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Oliver Hilmes
Herrin des Hügels Das Leben der Cosima Wagner Joachim Köhler Ich, Cosima Managerin des Wagner-ImperiumsVon Stefan Schmöe"Ihr sollt jede Stunde meines Lebens kennen, damit ihr mich dereinst erkennen könnt, denn sterbe ich früh, so werden die anderen gar wenig über mich sagen können, sterbe ich alt, so werde ich wohl nur noch zu schweigen wissen. Ihr sollt mir so helfen meine Pflicht erfüllen ja meine Kinder, meine Pflicht. Was ich damit meine, werdet ihr später erfahren. Alles will die Mutter euch von ihrem jetzigen Leben sagen, denn sie glaubt, dass sie das kann. Geradezu programmatisch stehen diese Zeilen am Beginn der Tagebücher Cosima Wagners, die sie vom Neujahrstag 1869 bis zu Richard Wagners Tod im Februar 1883 auf mehr als 5000 Seiten führte Aufzeichnungen für die Nachwelt, die ihr Leben an der Seite des Komponisten (bezeichnenderweise nicht mehr die langen Jahre danach) dokumentieren. Als kluge Frau und Managerin an der Seite des Künstlers - weniger des Menschen - Richard Wagners sah Cosima, Tochter Franz Liszts und zu Beginn der Liaison mit Wagner noch Ehefrau des Dirigenten (und Wagner-Gefolgsmanns) Hans von Bülow, den Sinn ihres Lebens. Die Begründung einer Familiendynastie mit Sohn Siegfried, dem dritten gemeinsamen Kind mit Wagner, als legitimem Nachfolger und künstlerischem Nachlassverwalter des Meisters war die konsequente Fortsetzung einer Aufgabe, die sie wohl als ihre Berufung angesehen hat. Der Aufschwung der Bayreuther Festspiele, die sich in ihrem ersten Jahr 1876 als höchst defizitär erwiesen, basiert maßgeblich auf dem von Cosima systematisch entwickelten Wagner-Kult, mit dessen aggressivem Antisemitismus als übler (und immer noch oft verdrängter) Schattenseite. Oliver Hilmes widmet sich mit seinem im Frühjahr 2007 erschienenen Band Herrin des Hügels schon zum zweiten Mal einer illustren Komponistenwitwe, nachdem er bereits eine umfassende Biographie von Gustav Mahlers Ehefrau Alma Mahler-Werfel geschrieben hat (Witwe im Wahn). Mit seinem flotten, gut lesbaren und bisweilen sogar saloppen Stil nähert sich Hilmes wohltuend respektlos seinem Thema. Auf eine künstlerische Wertung sowohl der Werke Wagners als auch der Bayreuther Festspiele verzichtet er fast vollständig, wodurch eine nüchterne Beschreibung nicht ohne ironische Untertöne entsteht. Der Schwerpunkt liegt auf der Zeit nach Wagners Tod; die ohnehin gut dokumentierten Jahre Cosimas an Wagners Seite sind relativ knapp beschrieben. Allerdings bleiben dadurch empfindliche Lücken: Sowohl die Entstehung von Cosimas Antisemitismus (der letztendlich zur Verbundenheit der Familie Wagner mit Hitler führte) als auch die Motive für die Hinwendung bis zur völligen Aufopferung für Wagner werden kaum und nur wenig überzeugend untersucht dabei sind dies wohl zentrale Fragen für eine Cosima-Biographie. Im letzten Teil verschwindet die Person Cosima mehr und mehr hinter einer Gesamtdarstellung des damals schon reichlich zerstrittenen Wagner-Clans. Das entspricht wohl der historischen Situation, eine stärkere Fokussierung eben auf Cosima wäre dennoch wünschenswert gewesen. Und auch hier gibt es Lücken: Zwar hebt Hilmes hervor, welche Bedeutung Sohn Siegfried im Lebensentwurf seiner Mutter hatte, aber dessen (bei aller legitimen Kritik an der künstlerischen Substanz keineswegs unbedeutenden) kompositorisches Schaffen wird nur in Randnotizen und durchweg abfällig betrachtet. Wie Cosima dazu stand, bleibt gänzlich offen. Jeglichem Wagner-Kult steht Hilmes skeptisch gegenüber. Wie schon in der Biographie Alma Mahler-Werfels geht es ihm auch hier darum, einen Mythos zu demontieren. Das war angesichts der geradezu grotesken Selbststilisierung der Mahler-Witwe dort plausibler als im Fall Cosima, der angesichts der starken Nachwirkungen widersprüchlicher erscheint. Zwar bemüht sich Hilmes durchaus um eine differenzierte Darstellung, dennoch