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Regisseur durch Zufall
Axel Köhler räumt sein Büro - ohne Groll und im Einvernehmen mit seinem Nachfolger Florian Lutz, mit dem er sich zeitweise sogar sein Büro teilte. Dort traf Joachim Lange den prominenten Altus, der in den letzten sieben Jahren Opernintendant in Halle war und demnächst zum Ensemble der Staatsoperette in Dresden gehören wird, an seinem letzten Arbeitstag.
OMM: Herr Köhler, Sie sind Sänger, Regisseur und waren jetzt auch einige Jahre Intendant. Wie kam es, dass sie jetzt nach Dresden gehen?
Köhler:Das hat sich so ergeben. Der Intendant der Staatsoperette Wolfgang Schaller hatte mal den leichtsinnigen Satz gesagt: Wenn Du Lust hast, bei uns mal was auf der Bühne zu machen, dann sag Bescheid. Nun hatte er mir ja für die kommende Spielzeit die Regie von Figaros Hochzeit angetragen. Dann ergab es sich, dass man noch eine Doppelbesetzung für den Georges in La Cage aux Folles brauchte und er fragte mich, ob das nicht was für mich wäre. Ich hab mir das angesehen und zugesagt. Nach einer Woche proben hat dann Andreas Gergen, der Regisseur der Produktion, gesagt, dass er mich gerne für eine der Hauptpartien einer Musicaluraufführung im nächsten Jahr hätte….Na ja, und dann hat sich gezeigt, dass so viel zu tun ist, dass wir bis 2018 (da endet der aktuelle Vertrag von Wolfgang Schaller) durchgeplant haben. Schließlich haben wir einen Vertrag gemacht. So kam das.
OMM: Sie moderieren ja die Eröffnungsshow der neuen Staatsoperette, die in ihr neues Quartier in die Stadt umzieht. Wird es einen Operettenboom in Dresden geben?
Köhler:Hoffentlich! Das Haus wird mit seinem Standort auf jeden Fall erst einmal für Aufmerksamkeit sorgen. Die Produktionen werden mehr ins Blickfeld rücken, das Dresdner Publikum wird sehr neugierig sein und sicher kommen auch mehr Touristen dazu für das neue 700-Plätze-Haus.
OMM: Wie ist ihre Strategie? Eine Mischung aus Regie und Auftritt?
Köhler:Ja, ich werde beides machen. Was die Regie angeht, da bin ich bis Sommer 2018 erstmal ausgebucht. Mit sehr viel schönen Sachen. Über das übernächste Jahr darf ich noch nicht reden. Aber es wird manches kommen, was viel mit der "leichten Muse" zu tun hat. Einiges davon auch in Österreich.
OMM: Was ja im Kernland der Operette eine besondere Herausforderung ist …
Köhler:In Mörbisch werde ich den Vogelhändler inszenieren, darauf freue ich mich schon. Das ist das Bregenz der Operette mit den 6000 open-air-Plätzen und einer Bühne mit 120 m Portalbreite! Es ist eine tolle Herausforderung, so ein Stück auf so eine Bühne zu bringen. Da will man ja auch intimere Kammerszenen hinkriegen. Aber mit Frank Philipp Schlössmann als Bühnenbildner an meiner Seite mache ich mir da keine Sorgen.
OMM: Ein großartiger Bühnenbildner, den man allerdings nicht sofort erkennt …
Köhler:Ja, und das ist sein Credo. Er will nicht mit einer Handschrift in Verbindung gebracht werden.
OMM: Wie kommt man als Sänger eigentlich zur Regie?
Köhler:Das war reiner Zufall. Klaus Froboese, der damalige Intendant, hatte mich in diesem Büro 1999 nach einer Rolle gefragt. Ich hatte meine vertragliche Verpflichtung schon erfüllt, aber gesagt, wenn es passt, mache ich es. Es war aber bei mir nur noch ein schmales Zeitfester frei (für die Proben und die Premiere). Da ich das Stück gut kannte, hab ich gesagt: Tut mir leid, ich könnte es höchstens inszenieren. Ich hatte es so oft gemacht, dass ich wusste, was man alles nicht machen sollte. Als dann die vorgesehene Regisseurin abhanden gekommen war, kam Froboese auf meine Zusage zurück…..Und so hab ich Montevedis Krönung der Poppea inszeniert.
