Dass die Oper dennoch einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, verdankt sie vor allem dem in zahlreichen Werbespots präsentierten Blumen-Duett "Sous le dôme épais", in dem die Titelheldin gemeinsam mit ihrer Dienerin Mallika die Schönheit der Natur im heiligen Garten des Brahmanen Nilakantha besingt, und der virtuosen Glöckchenarie, die sich bei Koloratursopranistinnen in Wunschkonzerten großer Beliebtheit erfreut. Die Opéra Royal de Wallonie eröffnet nun die neue Spielzeit, die unter dem Motto "De différents regards" steht, mit dieser selten gespielten Oper und bezieht dabei auch Delibes' Ruhm als Ballettkomponist ein. So wird die Produktion um zahlreiche Tanzchoreographien angereichert und bringt es mit zwei Pausen auf gute drei Stunden und 30 Minuten Dauer, was bei einem Theaterbesuch mitten in der Woche, der erst um 20 Uhr beginnt, schon eine gewisse Herausforderung darstellt.

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Lakmé (Jodie Devos, links) und Mallika (Marion Lebègue) beim Blumen-Duett

Die Handlung basiert auf dem ein Jahr zuvor entstandenen Roman Le mariage de Loti von Pierre Loti und spielt zur Zeit der britischen Besatzung Indiens. Der Brahmanenpriester Nilakantha, ein Mitglied der obersten Kaste der Hindus in Indien, übt heimlich seine von den Engländern verbotene Religion aus und erzieht seine Tochter Lakmé abgeschirmt von der Außenwelt im Hass auf die englischen Kolonialherren. In dem Garten des Tempels trifft Lakmé allerdings auf den englischen Offizier Gérald, der während Nilakanthas Abwesenheit heimlich mit seinem Kollegen Frédéric, seiner Verlobten Ellen, deren Cousine Rose und der Gouvernante Mistress Bentson in das Heiligtum eindringt und sofort in leidenschaftlicher Liebe zu Lakmé entbrennt. Nilakantha spürt die Veränderung seiner Tochter und bemerkt, dass ein Fremder sein heiliges Refugium entweiht hat. Gemeinsam mit Lakmé begibt er sich als Bettler auf den Marktplatz und zwingt seine Tochter, dort zu singen, weil er hofft, dass sich der unbekannte Fremde beim Gesang Lakmés zu erkennen gibt. Tatsächlich kann er Gérald ausfindig machen und versucht, ihn bei der folgenden Prozession zu töten. Lakmé jedoch gelingt es, den Geliebten zu retten und in einer versteckten Bambushütte gesund zu pflegen. Als sie gemeinsam mit ihm Wasser von der heiligen Quelle trinken will, um ihn vor der Rache ihres Vaters zu schützen, muss sie erkennen, dass Gérald seine Soldatenehre und seine Verlobte Ellen für Lakmé nicht aufgeben wird. Folglich nimmt sie heimlich Gift, bevor sie mit Gérald von der heiligen Quelle trinkt, und stirbt, während Gérald mit schlechtem Gewissen zu seinen Gefährten zurückkehrt und Nilakantha den Eingang seiner Tochter ins Paradies preist.

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Die Engländer (von links: Ellen (Julie Mossay), Frédéric (Pierre Doyen), Rose (Caroline de Mahieu), Gérald (Philippe Talbot) und Mistress Bentson (Sarah Laulan)) dringen in den Garten des Tempels ein.

Das Regie-Team um Davide Garattini Raimondi belässt die Handlung in der Zeit, in der die Geschichte spielt, was sich vor allem in den opulenten Bühnenbildern von Paolo Vitale und den historisierenden Kostümen von Giada Masi äußert. Als "Bindeglied" fügt Garattini Raimondi Mahatma Gandhi (Rudy Goddin) als stummen Beobachter ein, der aus der Geschichte gewissermaßen die Motivation für seine späteren Lehren zieht. Dabei wird seine Rolle gedoppelt. Als kleiner Junge bewegt er sich zwischen den Figuren des Stückes und erlebt die Unterdrückung der Inder durch die englischen Besatzer und die unglückliche Liebe zwischen Lakmé und Gérald, was ihn quasi veranlasst, seine Vorstellungen über gewaltfreien Widerstand umzusetzen. Wieso er als Beobachter an einem Rad sitzt, das er während des ersten Aktes zurückdreht, erschließt sich nicht wirklich. Soll es sich hierbei um das Rad der Zeit handeln, mit dem Gandhi in seine eigene Vergangenheit eintaucht? Über der Bühne erscheinen jedenfalls währenddessen immer wieder berühmte Sprüche von Gandhi, die seine Ideen untermauern. Beim Ballett im zweiten Akt greift er auch direkt ins Stück ein und scheint die Tänzer zu einem gewaltfreien Widerstand gegen die Besatzer anzustacheln. Die Tänzer befinden sich zunächst hinter einer britischen Flagge als schemenhafte Gestalten und gewinnen erst im Laufe des Tanzes klarere Konturen, die betonen, wie sie sich allmählich von der Vormachtstellung der Kolonialherren befreien. Im dritten Akt hingegen taucht Gandhi nur ein einziges Mal kurz auf und verschwindet sofort wieder, um die Szene ganz Lakmé und Gérald zu überlassen.

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Nilakantha (Lionel Lhote, Mitte) zwingt seine Tochter Lakmé (Jodie Devos, Mitte), auf dem Markt zu singen (vorne rechts neben dem Chor: Gandhi (Rudy Goddin)).

