Feuilleton | |
Kirsten Liese
Elisabeth Schwarzkopf Vom Blumenmädchen zur Marschallin Hommage an die "Marschallin"Von Stefan SchmöeElisabeth Schwarzkopf zählt zweifellos zu den ganz großen Sängerpersönlichkeiten der Operngeschichte unumstritten war sie deshalb nicht. Ungeachtet der Bewunderung ihrer stimmlichen Möglichkeiten sind ihre Interpretationen dem Vorwurf eines intellektuellen Manierismus ausgesetzt. Die Festlegung auf wenige Rollen und im Wesentlichen einen vorherrschenden Rollentypus hat sicher dazu beigetragen: Paradepartien der im Sommer 2006 verstorbenen großen Dame des deutschen Musiktheaters waren die Marschallin im Rosenkavalier, die Figaro-Gräfin und, noch eine Personen der gehobenen Gesellschaft, die Gräfin in Capriccio. Die Aura des Aristokratischen hat die Sängerin durchaus gepflegt. Selbst gänzlich andere Rollen wie Humperdincks Gretel (nachzuhören in der legendären Aufnahme unter Herbert von Karajan aus dem Jahr 1953 an der Seite von Elisabeth Grümmer) werden durch die Schwarzkopf zu raffinierten Kunstfiguren. Die Rezeption wäre ein interessantes Thema, wie überhaupt Elisabeth Schwarzkopf eine Schlüsselfigur im Musiktheater der Nachkriegsszeit war nicht zuletzt durch ihre Hochzeit mit Walter Legge, dem wohl einfluss- und nachwirkungsreichsten Produzenten der Epoche über die sich viel schreiben ließe. Kirsten Liese hat in der gerade erschienenen Bildmonographie einen anderen Weg gewählt, der ganz bewusst als eine Hommage an die Jahrhundertsängerin Elisabeth Schwarzkopf angelegt ist. Hier geht es nicht um eine wissenschafliche Aufarbeitung, sondern um eine sehr persönliche, fast private Sicht, die allerdings gerade Schwarzkopf-Fans aus dem Herzen sprechen dürfte. Ein einleitender Essay der Autorin umreißt knapp die Biographie der Sängerin und erlaubt gleichzeitig Einblicke in das Privatleben der alten Dame, die bis zuletzt noch Meisterkurse im kleinen, intim gehaltenen Rahmen gab. Ergänzt wird das durch ein paar Grußworte von künstlerischen Wegbegleitern der Schwarzkopf (Dietrich Fischer-Dieskau, Aldo Ciccolini, Brigitte Fassbaender, Christa Ludwig, Thomas Hampson) und ein Interview mit der Fotografin Lilian Fayer, die in den Nachkriegsjahren mit ihren Künstlerbildern (in denen Sänger im Bild wie Filmstars inszeniert werden) neue Maßstäbe setzte und deren Fotos das Herzstück dieses Bildbandes sind. Der Text ist durchweg zweisprachig (deutsch-englisch) gehalten, und die Textpassagen bestechen durch elegantes zweispaltiges Layout wie überhaupt die Aufmachung des Bandes sehr ansprechend gelungen ist. Eine (zwar unvollständige und unkommentierte, aber für die allermeisten Leser sicher ausreichende) Discographie beschließt den Band. Ein wenig ist es mit diesem Buch so, als halte man ein altes, sehr wertvolles und sehr privates Fotoalbum in der Hand, dessen Seiten man kaum zu berühren wagt. Die Bildauswahl berücksichtigt viele Fotos, teilweise Schnappschüsse aus dem Privatbesitz der Sängerin das beginnt mit Bildern aus der Kindheit, zeigt aber auch Urlaubsfotos oder banale Gegebenheiten wie ein improvisiertes Picknick auf einer Autofahrt. Auf der anderen Seite stehen natürlich viele Bühnenfotos und die erwähnten Künstlerportraits, die auch als Autogrammkarten verteilt wurden. Fayers perfekt ausgeleuchtete Portrait-Aufnahmen aus dem Jahr 1947 zeigen eine hinreißend schöne junge Frau, nachdenklich und beinahe zerbrechlich, noch an das Schönheitsideal der UFA-Zeit erinnernd. Überraschend ist, in wie kurzer Zeit die Jugendlichkeit einer gesetzteren, reiferen Ausstrahlung weicht, die ab Mitte der 50er-Jahre die Aufnahmen dominiert. Von da an herrscht die Aura der überlegenen, gleichzeitig strengen und gütigen großen Dame vor auch, um ein Beispiel zu nennen, ihre Fiordiligi in Cosí fan tutte scheint etwas von der Wehmut der Marschallin zu umgeben. Ein melancholischer Zug wird so etwas wie ein Markenzeichen, dass sich durch fast alle weiteren Bühnenaufnahmen und Portraits zieht. Das untergründige Pathos, das den durchweg superben Aufnahmen Lilian Fayers anhaftet, vermittelt zusätzlich den Eindruck, dass man für einen Moment in eine längst vergangene große Zeit eintaucht. Natürlich ist das keine vollständige Dokumentation (überhaupt ist Dokumentation kein passender Begriff); neben den großen Opern zwischen Mozart und Strauss fehlen etwa Bilder von der Operettendiva, die Elisabeth Schwarzkopf ja gelegentlich auch war. Aber so ist es halt mit Fotoalben: Manches ist doppelt, anderes fehlt. Schwarzkopf- und Opernliebhaber im Allgemeinen werden trotzdem Freude an diesem schönen Buch haben, für das man sich trotz der überschaubaren (und natürlich viel zu kleinen) Zahl von 168 Seiten Zeit nehmen sollte.
Ihre
Meinung |
Weitere
Informationen unter: |
- Fine -