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Die Rheinoper gewährt erste Einblicke in die Konzeption des neuen Ring des NibelungenVorsicht vor hübschen Bürgerstöchtern!von Stefan Schmöe, Fotos von Susanne DiesnerEin wenig ließ sich das Regie-Team des neuen Ring des Nibelungen vorab in die Karten schauen. Zur Einstimmung auf die Premiere des Rheingolds, des Vorabends zur Tetralogie, waren Pressevertreter geladen, sich im Probensaal schon einmal den Raub des Goldes anzusehen. Es handelt sich offenbar um ein Strafdelikt in bürgerlichen Kreisen: Am Salontischchen sitzen die drei bildhübschen Rheintöchter (Anke Krabbe, Maria Kataeva, Ramona Zaharia) in wunderbaren Kleidern (Kostüme: Renate Schmitzer), deren Detailreichtum, Schicksal jeden Bühnenkostüms, ab Reihe drei leider kaum noch zu erkennen sein wird. Adrette Bürgertöchter, wenn auch mit mehr als nur einer Spur Sex-Appeal wie von Bardamen des Wilden Westens - jeder Zuschauer müsste die Möglichkeit haben, das aus nächster Nähe zu bestaunen. Aber bitte nur anschauen: Auch Anzugträger Alberich (Michael Kraus) kann bei den Damen trotz aller Eleganz nichts ausrichten.
Regisseur Dietrich Hilsdorf, Bühnenbildner Dieter Richter und Kostümbildnerin Renate Schmitzer vertreten ganz offensichtlich die Auffassung, dass das Rheingold mehr über die Befindlichkeit des deutschen Bürgertums Mitte des 19. Jahrhunderts aussagt denn über germanische Götterwelten und deren Nachwirkung. Wobei das Regieteam mehrfach die übermächtigen Schatten der Rezeptionsgeschichte hervorhob, denen man irgendwie entkommen müsse: Kaum habe man eine schöne Idee, da warne auch schon ein kundiger Dramaturg oder Regieassistent "das gab's doch schon bei Claus Guth", so Hilsdorf. Von der Idee, den ultimativen Ring zu entwerfen, müsse man sich einfach verabschieden. Inspiration für die Konzeption dieses Rheingolds hat man sich schließlich ausgerechnet im von Wagner misstrauisch beäugten Frankreich geholt, und das bei Henri Toulouse-Lautrec und Max Ernst und deren nicht eben wagnerianischen Blick auf die Verfasstheit des Bürgertums, aber auch bei den Romanen Emile Zolas.
Ein "bürgerlicher" Ring wie 1976 in Bayreuth, von Patrice Chereau inszeniert? Der frankophile Ansatz wie auch das Bühnenbild für das Rheingold, offenbar das Innere einer Villa aus dem 19. Jahrhundert, deuten zumindest auf eine gedankliche Nähe hin. Wohin die Reise in den folgenden Teilen gehen wird, wollte Hilsdorf nicht sagen, steht vielleicht auch noch nicht in letzter Konsequenz fest. Die Walküre hat er ja schon am Essener Aalto-Theater inszeniert (unsere Rezension), als von Ibsen inspirierte bürgerliche Familientragödie - ganz anders, so Bühnenbildner Dieter Richter, werde das Konzept für die Rheinoper wohl nicht werden. Um den Siegfried macht sich Hilsdorf schon gar keine Sorgen: "Alles nur Zwei-Personen-Szenen, das kann ich, schließlich komme ich vom Schauspiel." Wie es denn endgültig ausgeht nach dem Weltenbrand, wie alles endet, das wird man am späten Abend des 27. Oktober 2018 wissen, wenn die Premiere der Götterdämmerung vorüber ist. (Juni 2017)
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