Dass der Abend mit zwei Pausen gespielt wird, mag wohl vor allem dem aufwändigen Bühnenbild geschuldet sein, das zwischen den Akten jeweils einen größeren Umbau erfordert. Der erste Akt lässt in eine exotische Traumwelt Indiens eintauchen und hat mit den wunderbaren Bildern eine gewisse Postkarten-Optik. Hier fühlt man sich in eine ganz andere Welt versetzt, in die die englischen Besatzer einfach nicht hineinpassen. Die zwei Tanzeinlagen, die Barbara Palumbo für den ersten Akt choreographiert, zeigen einmal in zarten Bildern die Welt Lakmés, die im Garten des Tempels in einer sicheren Abgeschiedenheit lebt, was durch das berühmte Blumen-Duett noch unterstrichen wird. Als Gérald in diese Welt eindringt, kommt etwas Bedrohliches in diese "heile Welt", was durch die dunklen Tänzer, die seinen Auftritt begleiten, eindrucksvoll zum Ausdruck gebracht wird. Der zweite Akt zeigt dann einen belebten Marktplatz mit zahlreichen Händlerinnen und Händlern, die aufdringlich ihre Waren anpreisen. Hier lässt Garattini Raimondi die Inder in einem nicht sehr sympathischen Licht erscheinen, da sie beispielsweise die völlig überforderte Gouvernante Mistress Bentson bestehlen und verhindern, dass sie den Dieb fassen kann. Auch das Attentat auf Gérald wird von Nilakantha mit kalter Berechnung verübt.

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Liebe ohne Chance: Lakmé (Jodie Devos) und Gérald (Philippe Talbot, auf dem Boden liegend) mit Nilakantha (Lionel Lhote, rechts)

Der dritte Akt spielt dann nicht in einer entlegenen Bambushütte sondern in einer Art englischem Clubhaus. Nur die grünen Wände und das grüne Mobiliar deuten in der Farbe die freie Natur an, die sich die Besatzer untertan gemacht haben. So hängt an der einen Wand ein riesiges Krokodil, an einer anderen Wand der Kopf eines Elefanten und in der Mitte ein großes Porträt von Queen Victoria. Dieses Ambiente macht deutlich, dass es für Lakmé und Gérald kein glückliches Ende geben kann. Eigentlich hat Lakmé den verwundeten Geliebten nicht in ihr kleines Refugium gebracht, sondern sich an einen Ort begeben, wo sie mit ihrer Kultur nicht bestehen kann. Das erkennt sie dann auch relativ schnell und beschließt, ihrem Leben ein Ende zu setzen.

Gesungen wird auf gutem Niveau. Jodie Devos, die in Liège zuletzt als Philine in Ambroise Thomas' Mignon glänzte, begeistert auch als Lakmé mit sauber gesetzten Koloraturen und farbigem Sopran. Ein Glanzpunkt ist die koloratur-gespickte Glöckchen-Arie im zweiten Akt, in der Lakmé auf dem Marktplatz die Legende von der Tochter des Parias besingt, die mit einer Zauberglocke einen geliebten Fremden vor den wilden Tieren beschützt. Mit grandioser Akkuratesse setzt sie die einzelnen Koloraturen an, ohne dabei zu forcieren oder die Töne zu verschleifen und punktet in den Höhen mit scheinbarer Leichtigkeit. Mit großen lyrischen Bögen begeistert sie beim Blumen-Duett und findet mit dem warmem Mezzosopran von Marion Lebègue als Mallika zu einer bewegenden Innigkeit. Philippe Talbot verfügt als Gérald über einen weichen, lyrischen Tenor, der im Zusammenspiel mit Devos im Liebesduett glänzt und auch bei seiner großen Arie im dritten Akt mit strahlenden Höhen punktet. Lionel Lhote ist als Priester Nilakantha eine sichere Bank und überzeugt mit dunklem Bass. Auch die kleineren Rollen sind in Liège gut besetzt. Zu nennen ist hier vor allem Pierre Doyen als Géralds Gefährte Frédéric, der mit kraftvollem Bariton auftrumpft. Der von Denis Segond einstudierte Chor überzeugt durch homogenen Klang und lebhaftes Spiel. Frédéric Chaslin führt das Orchester der Opéra Royal de Wallonie mit leichter Hand durch die magischen Melodienbögen und lässt das Publikum auch musikalisch in eine fernöstliche Fantasiewelt eintauchen. So gibt es für alle Beteiligten begeisterten Applaus.

FAZIT

Die Produktion zeigt, dass Delibes' Oper zu Unrecht auf den Spielplänen vernachlässigt wird und auch als Ganzes mehr zu bieten hat als das Blumen-Duett und die Glöckchen-Arie. Allerdings hätte man mit dem Opernabend ein bisschen früher beginnen sollen, zumindest wenn an einem gewöhnlichen Wochentag gespielt wird.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Frédéric Chaslin

Inszenierung
Davide Farattini Raimondi

Bühnenbild und Licht
Paolo Vitale

Kostüme
Giada Masi

Choreographie
Barbara Palumbo

Chorleitung
Denis Segond

 

Orchester und Chor
der Opéra Royal de Wallonie-Liège


Solisten

Lakmé
Jodie Devos

Gérald
Philippe Talbot

Nilakantha
Lionel Lhote

Frédéric
Pierre Doyen

Mallika
Marion Lebègue

Ellen
Julie Mossay

Rose
Caroline de Mahieu

Mistress Bentson
Sarah Laulan

Hadji
Pierre Romainville

Un Kouravar
Benoît Delvaux

Un Chinois
Xavier Petithan

Un Domben
Benoît Scheuren

Gandhi (comédien)
Rudy Goddin

Tänzerinnen und Tänzer
Alessandra Bareggi
Maud Brambach
Flory Curescu
Rachele Montis
Valentin Quitman
Gonzalo T. Rojas Hoffens
Ilario Russo
Lorenzo Valtolina

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



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