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Der Souvenir
Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken

Du, da war ich auch schon!

Von Frank Becker

Die Älteren erinnern sich bestimmt noch an die mit Schallfolie überzogenen schrillbunten Postkarten, die man in den 50er und 60er Jahren an Souvenir-Ständen erwerben und mit einer in die empfindlichen Rillen gepreßten musikalischen Botschaft an die zu Hause gebliebenen verschicken konnte: "Die tönende Ansichtskarte". Aus Neapel kam natürlich das unvermeidliche "O sole mio", mit dem Foto des Berliner Funkturms an der Masurenallee die Melodie "Ich hab noch einen Koffer in Berlin", aus Heidelberg natürlich das Schloß mit dem Studentenlied "Alt-Heidelberg du Feine" und auch in der DDR gab es "Colorvox", z.B. mit einem Motiv aus Oberhof im Thüringer Wald und dem Lied "Auf der Oberhofer Höh". Wer sie nicht verschickte (selten kamen sie unversehrt beim Empfänger an), sammelte solche Karten als kostbares Gut, als Souvenir. Denn wer erinnert sich nicht gerne an Erlebtes, Gehabtes, Bereistes oder Gewesenes? Bill Ramsey besang die Leidenschaft, Stücke der Erinnerung zu sammeln und aufzubewahren in seinem Ohrwurm "Souvenirs, Souvenirs".

Tönende Postkarten mit Schallfolien gibt es nicht mehr, wer hat auch schon noch einen Plattenspieler. Die nächste Generation ist da: die "Interactiv CD-ROM Postcard", eine elektronische Variante des nach wie vor attraktiven Mediums. Eine CD-ROM mit beliebig vielen Bild- und Ton-Informationen wird in einen postkartengroßen Träger mit Anschrift-Feld geheftet, Gruß und Briefmarke drauf - fertig! Ab in den Briefkasten und beim Empfänger nach dem Anschauen im PC ins Album oder Ordnungssystem. Denn gesammelt wird und wurde immer. Manche tun es akribisch und systematisch, andere so, wie´s grade kommt. Mit dem Phänomen des Sammelns beschäftigt sich eine Ausstellung, die  noch bis zum 29. Oktober 2006 im Museum für angewandte Kunst in Frankfurt/M. zu sehen ist. Der opulente Katalog zur Ausstellung mit dem Titel "Der Souvenir - Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken", der als Anlehnung an die französische Urform des Wortes verstanden sein will - "le souvenir" - liegt mit einem Gewicht von mehr als 2 kg jetzt reich illustriert vor.

Beispiele aus vielen Jahrhunderten belegen in Bildern und begleitenden Texten, was alles auf den Altären der Erinnerung, in Alben, Schatullen und Vitrinen gelandet ist.  Von Profanem wie der Venus von Milo in Alabaster (2005), Stocknägeln, Schneekugeln, Feuerzeugen, oder Plastiskopen (sie wissen schon, die kleinen Plastikfernseher mit ein paar Durchschau-Bildern) der 60er Jahre über Ehrenmedaillen der 1. Französischen Republik, die Jerusalemer Grabeskirche in Olivenholz, Perlmutt und Bein und gleich daneben NS-Kitsch bis hin zu chinesischen Ahnenbildern, Dokumenten der Kulturrevolution, Poesiealben, Stammbüchern und Postkarten aus allen Epochen seit ihrer Erfindung werden als Objekte der Sammelbegierde vorgestellt. Soweit sehr schön.

Wer aber als nicht wissenschaftlich interessierter Besucher der Ausstellung nun das Mords-Trumm von Katalog - opulent, wie gesagt - zur Hand nimmt, sieht sich mit umfangreichen, die Bilder begleitenden Essays konfrontiert, die weit über das hinaus gehen, was der Souvenirsammler, und solche kommen ja sicher auch, um die Ausstellung anzuschauen, eigentlich wissen möchte. Er wird sie auf der Suche nach griffigen Erläuterungen überblättern. Wo der Katalog allerdings in die Hände von Sozialwissenschaftlern, Galeristen und im weitesten Zusammenhang "Fachpersonal" fallen sollte, ist wissenschaftliches Futter für viele vertiefende Stunden darin. Das Autorenverzeichnis nennt eine erlesene Schar von akademischen Verfassern, die fundiert über ihr jeweiliges Fachgebiet Auskunft geben. Hier und da allerdings hätte die Sache durchaus etwas lockerer gestaltet werden können.  Manchmal ist etwas weniger schwerblütiger Text, gespart zugunsten weiterer Bild- Beispiele, eben mehr.



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Der Souvenir
Erinnerung in Dingen von der Reliquie zum Andenken

Ausstellungskatalog

Wienand Verlag, 2006
447 Seiten mit 246 farbigen und 55 s/w Abbildungen, Flexicover , 21,5 x 28,5 cm
44,- Euro

Weitere Informationen unter:
www.wienand-koeln.de
www.museumfuerangewandtekunst.frankfurt.de





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