OMM: Haben Sie eine Affinität zur Operette?
Köhler:Operette war ja seinerzeit immer Gegenwartskunst. Und das sollte sie heute auch in irgendeiner Weise sein. Man kann sicher nicht alles in die Gegenwart zerren, aber schon Bezüge herstellen. Den Vogelhändler kann ich allerdings nicht in die Gegenwart holen. Das ist so mit der Zeit verhaftet, da würde man das Stück vergewaltigen. Das macht keinen Spaß - da muss man einen anderen Schlüssel finden. Aber bei Gräfin Mariza ist mir das gelungen.
OMM: Und bei ihrer Fledermaus hier in Halle! Operette bleibt in ihrem Fokus?
Köhler:Ja schon, das hat was mit meinem Humor zu tun und dem Hang zur Ironie. Da bietet sich diese Musik mit ihrer Sentimentalität an. Da gibt es haufenweise Ansätze für Reibungen.
OMM: Das eine ist die Neigung. Das andere das Handwerk - wie kommt man dazu?
Köhler:Bei mir ist neben der Erfahrung als Sänger viel Instinkt dabei. Wenn ich als Regisseur ein Stück angeboten bekomme, dann schau' ich es mir an und frage mich, warum muss gerade ich gerade dieses Stück und an diesem Ort machen. Wenn ich einen Zugang finde, dann gehe ich mit meinem Bühnenbildner ran und versuche das umzusetzen. Wenn ich dabei dramaturgisch ins Stottern komme, dann suche ich natürlich entsprechenden Rat. Aber die große Linie plane ich schon von Anfang bis Ende selber durch.
OMM: Haben Sie schon mal was abgesagt?
Köhler:Ich sollte an der MUKO in Leipzig mal die Zirkusprinzessin machen. Doch damit konnte ich nichts anfangen. Das habe ich dann lieber gelassen. Ich nehme nichts an, wenn ich denke, dass ich das nicht schaffen könnte. Bei einem Angebot nehme ich mir vier Wochen Zeit und schaue, ob ich eine emotionale Affinität dazu finde. Und wenn ich merke, das könnte klappen, dann sage ich zu!
OMM: Wenn man so Ihre jahrzehntelange Sängerkarriere überblickt, dann fällt die Mischung aus Barock und Moderne auf. Ist das der besondere Reiz für einen Altus?
Köhler:Mich hat auch die Moderne immer sehr interessiert. Zumal ich ja von der Geige komme und eine Methode entwickelt haben, wie man diese modernen Sachen lernt. Als Geiger hat man immer seine eine Stimme und lässt sich von links und rechts nicht beirren. Bei moderner Musik ist das gut. Wenn man da anfängt, auf andere zu hören, fliegt man schnell raus. Deswegen war ich relativ schnell und sicher im Lernprozess. Und wenn man dann auf Größen wie Hans-Werner Henze trifft, die einen bitten, eine Rolle zu übernehmen und man sogar an dem Schaffensprozess noch ein bisschen teilhaben kann, dann ist das faszinierend.
OMM: War die Begegnung mit Henze etwas besonders?
Köhler:Ja, die war schon bedeutend. Auch, weil man in sein Haus nach Italien gebeten wurde, um Dinge zu besprechen. Im Zusammenhang mit der Vorbereitung auf Phädra habe ich so den letzten Lebensabschnitt Henzes aus seinem eigenen Munde gehört. Wie er dazu kam, den zweiten Teil zu schreiben. Er hat mir erzählt, wie er in London schon fast für tot erklärt wurde, dass Fausto den Sarg für ihn gekauft hat. Doch dann starb sein Partner und wurde in diesem Sarg beerdigt. Er hat auch von der immer noch herrschenden Homophobie der italienischen Gesellschaft erzählt, die ihn dazu brachte, in seinem eigenen Haus in die oberen Stockwerke auszuweichen, als Faustos Familie kam. Das hat er mir alles früh bei einem Martini erzählt. So was vergisst man nicht. Die Arbeit an der Partitur ging dann relativ schnell, aber die zwei drei Stunden Lebensgeschichte davor, das war schon beeindruckend.
