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Heinrich Heine Von Frank Becker Es
ist, unter dem Getöse des Mozart-Jahres fast vergessen, dieses Jahr
2006 ja schließlich auch ein Heine-Jahr, begehen wir doch den 150.
Todestag dieses großen deutschen Dichters, vielleicht (ohne jeden
Gedanken an Ironie - denn das wäre sein Ding gewesen) des deutschesten
überhaupt, auf jeden Fall aber eines der größten, die wir je hatten.
Vor exakt 40 Jahren, zu einer Zeit, als im gesellschaftlichen Umbruch Kultur als wertvolles Gut
behandelt und vom humanistischen Muff befreit wurde, veröffentlichte das Plattenlabel Philips in
Zusammenarbeit mit der damals Meinung machenden Monatszeitschrift
"twen" eine Langspielplatte, die in der damals neuen Kombination "Lyrik
+ Jazz" die wieder entdeckten und neu gewürdigten Texte Heinrich Heines
über zeitgenössischen Jazz einem jungen Publikum vermittelte. Niemand
anders als Gert Westphal kam als Sprecher in Frage. Er war die markante Stimme
der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seine Rundfunksendungen,
Plattenaufnahmen und Hörbücher sind Legion und Legende.
Lyrik-Anthologien, Hesses "Der Steppenwolf" und vieles andere mehr -
Westphal sprach sie,
und kein anderer hätte es besser tun können. Ich erinnere mich
noch an meine ersten Begegnungen mit Gedichten Heines, die ich als Schüler "ganz
nett" fand, aber ihnen als junger Spund nicht abgewinnen konnte, was
sie tatsächlich enthielten. Westphal änderte das signifikant. In kongenialer
Gemeinsamkeit mit den Musikern des Attila Zoller Quartetts
machte er Heine zum satirischen Zeitgenossen einer Generation, die begeistert und
begierig jeden Monat "pardon!" las - viele der Botschaften des ersten
deutschen Satire-Magazins hatte Heine ja schon 120 Jahre zuvor brillant
formuliert. Die Überraschung war perfekt. Die Protagonisten der Neuen
Frankfurter Schule waren Heine-Epigonen! Aber
zu der Neuveröffentlichung des wegweisenden Albums. In der
Jazz-historischen Rückschau zergeht die Besetzung auf der Zunge: Emil
Mangelsdorff an den Reeds, dazu Drummer Peter Weiss (damals ein
Newcomer) - Gitarrist Attila Zoller und Bassist Peter Trunk leben nicht
mehr, doch was
sie hinterließen, gehört zum Tafelsilber des deutschen Jazz. Zoller
schrieb die überwiegende Zahl der eingängigen Stücke zur Untermalung
der Heine-Texte und arrangierte einige andere, u.a. Volkslieder,
Traditionals, Brahms und Cole Porter. Weiss und Trunk trugen je ein
Stück bei. Gert
Westphal, DIE Stimme im deutschsprachigen Rundfunk der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts, 2002 gestorben und in Zürich neben Thomas Mann,
dessen Werke er ebenfalls genial interpretiert hat, beigesetzt,
war wie kein zweiter in der Lage, Literatur so zu vermitteln, daß sie
auch gehört wurde. Seine hinreißende Interpretation
Heine´scher Gedichte und Prosa vor der Jazz-Tapete, die das Attila
Zoller Quartett aufspannt, ist unerreicht. Verdienstvoll
deshalb diese Neuausgabe auf CD. Zur begleitenden Lektüre sind natürlich Heines Werke empfohlen, zumal die Fundstellen im Booklet genannt werden. Auch die Aufzeichnungen Heines über sein Leben, die soeben bei Eichborn Berlin
unter dem Titel "Memoiren" mit den köstlichen Illustrationen des Karikaturisten und Jazzmusikers Volker
Kriegel (1943 - 2003) - der übrigens auch in verschiedenen Formationen
mit den Musikern des Attila Zoller Quartetts gespielt hat - erschienen
sind, passen in den Kontext. Heine hatte sie im Jahr vor seinem Tod auf
dem Krankenlager aufgezeichnet.
Wie
schön, witzig, treffsicher und bis heute gültig doch seine Worte sind,
empfindet man beim Wieder-Hören umso mehr durch die großartige
Interpretation Gert Westphals und des Attila Zoller Quartetts. Die Welt
ist so schlecht und so simpel geblieben wie zu Heines und später
Tucholskys Zeit. Man sollte sie
im Auge behalten.
Daß Westphal, Zoller, Trunk und Kriegel wie Heine und Tucholsky im Ausland starben, mag dem Zufall geschuldet und hier nur angemerkt sein. Vielleicht gibt es ja im Sog dieser gelungenen Neuveröffentlichung auch Re-Issues der Gottfried Benn-, Joachim Ringelnatz- und Erich Kästner-Alben, die damals mit Jazz dem geneigten Publikum das Genre Lyrik näher brachte, als es Schullehrer je geschafft hätten. Ihre
Meinung |
Heinrich Heine Attila Zoller - Gitarre Emil Mangelsdorff - Flöte, Altsaxophon, Klarinette Peter Trunk - Bass Klaus Weiss - Schlagzeug Stella Banks - Gesang (7) Ursprünglich produziert von Philips/twen 1966 © + (P) 2006 Universal Music Classics & Jazz 1. Aphrodite 3:39 Heine: Rückschau, Doktrin, Aber ach! Jeder Zoll 2. Protestology 3:07 Heine: Dabei muß ich ihnen auch gestehen 3. Es sungen drei Engel 2:58 Heine: Im traurigen Monat November war´s 4. In stiller Nacht 1:32 Heine: Nachtgedanken 5. Mister Heine´s Blues 2:56 Heine: Wie sehnt ich mich oft, Ja, daß es uns früher so schrecklich ging 6. Heinin´ The Message 2:25 Heine: Verheißung, Anno 1839 7. Glory Glory Hallelujah 0:50 Heine: Dieses ist Amerika 8. Nobody Knows The Trouble I´ve Seen 3:53 Heine: Das Sklavenschiff 9. Hedwigs Lied 2:22 Heine: Ich hatte einst ein schönes Vaterland, Ich hab im Traum geweinet 10. Ullas Erinnerung 3:38 Heine: Ein Jüngling liebt ein Mädchen, Clarisse, Mit dummen Mädchen, Die kleine Harfenistin, Die Welt ist dumm 11. The Sweet Hustler 2:14 Heine: Ein Weib, Das macht die Menschen glücklich 12. What Is This Thing Called Love 2:38 Heine: Was aber die Liebe ist..., Nimmer glaub ich 13. Donna Clara 4:29 Heine: Donna Clara 14. Weiß mir ein Blümlein blaue 2:27 Heine: Wen ich an deinem Hause, Wenn ich beseligt von schönen Küssen, Aus meinen großen Schmerzen 15. Mr. Beethoven´s Blues 1:40 Heine: Die alten, bösen Lieder 16. Theatre Waltz 2:07 Heine: Sie erlischt, Wo? Total Time: 57:05
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