Feuilleton | |
Jo Ann Endicott Warten auf Pina Aufzeichnungen einer Tänzerin Von Jürgen Kasten Josephine Ann Endicott, Australierin mit
Wohnsitz Durmersheim, dortselbst mit Mann, zwei Kindern, Hund und
Garten ist nunmehr 58 Jahre alt und agil wie eh und je.
23-jährig tanzte sie in London, wurde dort von Pina Bausch gesehen und vom Fleck weg für das neu gegründete Tanzensemble in Wuppertal engagiert. Bis 1987 prägte sie als Solotänzerin alle Bausch-Stücke und erlebte den Aufstieg des „Tanztheater Wuppertal“ zu Weltruhm. Danach widmete sie sich ihrer Familie und ihren eigenen Projekten, bis sie ab 1994 als Gasttänzerin, Probenleiterin und Pina Bauschs Assistentin zurück kehrte. 1999 veröffentlichte Jo Endicott ihr viel beachtetes erstes Buch „Ich bin eine anständige Frau“, in dem sie sehr ehrlich und offen über das harte Leben als Tänzerin und ihre speziellen Erfahrungen mit der von ihr verehrten Pina Bausch erzählte. Nun führt sie diese Aufzeichnungen fort. Und ich muß eingestehen – es hat mich als Fan der Tanzcompagnie tief berührt. Jo Ann Endicott schreibt natürlich über sich, ihre Empfindungen, ihr familiäres Umfeld; aber insbesondere über ihr Verhältnis zu Pina Bausch. Und im Gegensatz zu der in der Öffentlichkeit introvertiert wirkenden Frau Bausch, äußert Jo Endicott sich ohne Scheu. „Schreiben ist schon was anderes als Tanzen.“, sagt sie; aber das ist Koketterie, denn sie schreibt wie sie spricht und tanzt: Schnell, leicht, kraftvoll, emotional. Die Leserin, der Leser sitzt neben ihr im Gartenhäuschen, trinkt ein Gläschen Wein und Jo öffnet sich im Plaudern wie einer guten Freundin gegenüber, läßt tief in ihr Inneres und ihre Gefühlswelt schauen. Das ist weder peinlich noch anbiedernd, das ist Jo Ann Endicott wie man sie auch von der Bühne oder ihren Lesevorträgen kennt. Scheinbar leicht und flüssig läßt sie die letzten Jahre Revue passieren. Viel Humor und Lebensfreude schimmert durch. Und doch ist es kein leichtes Buch, denn Jo Endicott versteht es, die ungemein harte Arbeit als Tänzerin der Compagnie der Pina Bausch plastisch dazustellen. Gleichzeitig läßt sie uns die Freude und den Spaß des verdienten Erfolges nach empfinden. Doch Jo Endicott ist, bzw. war freischaffende Künstlerin. Sie drückt immer wieder Existenzängste. Sie war Trainingsleiterin des erfolgreich tourenden „Kontakthof mit Damen und Herren ab 65“. Die Arbeit war intensiv und schwierig. Jo hatte mehr Kontakte zu „ihren“ Laiendarstellern, als zu den aktiven Tänzern. An der Pariser Oper studierte sie mit dem dortigen Ballett Wiederaufführungen von „Le Sacre du Printemps“ ein, tanzte sogar mit, weil einige Tänzerinnen erkrankten. In New York probte sie mit Barbara Sukowa für „Die sieben Todsünden“. Doch dann kam der Tag 9/11 und Barbara wollte nicht mehr nach Europa fliegen. Alles Aufträge, die Jo Endicott kurzfristig auf telefonische Bitten der Pina Bausch hin übernahm. Es trennte sie von ihrer Familie. Sie war ständig unterwegs und hatte doch keine feste Anstellung. Bei all dem fehlte ihr Pina. Pina Bausch war selber ständig unterwegs, vielbeschäftigt, mit neuen Proben befaßt, achtete nicht auf ihre Gesundheit, aß zu wenig, rauchte zu viel. Jo machte sich Sorgen, suchte Kontakt und Nähe zu ihrer verehrten Pina. Deren exzessive Arbeit, die an Selbstaufopferung grenzt, ließ das nicht zu. So wartete Jo immer wieder auf ein Zeichen, ein Angebot. Sie wartete auf Pina, die sich monatelang nicht meldete. Es wird deutlich, daß beide Frauen viel verbindet, nicht nur ein gemeinsames Berufsleben über Jahrzehnte hinweg. Jo Endicott gibt mehr von Pina preis, als die es je getan hat. So nah war man Pina Bausch noch nie. Inzwischen fand Ende 2008 das 2. Internationale Tanzfestival statt. Jo Ann Endicott tanzte in „Die sieben Todsünden / Fürchtet euch nicht“ die viel umjubelte Anna II. Sie studierte über 1 ½ Jahre den „Kontakthof mit Teenagern ab 14“ mit Schülern ein. Zusammen mit Benedicte Billiet leitete sie die gesamte Probenarbeit. Die Aufführung war das Eröffnungsstück des Festivals. Auch eine feste Anstellung als Assistentin von Pina Bausch hat sie nun wieder. „Macht´s gut, ihr lieben Zuschauer und Zuhörer. Eure Jo“, so verabschiedet sich Jo Ann Endicott von ihren Lesern und ruft uns im Epilog noch einmal ein „Tschüss ihr Lieben“ zu. Ein sehr persönliches Buch. Ein Muß für alle Liebhaber des Tanztheaters Pina Bausch und für alle übrigen ein tiefer Einblick in die Gefühlswelten einer international erfolgreichen Tänzerin. Der Text ist mit vielen schwarzweißen Fotografien ergänzt. Fotos von Gert Weigelt, Ursula Kaufmann, Ulli Weiss, David Klammer und Helmut Drinhaus.
Ihre
Meinung |
Jo Ann Endicott Warten auf Pina Aufzeichnungen einer Tänzerin Coverfoto © Gert Weigelt Broschur, 128 Seiten mit 60 s/w Fotos 13,50 x 21,5 cm © 2009 Henschel Verlag in der Seemann Henschel GmbH & Co KG ¤ 16,90 (D), ¤ 17,40 (A), sFr 31,00 (CH) ISBN: 978-3-89487-631-9 |
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