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Walter Herrmann
Faszination Oper



Insidergeschichten

Von Stefan Schmöe

Dieses Buch ist von einem Opernverrückten (und diesen Begriff wird er als Kompliment verstehen) geschrieben – einem, der schon als Schüler im Stehparkett der Wiener Staatsoper seit der Wiedereröffnung 1955 die großen Werke begeistert verfolgt hat und rund 50 Jahre später von der Faszination Oper in Buchform erzählen möchte. Herrmann gehört zu den Begründern des legenderen, manche werden eher sagen: berüchtigten Merker, der Opernzeitschrift, die das Opernleben in Wien und im (aus Wiener Sicht vergleichsweise kleinen) Rest der Welt verfolgt, er hat viele Einführungsvorträge an der Staatsoper gehalten und zu vielen Werken einen „Klingenden Opernführer“ auf CD veröffentlicht. Ein Autor also, dessen Kompetenz in Sachen Oper über alle Zweifel erhaben ist.

Ähnlich dem Merker ist auch das vorliegende Buch geprägt von einem Blickwinkel, der die Gesangsleistungen immer in den Vordergrund stellt (und von der Regie in erster Linie erwartet, dass sie nicht stört). So wird dem nicht gerade opulenten Bändchen der Auflistung großer Sängerpersönlichkeiten (mit vielen Fotos) reichlich Platz eingeräumt. Das Herzstück bildet aber eine umfangreiche Polemik gegen das Regietheater. Ärgerlich daran ist, dass Herrmann ausschließlich sattsam bekannte Argumente aufwärmt, Gegenpositionen bis zur Unkenntlichkeit verkürzt und sakrosankt eine Reihe von namhaften Sängern als Kronzeugen zitiert. Gleich im Vorwort verkündet er, in seinem Alter keinerlei Rücksichten mehr nehmen zu müssen, und so bekommen insbesondere die Regisseure Ruth Berghaus und Peter Konwitschny, der ehemaligen Intendanten Gerald Mortier (Salzburger Festspiele) und Gerhard Brunner (Graz) sowie die ohnehin dauerschuldige „(nord-)deutsche Presse“ gehörig ihr Fett weg. Ein paar aus dem Kontext gerissene Zitate oder ablehnende Publikumsreaktionen reichen für das Urteil „schuldig“ dabei regelmäßig aus; eine sorgfältige Auseinandersetzung oder sachliche oder gar originelle Argumentation sucht man vergebens.

Ein weiteres Feindbild hat Herrmann in „Stimmenpabst“ Jürgen Kesting, dem Verfasser des im deutschsprachigen Raum wohl populärsten Sängerlexikons, ausgemacht. Sicher lässt sich gegen Kestings Darstellung wie auch dessen Rolle in der Musikszene allerlei einwenden; Herrmann aber wirft ihm in erster Linie ein allzu subjektives Urteil vor – und liefert als Argument dafür Einzelbeispiele mit ebenso subjektiv geprägten, aber von Kesting abweichenden Urteilen . Überhaupt ist das mit der Urteilsfähigkeit so eine Sache: Die gesteht Herrmann nämlich nur denen zu, die eine ausreichende Zahl von Opernbesuchen vorweisen können, und mancher miterlebte Fauxpas von Gelegenheits-Operngängern wird hier in unangenehm breit, mitunter in beinahe arroganter Weise ausgewalzt (etwa wird eine ehemalige Sekretärin Herrmanns erwähnt - "von rustikaler Herkunft", wie Herrmann schreibt -, die einen Sängernamen beim Diktat falsch schrieb; für Herrmann offenbar eine Pointe amüsant bis zum Schenkelklopfen). Oper erscheint da schnell als ein Phänomen für einen elitären Zirkel von „Eingeweihten“, der sich über den Rest des Publikums lustig macht. Wer sich da zugehörig fühlt oder fühlen möchte, wird das Buch mögen. Anderen wird es eher gehen wie mir: Von einer Faszination Oper bleibt bei so viel polemischer Besserwisserei wenig übrig.

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Cover


Walter Herrmann
Faszination Oper

204 S., 51 s/w-Abb., gebunden

© 2006 Böhlau Verlag Wien
EUR 19,90
ISBN: 3-205-77474-4

Weitere Informationen unter:
www.boehlau.at






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