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Annette von Wangenheim:
Feuer bewahren - nicht Asche anbeten Der Choreograph Martin Schläpfer Nähe und DistanzVon Stefan SchmöeDer Titel dieses Films geht auf ein Zitat Gustav Mahlers zurück, und für den Choreographen und Tänzer Martin Schläpfer, Chef des Düsseldorf-Duisburger Ballett am Rhein, hat es die Funktion eines Leitmotivs. In seiner Wohnung sieht man den Satz an die Wand gemalt, ebenso in Schläpfers Büro. Mindestens ein Drittel der Stücke in einer Spielzeit müsse sich mit zeitgenössischer Musik auseinander setzen, sagt Schläpfer an einer Stelle. Und das große Finale dieses beeindruckenden Dokumentarfilms kreist um die Uraufführung von Deep Field, ein Stück, für das die Musik eigens komponiert wurde (und von niemand geringerem als Adriana Hölszky). Martin Schläpfer und Hans van Manen bei den Dreharbeiten (Foto © Gert Weigelt)
Regisseurin und Drehbuchautorin Annette von Wangenheim geht sehr behutsam auf den Choreographen zu, lässt fast ausschließlich ihn selbst zu Wort kommen - an einigen wenigen Stellen sekundiert von wichtigen Mitarbeitern: Der Tänzerin Marlúcia do Amaral, dem Fotografen Gert Weigelt, der Dramaturgin Anne do Paco. Hinzu kommen Adriana Hölszky und Hans van Manen, nicht nur Vorbild, sondern auch eine Art väterlicher Freund für Schläpfer, aber auch der hält sich mit Kommentaren über seinen jüngeren Kollegen zurück. Vielmehr zeigt der Film Ausschnitte aus Probenarbeiten und Uraufführung des kleinen Balletts Alltag, das van Manen ganz konkret für Schläpfer (der die Hauptpartie selbst tanzt) entworfen hat, und das als Inhalt eine kleine Geschichte über den Choreographen Martin Schläpfer bei der Arbeit - und bei der Sinnsuche - erzählt. Das ist mehr als eine hübsche Pointe, sondern verdeutlicht den Ansatz, den von Wangenheim wählt: Nicht belehrend oder erklärend, sondern so, wie Schläpfers Stücke ihr Geheimnis immer nur ein Stück weit preisgeben und nie eindeutig sind, öffnet sich auch der Choreograph nur bis zu einem gewissen Punkt und hält die Kamera bei aller Nähe auf Distanz. Martin Schläpfer in seinem Haus im Tessin (Foto © Lennart Speer)
Dabei kommt man ihm, äußerlich gesehen, sehr nah. Mit lausbubenhaftem Charme gewährt Schläpfer Einblick in sein von außen kleinbürgerliches, innen kreativ chaotisches Haus und nimmt das Filmteam mit auf Wanderung zu seiner spartanischen Berghütte oberhalb des Tessiner Maggia-Tals. Dort spricht er davon, wie radikal und politisch die Notizen sind, die er in schöpferischen Phasen dort niederschreibt - aber ein Beispiel gibt er nicht. Man erfährt, dass er Katzen und Kaninchen liebt, aber nicht, welche Menschen er in seine Nähe lässt. Er umgibt sich mit der Aura des Fremden in Deutschland und betont die kulturellen Differenzen zu seiner schweizer Heimat, ohne diese konkret zu benennen. Geduldig begleitet die Kamera ihn, beim Wandern und Kochen, bei Proben und bei der Premiere, auf Gastspiele und auf die Baustelle für das neue (inzwischen fertig gestellte) Düsseldorfer Ballettzentrum, das er sich als Voraussetzung für eine Vertragsverlängerung ausbedungen hatte. Oft wird mit mehreren Kameras aus verschiedenen Perspektiven gefilmt. Aber in jeder Einstellung ist der Respekt zu spüren, eine Grenze, die Schläpfer umgibt, nicht zu überschreiten. Martin Schläpfer in Alltag (Foto © Gert Weigelt)
Konzipiert war der Film ursprünglich als Fernsehfilm von 52 Minuten Dauer, und so wird er im September 2016 auch von Arte ausgestrahlt. Beim Schneiden allerdings wurde deutlich, welches Potenzial dabei verloren ginge. Produzent Ansgar Pohle nahm das Risiko auf sich, eine Kinofassung von 85 Minuten Länge zu erstellen, die vom 11. Februar 2016 an bundesweit in den Filmtheatern zu sehen ist. Weil er mit seiner ruhigen Sprache und Genauigkeit im Detail viel von dem andeutet, was Tanz als besondere Kunstform bewegen kann, was sich aber nicht in Worte fassen lässt, ist er nicht nur für ausgewiesene Schläpfer-Fans unbedingt sehenswert. (Februar 2016)
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