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Frische Impulse für das OrchesterConstantin Trinks als Gastdirigent am Pult der Neuen Philharmonie WestfalenNachdem sich der aus Karlsruhe stammende Dirigent Constantin Trinks in den letzten Jahren am Opernrepertoire „abgearbeitet“ hat, liegt sein Fokus aktuell beim sinfonischen Repertoire. Als Gastdirigent musiziert er mit der Neuen Philharmonie Westfalen Mozarts Pariser Sinfonie. Der Cellist István Várdai tritt mit Camille Saint-Saens berühmtem Cellokonzert ins Rampenlicht. (Várdai war im Jahr 2014 Preisträger beim renommierten ARD-Wettbewerb.) Farbenreich-sinfonische Kontraste setzen Franz Listzs sinfonisches Poem Mazeppa nach Texten von Viktor Hugo sowie Erich Korngolds Schauspielouvertüre für großes Orchester opus 4. Nur ein paar Probentage müssen hierfür reichen. Aber ein solcher Druck macht bekanntlich produktiv, wie es Trinks im Gespräch bekundete...
OMM: Herr Trinks, wie haben Sie die erste Probe mit der Neuen Philharmonie Westfalen erlebt? Trinks: Die Arbeit macht großen Spaß. Das Orchester ist sehr offen und schnell. Vor allem bei Liszt und Korngold ist die Arbeit sehr anspruchsvoll. Das braucht seine Zeit, bis man da zusammenfindet, und das Orchester muss sich natürlich auch auf den Dirigenten einstellen. Wir haben zu Beginn erst einmal Mozart geprobt. Ich freue mich besonders, dass es im Orchester so einen hervorragenden „Mozart-Stil“ gibt.
OMM: Ist Mozart ein bewusst gewählter Gegenpol im Programm?
Trinks: Das Programm folgt ja einer übergreifenden Idee. Alle Komponisten in diesem Programm waren ja sogenannte Wunderkinder, die alle schon in sehr jungem Alter herausragendes geleistet haben. Wenn man darüber redet, ist Mozart natürlich ein logischer Bestandteil. Auch Camille Saint-Saens war schon in jungen Jahren außerordentlich aktiv. Von Mozarts Pariser Sinfonie zu einem französischen Komponisten schlägt das Programm eine weitere Brücke.
Der zweite Teil setzt einen starken musikalischen Gegenpol: Liszts sinfonische Dichtung Mazeppa und Erich Korngolds Hollywood-Ouvertüre sind miteinander sehr stark verwandt. Beide Werke setzen auf rauschhafte Klangfarben und viel extrovertierten Gestus. Franz Liszt hat ja in dieser Hinsicht einen stark prägenden Einfluss auf Wagner gehabt. Vieles ist hier schon angelegt, was in Wagners Opern weitergeführt wird. Man denke allein an so manche rezitativische Passage in den Streichern. So etwas findet sich später in noch raffinierterer Form in Wagners Walküre. Korngolds Schauspiel-Ouvertüre ist als wirkungsvollstes und effektvollstes Stück am Ende am besten aufgehoben. Bemerkenswert ist, dass Korngold dieses Stück mit noch nichtmals 14 Jahren (!) geschrieben hat. Man kann sich nur wundern über so viel Raffinesse und Ausdrucksvielfalt in so einem zarten Alter.
OMM: Was ist Ihnen wichtig, wenn Sie diese Stücke musizieren?
Trinks: Die Behandlung des Blechs ist vor allem bei Liszt sehr massiv mit seinen verschwenderischen Fortissimo-Parts. Da muss man schon ganz schön die Kräfte strukturieren. Vor allem, da moderne Instrumente deutlich mehr Potenzial haben als die Instrumente des 19. Jahrhunderts. Mein Bestreben ist es, den Liszt etwas mehr wie zum Beispiel Berlioz zu spielen, also relativ direkt und schlank im Zugriff.
OMM: Nochmal zurück zur Richard Wagner. Der spielt ja eine sehr zentrale Rolle in Ihrer künstlerischen Laufbahn?
