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Auf zu den Wurzeln

Im Vorfeld der Bayreuther Festspiele werden im Jubiläumsjahr 2013 auch die Frühwerke des Jubilars in Bayreuth erklingen. Nicht im Festspielhaus, aber in der Oberfrankenhalle. Constantin Trinks wird das Liebesverbot dirigieren. Aron Stiehl hat es inszeniert. In Dresden hat Trinks gerade die Neuproduktion des Fliegenden Holländer dirigiert. Kurz vor der Premiere in Bayreuth, die am 8. Juli stattfinden wird, sprach Joachim Lange mit Constantin Trinks.    


OMM: Wie liefen die Vorbereitung in Bayreuth zum Liebesverbot?

Trinks: Sehr gut. Wir sind hochzufrieden. Es klingt viel besser, als man es von so einer Halle erwarten würde. Es hat sich also gelohnt, was man da hineingesteckt hat.

OMM: Was wurde denn gemacht?

Trinks: Als ich reingekommen bin, war es dunkel (lacht). Es ist also verdunkelt worden, so wie man es eben braucht. Sie haben aber auch akustische Segel eingebaut, um den Klang entsprechend ins Publikum zu reflektieren.

OMM: Und wie wird es szenisch?

Trinks: Ich bin da sehr glücklich. Sowohl was die Zusammenarbeit mit dem Regisseur Aron Stiehl betrifft, als auch mit dem Ergebnis. Es ist witzig, auch ein bisschen verrückt, was gut zu dem Stück passt. Dabei hat es auch ernste Momente – alles in einer sehr guten Mischung. Er hat ein Händchen für die komischen Stücke.

OMM: Sie haben ja bei Wagner schon alles außer Tristan gemacht – wie viel echter Wagner ist denn im Liebesverbot?

Trinks: Bei den Feen bewegt er sich im romantischen Umfeld, also von Spohr, Weber oder Marschner, und unternimmt einen eigenen Gehversuch. Bei Rienzi orientiert sich Wagner eher an Meyerbeer und der französischen Grand opéra. Das Liebesverbot liegt dazwischen. Das klingt streckenweise wie eine italienische Oper, nach Rossini und Donizetti. Zwischendurch dann auch deutsche Einflüsse wie Weber und Lortzing. Ein Motiv, das an das Dresdner Amen anknüpft, hat er sogar wörtlich im Tannhäuser übernommen. Aber im Prinzip handelt es sich um eine italienische Opera buffa  in deutscher Sprache. Die Handlung hat Wagner nicht zufällig von Wien, wo das Stück bei Shakespeare spielt, nach Sizilien verlegt. Das schlägt sich auch im musikalischen Stil nieder.

OMM: Ist das Liebesverbot nun interessant, weil es ein Frühwerk ist, oder ist es auch für sich genommen tragfähig?

Trinks: Sagen wir mal so: mit Wagner, wie wir ihn kennen und lieben, hat das Stück ziemlich wenig zu tun. Es ist insofern tragfähig, weil man spürt, dass ein munteres Talent am Werke ist. Darin steckt eine wahnsinnige Energie, starker Ausdruckswille und ein unglaubliches Gefühl für das Theater und dramatische Situationen. Auch für komische. Die sind klug gebaut, und man staunt, dass ein Zweiundzwanzigjähriger so eine Form gefunden hat. Das Stück hat seine Qualitäten, wenn man es konsequent kürzt und es gut inszeniert.

OMM: Wieviel haben Sie denn gekürzt?

Trinks: Ich schätze mal so vierzig Minuten … Das merkt ja vielleicht eh keiner, weil das Werk so selten gespielt wird…. Strichlos macht keinen Sinn, weder fürs Publikum, noch für die Ausführenden.

OMM: In Dresden haben Sie ja gerade den Holländer dirigiert …

Trinks: Der Sprung ist gigantisch. Die Stile der drei Frühwerke sind schon sehr unterschiedlich. Beim Holländer findet man zwar auch noch Elemente der italienischen  Oper, etwa in der Spinnstube oder der Daland-Figur. Trotzdem blitzt da plötzlich das Metaphysische auf und das, was über alles Konventionelle hinausweist. Es ist schon kein Zufall, dass man Wagner erst ab Holländer spielt. Nicht nur er selbst war der Meinung, dass er erst hier seine eigene Sprache gefunden hat. Aber gerade im Wagnerjahr, wo ich fast ausschließlich Wagner dirigiere, ist es sehr erfrischend eine italienische Buffa dazwischen zu dirigieren.

OMM: Was bringt Ihnen das?

Trinks: Na es macht zunächst mal großen Spaß. Man muss zwar immer um die Balance kämpfen, weil das Werk enorm dick instrumentiert ist, aber der Spaß ist enorm. Auch mit den Solisten und mit dem Chor, es reißt einen mit. Ich habe mich in den letzten Jahren eher mit den Spätwerken - wie mit Parsifal oder dem Ring -  beschäftigt. In diesem Jahr eher mit Holländer und Tannhäuser - da ist es hochinteressant festzustellen, wo er herkommt. Nehmen Sie allein die Problematik der unerfüllten Liebe, mit der er sich immer wieder aus unterschiedlicher Perspektive beschäftigt hat.

OMM: Wie waren denn Ihre Erfahrungen jetzt in Dresden mit der Holländer-Inszenierung von Florentine Klepper?

Trinks: Ich kann mit dem Ergebnis gut leben. Es ist ästhetisch sehr stimmungsvoll und passt zur Musik. Was man optisch an Wirkung erzielt, läuft zumeist nicht gegen die Musik. Der Austausch mit der Regisseurin bestand schon über ein Jahr zuvor.

