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Anne Linsel:
Pina Bausch - Bilder eines Lebens Bitte nicht am Denkmal kratzenVon Stefan SchmöeAuf einem der ersten Bilder dieses Bandes posiert Pina Bausch im Alter von vielleicht sechs Jahren. An einem Pult sitzend ist der Kopf seitlich zum Fotografen gewendet, der Blick selbstbewusst, ja kess. Die leicht nach unten versetzte Position der Kamera unterstreicht durch die Wahl dieser aufschauenden Perspektive die Wichtigkeit der hier abgebildeten Person. Das dem Privatarchiv Pina Bauschs entnommene Bild, dessen Fotograf nicht genannt und womöglich auch unbekannt ist, gehört zu den interessantesten in Anne Linsels eher kleinformatigem Band Pina Bausch Bilder eines Lebens. Bilder aus der Jugend wenn es denn welche gibt haben ansonsten keinen Eingang gefunden, erst die Studienjahre sind dokumentiert nicht nur durch Bilder bei Proben oder Aufführungen, sondern auch durch drei extravagante Portraits von Walter Vogel. Später dominieren Aufnahmen bei Proben, Preisverleihungen. Ein Privatleben Pina Bauschs scheint es, diesen Bildern nach zu urteilen, nicht gegeben zu haben: Ein Leben im und für das Tanztheater, wobei Pina Bausch immer stärker zur Ikone ihrer selbst wird. Die extrem dünne, ja hagere Erscheinung, die offenbar weitgehend unvermeidliche Zigarette, mehr und mehr das Alter (mit dem die Choreographin fast zu kokettieren scheint), immer dieser abgeklärte Blick und das milde Lächeln. Zugegeben: Es sind wunderschöne Bilder von einer auf ihre Weise sehr schönen Frau. Die Auswahl und Anordnung versucht dabei nicht, neue Facetten aufzuzeigen, sondern konserviert und unterstreicht das vorherrschende Pina-Bausch-Bild. Bilder eines Lebens könnte man natürlich auch metaphorisch auffassen und auf den umfangreichen Textteil beziehen, zumal die Wuppertaler Journalistin und Dokumentarfilmerin Anne Linsel als gute Kennerin des Wuppertaler Tanztheaters und dessen 2009 verstorbenen Erfinderin gilt. Tatsächlich aber basiert der Text in weiten Teilen ganz wesentlich auf Pina Bauschs Rede anlässlich der Verleihung des Kyoto-Preises 2007 (zuletzt in Ursula Kaufmanns Bildband im Original abgedruckt unsere Rezension). Dass die Autorin auf jegliche Quellenangabe verzichtet, mag man als unschönes Detail am Rande abtun (schließlich handelt es sich nicht um eine Dissertation); gewichtiger ist, dass Pina Bauschs sehr persönlicher, anekdotisch strukturierter Text von Anne Linsel zerpflückt wird in direkte und indirekte Rede und vermeintliche Kommentare, um ein paar Nebenbemerkungen ergänzt, und solchermaßen aufgebläht doch einiges an Charme verliert. Ein Beispiel: Während des Studiums bekam Pina Bausch starke Rückenschmerzen und den ärztlichen Rat, mit dem Tanzen aufzuhören. In der Kyoto-Rede heißt es dazu lapidar: Was sollte ich tun? Ich entschied, ich tanze weiter, auch wenn es nur für ein halbes Jahr sein sollte. Bei Anne Linsel klingt das so: Da fand sie in vielen schlaflosen Nächten endlich Antwort auf die quälende Frage: Ich muss tanzen' Und wenn es nur für ein halbes Jahr sei. Neues erfährt man da kaum, und selbst andere Quellen, die Anne Linsel natürlich kennt, werden wenig genutzt etwa die beiden Buchveröffentlichungen von Josephine Ann Endicott, langjährige Solo-Tänzerin und Assistentin Pina Bauschs, die ein durchaus ambivalentes Bild der alles für die künstlerischen Ziele vereinnahmenden Choreographin zeichnen. Einen reflektierenden, gar kritischen Blick (der doch dringend überfällig wäre) wagt Anne Linsel aber nicht. Statt dessen schiebt sie nicht nur inhaltlich arg dünne Kapitelchen über den Bühnenbildner Peter Pabst und Kostümbildnerin Marion Cito ein letzteres gerade einmal eineinhalb Textseiten kurz. Und selbst da flüchtet sich der Text in Plattitüden: Sie [Marion Cito, Red.] weiß: Kostüme stehen nicht für sich allein, sondern sind Teil eines Ganzen, Teil einer Inszenierung. So ist das Buch weder fundierte Biographie noch reflektierende Darstellung des Tanztheaters, sondern kommt über eine Anekdotensammlung nicht hinaus. Da hält man sich dann doch besser an das Bildmaterial.
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