wird manches Detail allzu einseitig in einen negativen Kontext gestellt. Auf eine abschließende Würdigung der Lebensleistung Cosimas (die ambivalent ausfallen müsste) verzichtet Hilmes. So gibt die Biographie zwar viele lesenswerte Denkanstöße, aber keineswegs die Antworten dazu. Joachim Köhler ist bereits in der Vergangenheit als äußerst kritischer und streitbarer Autor hervorgetreten, der in seiner opulenten Richard-Wagner-Biographie Der letzte der Titanen (2001) gezielt gegen die bedenkenlose Wagner-Verehrung angeschrieben hat und am Menschen Wagner kaum ein gutes Haar ließ wobei Gattin Cosima, eiskalt die künstlerische Sache managend, noch um einiges schlechter wegkommt. Cosima selbst war bereits Gegenstand des Doppelportraits Friedrich Nietzsche und Cosima Wagner Die Schule der Unterwerfung (1996), das die Strukturen in Wagners unmittelbarer Umgebung durchleuchtet. In seiner neuesten Veröffentlichung (2006), die jetzt auch als Taschenbuch vorliegt, hat Köhler die Romanform gewählt und lässt unter dem Titel Ich, Cosima die Portraitierte in fiktiver Form selbst erzählen. Äußerer Anlass ist der Besuch Hitlers 1923 in Bayreuth, der im Haus Wahnfried als Beginn eines neuen Zeitalters gefeiert wird. Der Monolog der schon reichlich senilen Cosima wird dabei regelmäßig unterbrochen durch imaginierte (und mitunter die Peinlichkeit streifende) Einwürfe Wagners, Nietzsches, Bayernkönig Ludwig II. sowie eines (toten) Papageis große Literatur wird man das nicht nennen, zumal bis in die ironische Sprache (die man Cosima nicht abnimmt) hinein der Biograph Köhler durchschimmert. Die hier gewählte literarische Form muss naturgemäß nicht jede These argumentativ untermauern. Das kommt Köhler, der sich in seinen (im Übrigen sehr lesenswerten) früheren Publikationen mitunter im vielsagend Spekulativen verlor, entgegen. Das Buch zeichnet ein dichtes, insgesamt glaubwürdiges Portrait Cosima Wagners, in dem die Witwe als kühl kalkulierende Chefin des Wagnerschen Familienbetriebs gezeichnet wird. Triebfeder ist in dieser Darstellung der Wunsch des ungeliebten und illegitimen (weil unehelich gezeugten) und noch dazu äußerlich wenig attraktiven Kindes, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen. Der Hass auf den Vater Liszt, die unmenschlich strengen Erzieherinnen ihrer Kindheit und die erlittenen Demütigungen im Hause Bülows, wo Cosima auf Anordnung des Vaters zu Erziehungszwecken untergebracht wurde (die Hochzeit mit Sohn Hans deutet Köhler als Racheakt an dessen ihr verhasster Mutter), projiziert sie pauschal auf die Juden, was ihren Antisemitismus einigermaßen plausibel macht. Die Überwindung der Widersacher ist für Cosima nur möglich, indem sie das Zentralgestirn Richard Wagner, um den alle in ihrem Leben relevanten Personen kreisen, an sich bindet und geradezu unterwirft. Köhler geht noch weiter, indem er die Familie Wagner zum entscheidenden gedanklichen Wegbereiter des aufkommenden Nationalsozialismus stilisiert spätestens da müssten allerdings handfeste Argumente her. Wer Köhlers frühere Publikationen gelesen hat, erfährt in Ich, Cosima nichts Neues; umgekehrt wird manches Detail erst durch die anderen Werke Köhlers verständlich. Der gut lesbare Roman richtet sich an ein breites Publikum, und neben dem biographischen Aspekt wird hier vieles über den Mechanismus der Wagner-Rezeption und insbesondere der Bayreuther Festspiele deutlich. Für ein Buch mit populärwissenschaftlichem Anspruch ist das eine ganze Menge, und nach der Lektüre hat man ein ziemlich umfassendes Bild von Cosima Wagner im Kopf. Wen es zur wissenschaftlichen Genauigkeit zieht, der ist bei Oliver Hilmes trotz mancher Einschränkung sicher besser aufgehoben. In ihren kritischen Kernaussagen liegen beide Autoren ohnehin nicht weit auseinander. Mindestens einen der beiden Bände sollte der Bayreuther Festspielbesucher im Handgepäck haben.
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