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Astor Piazzolla:
Variations on Buenos Aires


Konzertanter Tango zum 100. Geburtstag von Astor Piazzolla

Von Johannes Vesper

Isabelle van Keulen hatte bereits 1996 das Kammermusikfestival in Delft gegründet, bevor sie sich seit 2011 mit ihrem eigenen Ensemble der Musik Astor Piazzollas widmet. Als internationale Geigerin und Bratschistin spielte sie u.a. mit den Berliner Philharmonikern, dem Gewandhausorchester, dem Philharmonia Orchester London, um nur einige zu nennen, und leitet seit 2019 als Konzertmeisterin die Deutsche Kammerakademie Neuss. Musikalisch also sehr gut ausgewiesen, spielt sie jetzt auf dem vorliegenden neuen Album mit beiden Ensembles Werke von Astor Piazzolla (1921-1992) ein, dessen 100. Geburtstag im vergangenen Jahr gefeiert wurde (erschienen ist die CD freilich erst ein wenig verspätet im Januar 2022). Er hatte ja durch die Begegnung mit Nadja Boulanger zu seiner Bestimmung als Komponist gefunden, den argentinischen Tango aus den Hafenkneipen und Bordellen herausgeholt und zur Konzertmusik entwickelt. Sein Tango nuovo ist die Mischung klassischen Tangos mit Jazz und zeitgenössischer Musik (wie z.B. Ravel, Strawinsky). Dabei blieb in seiner Musik der Charakter dieses erotischen Tanzes durchaus erhalten.

"Der Tango ist ein trauriger Gedanke", den man beim Hören dieser CD kaum tanzen, aber bestens genießen kann. Die jetzt für diese Besetzung notwendigen Bearbeitungen hat der Bandeonist Christian Gerber vorgenommen, dabei nicht nur Piazzola adaptiert, sondern stellenweise auch Stimmen hinzu geschrieben. So erhielt z.B. das berühmte Oblivion hier eine Einleitung für Bandoneon Solo. Und Adiós Nonino, übersetzt "adieu Väterchen", wurde sehr bekannt, weil das Stück auf der Hochzeit von Willem Alexander und Maxima Zorreguita 2002 gespielt wurde, womit die Argentinierin wohl ihren von der Hochzeit ausgeschlossenen Papa grüßen wollte. Der Komponist hatte das Stück übrigens ursprünglich zum Tode des eigenen Vaters komponiert.

Die CD beginnt (Tangazo) im pp mit unbestimmt aus der Tiefe aufsteigendem Kontrabass-Solo, bevor sich höhere Streicher geheimnisvoll dazu melden. Dann aber - nach Bandoneon- und Klavierarpeggio- kratzen überraschend und virtuos die Geigen jenseits des Stegs los und flotte Glissandi kreischen. Off Beat und Synkopen bringen Schwung, bevor sich unter der Führung der Sologeige und des Bandoneons Melancholie durchsetzt. Zuletzt fetzen alle dem Ende entgegen. Beim virtuosen Tres minutos con la realidad erfordern die rhythmischen Verschiebungen volle Konzentration der Streicher wie Zuhörer. Das Tango-Quartett spielt hier nicht mit. In La Camorra spielt das Bandoneon seine rhythmische Dominanz aus und Tango zuckt in den Beinen. Dann kommt es aber zu stillerem Zwiegespräch mit der Violine, bevor rhythmische Dissonanzen unter Führung des Klaviers dem Zuhörer ins Ohr geschleudert werden. Die Besetzung des hier musizierenden Ensembles, größer als die der Orchestra tipica, die den Tango seit 1915 in Argentinien und Uruguay spielten, bietet differenzierten Klang und mitreißendes Temperament. In der Suite Silfo y Ondina (Soledad, Fugata, Tangata) ist bei zunächst ruhiger, anrührender, fast stiller Melodik, dann bei flotter Fuge Tango in seiner tänzerischen Form kaum mehr identifizierbar, hat eher den Drive der Musik von J.S. Bach, der von Piazzola hoch verehrt wurde.

Allen Stimmungen dieser herrlichen Musik subtil wie temperamentvoll nachspürend, bietet die Aufnahme reines Vergnügen.

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Cover

Astor Piazzola
Variations on Buenos Aires
Bearbeitungen für Ensemble &
Orchester von Christian Gerber

Isabelle van Keulen Ensemble
Deutsche Kammerakademie Neuss


1. Tangazo (13 :31)
2. Tres Minutos con la Realidad (03 :03)
3. Oblivion (05 :11)
4. La Camorra (09 :35)
5. Homenaje a Córdoba (07:07)
6. Adiós Nonino (08:48)
7. Soledad (08:02)
8. Fugata (03:40)
9. Tangata (08:41)

Gesamtspielzeit: 60:70


Berlin Classics 10810330






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