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Reinhard Amon
Lexikon der Harmonielehre Schöner Zwitter aus Lehrbuch und NachschlagewerkVon Stefan SchmöeZunächst besticht das vorliegende Lexikon der Harmonielehre durch die ungewöhnlich schöne Gestaltung: Mit vielen farbigen Graphiken sieht in dieser Darstellung die Harmonielehre auf einmal gar nicht mehr so trocken aus wie in vielen anderen Werken. Die Farbigkeit ist aber keineswegs Selbstzweck, sondern gehört zum Programm von Reinhard Amon, Professor für Tonsatz an der Wiener Musikhochschule. Übersichtlichkeit und bessere Verständlichkeit der Inhalte durch kluge Visualisierung, die wesentliche Aspekte geschickt und schnell überschaubar hervor hebt, ist ebenso gewollt wie Spaß am Lesen oder Blättern. Das eigentlich Radikale an diesem Werk ist der Versuch, die Harmonielehre in lexikalischer Form darzustellen, ohne den Lehrbuchcharakter völlig aufzugeben. Naturgemäß ist eine alphabetisch, nach Stichworten geordnete Darstellung zum systematischen Lernen weniger geeignet als zum Nachschlagen, und eine einigermaßen fundierte Vorbildung braucht der Nutzer dieses Bandes schon, um an beliebiger Stelle einzusteigen. Genau das dürfte die potentielle Leserschaft in zwei Lager spalten: Wer allein mit diesem Werk Harmonielehre erlernen will, dürfte schnell entnervt von so viel geballter Information aufgeben. Ein systematisches Lehrbuch kann diese Darstellung nicht ersetzen, aber sie kann einen Kurs sinnvoll und attraktiv ergänzen oder als ausführliches Nachschlagewerk dienen. Die Artikel zu den einzelnen Stichworten sind recht umfangreich und teilweise weiter untergliedert (das Stichwort Modulation etwa hat einen Umfang von 18 Seiten und ist in 9 Unterpunkte gegliedert), was wiederum den Lehrbuchcharakter unterstreicht. Zentrale Begriffe bilden - durchaus ähnlich wie in üblichen Lehrwerken kleine Kapitel, die zum Weiter- und Querlesen anregen. Inhaltlich steckt das Buch den Rahmen dessen ab, was man an Techniken zur harmonischen Analyse benötigt. Auch der etwas umständliche Untertitel Nachschlagewerk zur durmolltonalen Harmonik mit Analysechiffren für Funktionen, Stufen und Jazzakkorde zeigt diese (vernünftige) Auswahl und Begrenzung des Stoffes an. Letztendlich bleibt Amon damit recht starr dem übergeordneten Aspekt der (konventionell verstandenen) Funktionsharmonik treu; andere Deutungsmuster werden bestenfalls gestreift - und für eine kritische, stärker interpretierende Betrachtung ist der lexikalische Aufbau wohl auch ungeeignet. Eine Reihe von Notenbeispielen aus bedeutenden Kompositionen verdeutlichen aber, dass sich Amon nicht im reinen theoretischen Raum bewegt, sondern stets klingende Musik vor Ohren hat. Amons Kollegen hat das Werk trotz dieser Einwände offenbar mehrheitlich überzeugt: Vor ein paar Tagen ist das Buch mit dem Deutschen Musikeditionspreis des Deutschen Musikverleger-Verbandes ausgezeichnet worden.
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