Trinks: Wagner war sogar der eigentliche Grund für mich, Dirigent zu werden. Ich habe mich schon als 11jähriger dafür begeistert und meine ganzen Teenagerjahre in Wagners Musik gelebt. Wagner hat nach wie vor eine sehr große Bedeutung für mich. Ich habe mittlerweile alle Werke aus dem Bayreuther Kanon dirigiert, also 11 von insgesamt 13 Opern.
OMM: Welche Aspekte bedeuten Ihnen hier besonders viel?
Trinks: Vor allem die Klangfarben und harmonischen Wendungen, die einfach unglaublich schön sind. Da ist dieses Rauschhafte. Der Aufbau ist dramaturgisch einfach immer perfekt. Und es steckt eine riesige Energie darin!
OMM: Was sind die Herausforderungen beim Programm in Recklinghausen?
Trinks: Der Liszt ist technisch für die Streicher sehr schwer, da ist extrem präzise Artikulation in den schnellen Tempi gefragt. Auch das Zusammenspiel mit den Bläsern ist sehr heikel. Für mich als Dirigent ist vor allem Korngold die größte Herausforderung: Es passiert wahnsinnig viel parallel und es gibt unglaublich viele Rubati. Das Tempo schwankt ständig und es gibt viele Walzerelemente. Man darf das ja nie ganz gleichmäßig spielen, sonst wäre es ja kein Walzer mehr. Es geht darum, dass in einer so großen Besetzung das Schiff durch die Wellen zu lenken, damit es organisch ist und die Übergänge so fließen, dass alles gemeinsam atmet.
OMM: Wie ist es zur Zusammenarbeit mit der NPW gekommen?
Trinks: GMD Rasmus Baumann, mit dem ich jahrelang befreundet bin, hat mich eingeladen. Davon abgesehen, habe ich schon oft im Ruhrgebiet dirigiert - in Duisburg, Essen und jetzt eben auch hier.
OMM: Sie haben sich ja vor Jahren sehr bewusst für eine freiberufliche Dirigententätigkeit entschieden. Wie unterscheidet sich dieser Berufsalltag von dem eines festangestellten Generalmusikdirektors?
Trinks: Künstlerisch sehe ich einen großen Vorteil, dass ich mich voll und ganz auf die Musik konzentrieren kann und nicht um Verwaltung und Administration kümmern muss. Das ist der eindeutige Pluspunkt. Es gibt natürlich auch Minuspunkte: Ich kann nicht so sehr mit einem festen Klangkörper einen eigenen Stil und eine eigene Handschrift entwickeln, wie ich es als fest engagierter Chefdirigent könnte. Und das viele Reisen beeinflusst das Privatleben. Aber das hat auch wieder schöne Seiten. Ich komme so oft an Orte zurück, an denen ich schon mal gewesen bin.
OMM: Wie erleben die Orchestermusiker die Begegnung mit einem Gastdirigenten?
Trinks: Die Zeit für eine Einstudierung ist immer sehr kurz. In kurzer Zeit hier etwas eigenes herzustellen ist die hohe Kunst. Manchmal gelingt es auf Anhieb, manchmal steigert es sich auch noch von einem Konzert zum nächsten. Ich denke, so etwas ist immer sehr gesund für ein Orchester und bringt neue, frische Impulse.
OMM: Was ist Ihre Intention in Bezug auf das Publikum?
Trinks: Vor allem, dass das Publikum so stark involviert wird, dass niemand mehr auf die Idee kommt zu husten. Dass die Zuhörer sich wirklich aktiv wegtragen lassen von der Musik. Vor allem, dass sie nicht nur intellektuell und analytisch hören, sondern sich ganz hingeben können. |
Constantin Trinks (Foto © C. Trinks) Constantin Trinks, geboren 1975, war von 2000 2002 Solo-Korrepetitor und Kapellmeister in Karlsruhe, von 2002 2009 zunächst Kapellmeister, später kommissarischer GMD am Staatstheater Saarbrücken. 2009 trat er das Amt des Generalmusikdirektors in Darmstadt an, was 2012 nach einem Zerwürfnis mit Intendant John Dew im Eklat endete. Seitdem ist Trinks freier Dirigent. István Várdai (Foto © Stefan Pieper)
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