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Konrad Beikircher Bohème suprȇme - Der neue Opernführer Große Oper, schmackhaft angerichtet
Von Frank Becker Lange, beinahe viel zu lange (gefühlte
Zeit: Äonen, faktisch nur drei Jahre) haben Opernfreunde auf dieses
Buch gewartet, nachdem "Palazzo Bajazzo",
Konrad Beikirchers erster Opernführer die Welt des verstaubten Genres
gründlich aufgemischt hatte. Es wunderte, wie man bisher überhaupt ohne
dieses Handbuch, diesen Wegweiser durch das große Musiktheater hatte
zurecht finden können. Beikircher gab Aufschlüsse, nach denen man
gehungert hatte. Endlich wurde einmal klipp und klar gesagt, was Monteverdi,
Pergolesi, Haydn, Mozart, Beethoven, Meyerbeer, Bellini, Verdi,
Offenbach, Smetana, Saint-Saëns und Leoncavallo mit ihren Opern
erreicht bzw. bezweckt hatten, wie diese zustande gekommen waren und
wie sie einzuschätzen sind.
Für Laien verständlich und für Fachleute aufschlußreich skizzierte Konrad Beikircher alles, was nötig war, die Opern der oben genannten, einschließlich der Orchesterbesetzungen, zu begreifen, das Personal mit Stimmlage einzuordnen, die Handlungen nachzuvollziehen - und all das schlüssig und ohne Fachchinesisch verstehen zu können. Wo aber waren Wagner, Puccini, Bizet, Donizetti, wo Lortzing, Weber und Gluck? Die hatte sich Beikircher sozusagen als "Königshappen" aufgespart - in der Schublade ruhte bereits damals das Konzept - aber die Zeit! Immerhin gehört Konrad Beikircher zu den meistbeschäftigten deutschen Kabarettisten und Musikern, ein Hansdampf der Kleinkunst. Er tourt mit diversen Kabarett- und Lied- Programmen, überrascht mit immer neuen Hör- und anderen Büchern. Nun ist der Opern-Tisch wieder üppig gedeckt - die Speisekarte liegt vor: Band 2 "Bohème suprême - Der neue Opernführer". In gleichem Umfang und gleicher Sorgfalt hat Konrad Beikircher hier die ganz große Oper geputzt und lecker angerichtet: Wagners Ring, sonst in seiner hehren Wucht häufig so schwer verdaulich wie Hefeklöße, wird bei Beikircher unterhaltsamer denn je. Und - nemme mer mal en paar andere Beispill - bei Carl Maria von Webers Freischütz kann man schier mitschießen, die saftige Erotik von Bizets Carmen und Donizettis "Don Pasquale" rollt er uns aus, und den Zauber von Glucks Musikdrama "Orfeo et Euridice" vermittelt der Charmeur mit dem musikalischen Ohr sehr eindrücklich. Genuß auf Genuß. Und wieder helfen die Beikircherschen Bewertungshilfen in Form von spitzen Hüten (Magie), High Heels (Erotik - die nimmt bei dem Hallodri direkt dahinter den zweitwichtigsten Rang ein), Papier- Taschentüchern (Schluchzfaktor), Handschellen (Gewalt), Nachtmützen (Langeweile), Bischofshüten (Moral), Glorienschein (Ewigkeitswert), Gourmet-Sternen (Delikatesse) und dem Opernglas als Fazit mit jeweils 1-5 Symbolen in aufsteigender Zahl bei der Einschätzung des Besprochenen. Drei Nachtmützen bei Wagners "Meistersingern", fünf Bischofshüte, keine Handschelle und nur ein Stöckelschuh sprechen eine deutliche Sprache. Wer Sex & Crime sucht, geht da nicht hinein. Blättern wir weiter. Ah ja: Carmen. Dieses Eifersuchtsspektakel von Bizet hat gar fünf High Heels, fünf Handschellen, fünf Glorienscheine, fünf Sterne und fünf Operngläser bekommen! Und keine Symbole für Langeweile und Moral. Ja so gefällt uns das! Beikircher führt die bewährte Linie von Band 1 fort, zeigt mit dem spitzen Finger auf die Flops, sucht nach den Hits und lobt sie, so er sie findet (und er findet die einen wie die anderen mit sicherem Geschmack) - und er geht dem, der mitreden möchte, mit dem "Kleinen Operntäuscher" wieder hilfreich zur Hand. Und stets ist ein Schmunzeln dabei. Bewährter Kenner zur Rechten des Meisters ist wie zuvor der Journalist Wolfram Goertz, der mit seinen hilfreichen CD-Tips dem die Auswahl erleichtert, der sich die Oper nach Hause holen möchte. Neu sind eine umfangreiche Bibliographie und eine Übersicht der deutschen Opernfestspiele von Bad Hersfeld bis Zwingenberg. Einen unterhaltsameren, zugleich aufschlußreicheren Opernführer finden sie nirgends. Dringend zu empfehlen!
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