OMM: Sie haben also kein Problem mit der Regie?

Trinks: Ich finde, dass heutzutage das Kräfteverhältnis zwischen Dirigent und Regisseur nicht immer ausgeglichen ist, und den Regisseuren mitunter zu viel freie Hand gelassen wird, wenn es um Eingriffe geht. In Hannover haben sie gerade sogar den Text bei den Meistersingern geändert. Oder, wenn die Musik unterbrochen wird oder der Schluss vom Tonband kommt. Dafür habe ich kein Verständnis. Es ist aber nicht so einfach, wenn man als junger Dirigent die Chance bekommt, an großen Häusern zu dirigieren, bei manchen Dingen auch „Stopp“ zu sagen. Da kommt es dann sehr viel auf die Intendanten an, die oft ja selbst Regisseure sind.

OMM: Sie sind schon gegen Eingriffe der Regie in den Text oder die Musik?

Trinks: Ja. Man muss stark aufpassen. Wenn man etwa sagt, das ist doch so komponiert, hier findet eine Bewegung statt, dann kommt manchmal die Antwort: Wir brauchen das ja nicht zu doppeln. Damit kann ich nicht so wahnsinnig viel anfangen. Natürlich gibt es doppelbödige Informationen, wo die Bühnenfigur etwas anderes als das Orchester sagt, das ist spannend, aber im Werk angelegt. Für Regisseure ist es aber auch nicht leicht, weil sie immer neue Sichtweisen finden sollen. Wobei das Publikum vor allem einen lebendigen und spannenden Abend haben will.

OMM: Wie erfahren Sie jetzt als freier Dirigent den Unterschied zur Position eines GMD?

Trinks: Wenn man GMD ist, dann kann man das musikalische Profil des Hauses prägen, im besten Fall sogar das musikalische Leben einer Stadt. Vor allem kann man sich im Konzert verwirklichen. Wenn man als Gast engagiert wird, dann kommen viele Stücke wie zum Beispiel eine Bruckner-Sinfonie nicht in Frage, weil der jeweilige Chef sich diese selbst vorbehält. Das vermisse ich jetzt schon. Sonst aber ist es wohltuend, dass man sich auf die Arbeit konzentrieren kann und sich nicht um die Administration kümmern oder sich im schlimmsten Fall gegen machtbesessene Intendanten wehren muss…

OMM: Da haben Sie ja mit John Dew so Ihre Erfahrungen…

Trinks: Wobei die Ästhetik da nie das Problem war. Mit den Inszenierungen von Herrn Dew konnte ich immer sehr gut leben. Aber das Kapitel ist für mich abgeschlossen. Auch der Prozess ging zu meinen Gunsten aus und ich kann mich wieder auf die Kunst konzentrieren..

OMM: Was Sie jetzt machen erinnert etwas an Kirill Petrenko….

Trinks: Mittelfristig würde ich mich auch gerne wieder an ein Orchester oder Haus binden. Wenn man es sich leisten kann, ist es aber auch eine tolle Zeit, als freier Dirigent zu arbeiten.

OMM: Wie in Dresden – ist denn die Staatskapelle wirklich die gerühmte Wunderharfe?

Trinks: Ich bin ja mit dem Holländer nicht zum ersten Mal dagewesen. Mein Debüt war 2010 der Rosenkavalier. Dann Hänsel und Gretel und schließlich Schwanda. Ich kam also schon öfter in den Genuss dieser wunderbaren Akustik und den besonderen Klang des Orchesters. Es ist einfach diese besondere Affinität zum deutschen spätromantischen Repertoire, das da tief verwurzelt ist. Da muss man über vieles nicht reden. Was die Stilistik angeht, oder die Nuancen in der Artikulation, den Nachklang, wie man einen Akkord beendet – das ist hier alles selbstverständlich.

OMM: Bei anderen Orchestern nicht?

Trinks: Ab einem gewissen Niveau auch da. Aber wenn man Wagner in Japan oder Frankreich dirigiert, da ist manches nicht selbstverständlich. Dafür fällt uns Deutschen die französischen Musik vielleicht schwerer. Wagner ist der Grund, warum ich Dirigent wurde. Nach wie vor stehen Wagner, Strauss, aber auch Mozart bei mir im Mittelpunkt.

OMM: Sehen Sie sich als Spezialisten?

Trinks: Mein Herz schlägt auch für die Alte Musik. Für Bach, Händel, auch Schütz und Monteverdi. Das sind Komponisten, die ich in den letzten Jahren wenig dirigieren konnte, das ist eben so, wenn man so einen Weg eingeschlagen hat. Dann ist es schwierig, zumal es eben heute auch viele Spezialisten auf diesem Gebiet gibt. Das deutsche Repertoire ist sicher meine Stärke, aber ich bin stilistisch flexibel.




(Juli 2013)




Foto Constatin Trinks - kommt später
Constantin Trinks (Foto © Dirk Guldner)

Constantin Trinks, geboren 1975, war von 2000 – 2002 Solo-Korrepetitor und Kapellmeister in Karlsruhe, von 2002 – 2009 zunächst Kapellmeister, später kommissarischer GMD am Staatstheater Saarbrücken. 2009 trat er das Amt des Generalmusikdirektors in Darmstadt an, was 2012 nach einem Zerwürfnis mit Intendant John Dew im Eklat endete. Seitdem ist Trinks freier Dirigent. Sein Debüt an der Dresdner Semperoper gab er 2010.






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