OMM: Hat er denn auf Einwände, was die Partie betrifft, gehört?
Köhler:Henze kann ja hervorragend für Soprane und Tenöre schreiben. Das ist extrem gut. Aber den Counter hielt er für eine Art Wunderwaffe. Er hat mir die Partie mit vier Oktaven Umfang geschrieben, da musste ich sagen: Sorry, das ist einfach nicht zu schaffen. Dann haben wir ausprobiert was geht und er hat es geändert.
OMM: Hat Detlev Glanert (bei Scherz, Satire, Ironie ) das auch so gemacht?
Köhler:Der hat in dieser Beziehung eine ziemliche Treffsicherheit….
OMM: Was bevorzugen Sie als Sänger - eher Barock oder eher Moderne?
Köhler:Inzwischen würde ich lieber was Modernes machen, wenn da noch etwas käme. Für den heute üblichen Feinschliff bei den barocken Partien finde ich, dass meine Stimme nach 25 Jahren Countersingen dafür nicht mehr so gut geeignet ist.
Jochen Kowalski und ich, wir konnten damals gar nicht alles singen, was wir an großen Häusern angeboten bekamen. Jetzt machen es die großen Häuser nicht mehr so sehr, sondern die Festivals. Da gibt es inzwischen so viele tolle junge Leute.
OMM: Sie waren aber mit Jochen Kowalski Pioniere fürs Countersingen…..
Köhler:Das wird mir immer wieder mal gesagt, aber persönlich sehe ich es eher als glücklichen Umstand. Ich weiß nicht, ob ich mit meinen Voraussetzungen und Fähigkeiten, wenn ich heute anfangen würde eine ähnlich interessante Karriere hinbekommen würde. Vor einiger Zeit habe ich mir gerade noch mal die Jephta- CD gehört und die h-Moll-Messe. Dazu kann man hundertprozentig stehen. Aber ich bin dennoch froh, dass es damals war. Eigentlich habe ich 2012 aufgehört mit dem Countersingen. Da war eine Entscheidung für mich, weil ich meinem eigenen Anspruch nicht hinterherlaufen will. Aber vielleicht mache ich in der Operette nochmal eine Ausnahme mit dem Styx. Es ist schön zu sehen, was alles auf mich zukommt. Für Rollen mit Mikroport hab ich meine Baritonstimme wiederentdeckt. Zum Beispiel für den George - das macht Spaß und funktioniert. Die Technik, die ich für den Countergesang immer gebraucht habe, hilft mir jetzt und der Bariton ist nach wie vor geschmeidig.
OMM: Was ja zu ihrer Tätigkeit als Regisseur passt…Intendant ist noch mal was anderes. Wie ist da Ihr Fazit?
Köhler:Sagen wir so: um die sieben Jahre Erfahrung wäre es schade, wenn da nicht noch mal etwas in der Richtung käme. Bewerben werde ich mich aber nicht. Im Moment jedenfalls nicht. Wenn noch mal eine Intendanz, dann müsste auch das drin sein, was drauf steht. Hier in Halle war das im Grunde keine Intendanz, da bei dieser GmbH-Konstruktion weder die finanzielle Autonomie noch die echte Gestaltungshoheit bei mir lag. Der Geschäftsführer war in dieser Hierarchie kein Partner auf Augenhöhe, sondern ein Vorgesetzter, und das würde ich so nicht noch einmal machen. OMM: Was halten Sie denn für ihre wichtigsten Erfolge?
