Feuilleton | |
Ursula Kaufmann
Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal Bewegende MomentaufnahmenVon Stefan SchmöeDieses Buch ist eine wunderbare Hommage an Pina Bausch und das Tanztheater Wuppertal. Allein das große Format 30cm x 40 cm und die in glänzendes Silber getauchten Seitenrücken signalisieren, dass es sich hier um etwas Besonderes handeln soll. Und doch ist es ganz passend und nicht ohne eine feine Ironie, dass der Einband aus Pappe ist und auf Hochglanzpapier verzichtet wurde. Das opulente Werk möchte ein edler Kunstbildband und gleichzeitig doch nicht, und das ist seinem Gegenstand ja sehr angemessen, schließlich stand die um unmittelbare Wahrheit der Ängste und Gefühle ringende Ästhetik Pina Bauschs seit je im Widerspruch zum verklärenden Schönheitsideal des klassischen Balletts. Vielleicht ist damit bereits zu viel in das originelle Layout hinein interpretiert, aber auch das wäre ja ähnlich wie bei Bauschs nie eindeutigen, vielschichtigen, assoziationsreichen Tanztheater. Wie dem auch sei: Es ist kein Buch, das man nebenbei in die Hand nimmt, sondern eines für den Lehnstuhl. Mit einer gewissen Feierlichkeit zu genießen. Ursula Kaufmann, eine der profiliertesten Theaterfotografen, hat seit den 80er-Jahren die Stücke Pina Bauschs begleitet (dieses ist ihre vierte Buchveröffentlichung zum Tanztheater Wuppertal, hinzu kommen etliche Bildkalender) und kann aus einem entsprechend umfangreichen Archiv schöpfen (dass bei den ansonsten unauffällig, aber hinreichend genau beschrifteten Bildern das Jahr der Aufnahme und damit auch das Jahr der entsprechenden Aufführung fehlt, ist wohl schon der größte Schwachpunkt des Bandes). Somit ist hier abgesehen von den frühen Stücken, die nicht den Weg in das Repertoire des Wuppertaler Tanztheaters gefunden haben - das Gesamtwerk gut dokumentiert. Anders als etwa im 1996 erschienenen Bildband von Norbert Servos pina bausch wuppertaler tanztheater oder die kunst, einen goldfisch zu dressieren gibt es keine textlichen Erläuterungen zu den einzelnen Stücken. Stattdessen zieht sich in mehreren Kapiteln ein ausführlicher Essay der Journalistin Gudrun Norbisrath durch das Buch, in dem sehr sensibel und mit leiser Melancholie eine treffende Charakterzeichnung des Phänomens Pina Bausch gelingt. Die im Nachspann abgedruckten Reden anlässlich verschiedener Preisverleihungen wirken im Vergleich dazu arg hölzern und routiniert (im Falle von Jürgen Flimm sogar recht selbstgefällig). Geradezu anrührend dagegen die Rede von Pina Bausch selbst, mit der sich die Choreographin 2007 für den Kyoto-Preis bedankte, und in der sie ganz unprätentiös und ohne einen Hauch von Belehrung über die eigene Biographie spricht und man in ihrem Tonfall den Widerhall ihrer Stücke zu erkennen meint mit diesem schönen Text wird das Buch eingeleitet. In erster Linie aber ist dies natürlich ein Bildband, und solche Bildbände erzählen naturgemäß nicht nur über ihren Gegenstand, sondern auch über den Fotografen. Die vergleichsweise grobe Rasterung und leichte Unschärfe findet man hier wie bei fast allen Fotografen das mag ursächlich an den Bedingungen von Theaterfotografie liegen, schafft aber eine zurückhaltende Distanz, die vor Voyeurismus schützt. Spektakuläre und hochgradig fotogene Momente gibt es in den Stücken Pina Bauschs ja in Hülle und Fülle; Ursula Kaufmann trifft den Grat, solche Situationen treffend einzufangen, aber ein falsches Pathos zu vermeiden. Die Bilder schieben beinahe demütig den Akzent weg vom Fotografen und hin zum Gegenstand. Die Bilder zeigen meistens die direkte Aufsicht, oft ganz leicht von unten zu den Tänzerinnen und Tänzern aufschauend eben die Perspektive des Zuschauers im (vorderen) Parkett. Es geht Ursula Kaufmann nicht um den sensationellsten Blickwinkel, den überraschendsten Moment, sondern viel mehr um die normalen Szenen, in denen sich die spezifische Stimmung eines Tanzabends verdichtet. Ihr am Ende des Buchs formulierter Wunsch, der Betrachter möge wieder im Stück sein oder Interesse bekommen, es unbedingt sehen zu wollen, erfüllt sich unbedingt.
Ihre
Meinung |
Weitere
Informationen unter: |
- Fine -