Feuilleton | |
Bettina Stöß (Fotografien) / Klaus Kieser (Texte)
Ballett heute Die Schönheit des AugenblicksVon Stefan SchmöeDie Kunst guter Theaterfotografie besteht darin, in einer Momentaufnahme die Stimmung einer Szene, im Idealfall sogar eines ganzen Stückes einzufangen. Bei Tanztheater oder Ballett kommt hinzu, im Bild die eingefrorene Bewegung festzuhalten und gleichzeitig die Dynamik des Augenblicks deutlich zu machen. Bettina Stöß gehört zu den herausragenden Fotografen, denen das regelmäßig gelingt, und allein deshalb ist dieser Bildband ein Glücksfall. Bettina Stöß hat ein phänomenales Gespür für den richtigen Moment, in dem sich die Choreographie zu verdichten scheint. Das ist oft natürlich die Figur oder der Sprung als Höhepunkt der Bewegung, genauso aber Momente der Ruhe (ganz wunderbar die kunstvoll arrangierte Langeweile in Christian Spucks Leonce und Lena) und des Innehaltens (wie in einer von hinten aufgenommen Ensembleszene aus Schwanensee.) Ganz entscheidend ist fast immer der Gesichtsausdruck und die Blickrichtung (welcher Unterschied zwischen Daria Sukhorukovas entspannter Miene beim klassisch-entschebenden Dornröschen-Sprung zur hochkonzentrierten Strenge von Julie Thirault und Bogdan Nicula in van Manens Compositie. Dazu kommt der Sinn für Farben (unmittelbar auf Neumeiers elegant pastellfarbene Kameliendame folgt Pina Bauschs dunkel erdenschweres Sacre du Printemps), und es ist eben nicht einfach nur abfotografierte Ausstattung, sondern ein greifbarer Gestaltungswille. Da ist auch der genaue Blick darauf, welche Requisiten ins Bild gehören und welchen Stellenwert sie einnehmen (wie der riesige leere Bilderrrahmen in Crankos Onegin, der der Aufnahme die Struktur gibt, oder die beiläufig an den Rand und in den Bereich der Unschärfe gerückte Rose im schon genannten Leonce und Lena. Der sehr schön aufgemachte Bildband, der in der Zusammenstellung der Aufnahmen ebenso überzeugt wie in der Wahl der Bildformate und elegant und unaufdringlich daher kommt, macht es möglich, die Aufnahmen jenseits ihres üblichen Gebrauchswerts als Bebilderung oder Ergänzung einer Rezension zu betrachten, und das lohnt unbedingt. Aber auch den durchaus selbstbewussten Titel Ballett heute darf dieses Buch mit einigem Recht tragen: Bettina Stöß hat an so vielen Häusern fotografiert, dass die hier vorliegende Auswahl an Stücken einen ordentlichen Überblick darüber gibt, was und wie an wichtigen deutschen Bühnen getanzt wird. Das Spektrum reicht von den Klassikern des Genres wie Nussknacker oder Romeo und Julia über George Balanchine, Hans van Manen, Pina Bausch, Martin Schläpfer bis zu Marko Goecke und Xin Peng Wang. Jedem der fotografierten Stücke sind etwas 6-7 Seiten gewidmet. Klaus Kieser, als Autor von Reclams Ballettführer erwiesenermaßen exzellenter Ballett-Kenner, hat dazu jeweils eine knappe, aber informative Werkeinführung verfasst, die bei Handlungsballetten den Inhalt, immer auch den Stil der Choreographie umreißt das wendet sich an das breite Publikum, ist immer gut lesbar und nie didaktisch und ergänzt die Bilder hervorragend. Naturgemäß wird sich mancher Leser eine mitunter andere Auswahl wünschen oder das eine oder andere vermissen. Dass die "freie Szene" überhaupt keine Erwähnung findet, ist eine andere Sache; hier geht es um das Etablierte. Die Auswahl ist plausibel und vielseitig. Ihren Anspruch formulieren Bettina Stöß und Klaus Kieser im Vorwort: Insgesamt wird ein Ausschnitt heutigen Bühnentanzes gezeigt, der Lust machen soll, sich intensiver mit der Kunst des Tanzes zu befassen. Diesen Anspruch erfüllen sie aufs Schönste.
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