Köhler:Als Intendant habe ich mich über den Ring gefreut. Es ist gelungen, den durchzusetzen, und es hat auch beim Publikum, funktioniert! Auch die Linie bei den Händel-Inszenierungen der letzten Jahre halte ich für gelungen. Und dass wir den Kinder- und Jugendchor etabliert haben - das ist wirklich eine große Sache, die in die Stadt hineinwirkt. Da war das Musical 13 wie ein Urknall….
OMM: Sie leben ja auch in Dresden und kennen die Stadt - gibt's da Unterschiede zu Halle?
Köhler:Anders als in Halle gehört in Dresden Kultur immer noch in annähernd allen gesellschaftlichen Schichten zum guten Ton. Sie können mit jedem auf irgendeiner Party drüber reden. In Halle ist das eher selten. Mit der Uni als Publikumspotenzial hat man es schwer - es gibt keine Konzernzentralen in Halle. Es ist schwierig.
OMM: Halten sie das Marketing der Oper für ausreichend?
Köhler:Überhaupt nicht - es ist ja fast eingeschlafen, so zurückgefahren wurde es aus Gründen der Einsparungsauflagen. Die Kollegen sind zu wenige und konnten gar nicht allem gerecht werden. Und wenn es heißt, dass wir Besucherziele nicht erreicht haben, dann hat das viele Ursachen. Wenn man sich beispielsweise für den Ring entscheidet und den selbstverständlich der GMD dirigiert, dann kostet das durch die Proben eine Neuproduktion. Im günstigsten Fall also 6000 Zuschauer. OMM: Welche Rolle spielt die Reflexion in den Medien hier vor Ort?
Köhler:Wenn man hört, dass Oper oder Theater nicht mehr (oder nur im Ausnahmefall) ein Aufmacher sein sollen (und das kann man ja hier in Halle beobachten), dann ist das symptomatisch. Und offen gesagt eine Katastrophe. Ich weiß ja nicht, wie repräsentativ die Umfragen sind, die zu solchen Schlüssen führen. Oper, Konzert und Theater sind dazu da, um Emotionen zu pflegen. Und die vernachlässigt man in unserer Gesellschaft, die so auf betriebswirtschaftliche Dinge ausgerichtet ist, ganz gerne mal. Aber aus schlechten Emotionen entstehen die schlimmsten Taten. Deshalb finde ich das eine ganz schwierige Sache, wenn man sagt, Theater ist keinen Aufmacher mehr wert. Ich denke, dass man von medialer Seite damit eine gesellschaftliche Pflicht vernachlässigt. Es geht nicht nur um die Besprechungen und die Kritiken, sondern auch um Berichte im Vorfeld. Aber hier ist eine Abwärtsspirale im Gang, die der Gesellschaft schadet.
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Axel Köhler (Foto Matthias Creutziger)
Axel Köhler, 1960 in Dresden geboren, ist einer der herausragenden Countertenöre der 1980er- und 1990er-Jahre. Zunächst neben Jochen Kowalski der herausragende Sänger seines Fachs in Deutschland und erfolgreich in Opern des Barock - vor allem mit Werken Georg Friedrich Händels, nicht zuletzt bei den Händel-Festspielen in Halle - wendete er sich ab 1995 verstärkt der zeitgenössischen Musik zu. So gestaltete er Hauptpartien in Werken von Alexander Göhr, Siegfried Matthus, Detlev Glanert und mehrfach Hans-Werner Henze. Als Regisseur debütierte er 2000 mit L'incoronatione di Poppea von Claudio Monteverdi in Hall. Es folgten Arbeiten am gleichen Haus und u.a. in Schwerin, Innsbruck, Graz, am Münchener Gärtnerplatztheater und an der Semperoper in Dresden. 2009 wurde Axel Köhler zum Opernintendanten in Halle berufen. In diesen Tagen endet seine dortige Tätigkeit. Axel Köhler bei den Proben zu Schwanda, der Dudelsackpfeifer an der Semperoper Dresden (Foto Matthias Creutziger) |
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