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Werkstatt SalzburgIn Salzburg sprach Joachim Lange vor der Premiere der Cosi fan tutte - Inszenierung mit Regisseur Claus Guth, der mit der Wiederaufnahme seiner drei Inszenierungen der Da Ponte Opern Mozarts in diesem Jahr das Werkstatt-Prinzip praktizierte.Von Dr. Joachim Lange OMM: Herr Guth: Alle drei Da Ponte Opern als Zyklus neben den Neuproduktionen, dabei neu einstudiert und z. T. stark überarbeitet: Haben Sie damit so etwas wie eine Werkstatt Salzburg installiert?
Guth: Es fing mit
dem Figaro an und hat sich dann, ganz pragmatisch, unter den Intendanten
Ruzicka, Flimm und Hinterhäuser dahin entwickelt. Der Figaro mit Nicolaus Harnoncourt und Anna Netrebko als Susanna war so ein Erfolg, dass die Idee
aufkam, den noch einmal zu spielen. Dann schlug Flimm vor, Don Giovanni zu
machen. Und als auch der gut lief, wurde beschlossen, daraus einen Da Ponte
Zyklus zu machen. Mir war klar, dass dann auch der Figaro, der ja sehr auf Harnoncourt zugeschnitten war, überarbeitet werden müsste, wenn dieser Dirigent
nicht mehr zur Verfügung steht.
OMM: Ist das für Sie eine neue Erfahrung? Guth: Für mich ist das etwas ganz Gigantisches, weil man im Repertoire einfach nicht die Chance hat, auch mal zu sagen: hier war meine Interpretation noch nicht da, wo ich sie eigentlich haben wollte. Das ist einfach phantastisch, wenn man, wie hier, eigene Eindrücke und die Reaktionen sammeln und dann mit dem Team überlegen kann, wie man damit weiterarbeitet. OMM: War das nicht auch schon in Bayreuth mit Ihrem Holländer so? Guth: Dort habe ich den Holländer zwar auch von Jahr zu Jahr noch zugespitzt. Aber eigentlich mache ich hier viel mehr als in Bayreuth. OMM: Gab es dabei solche Restriktionen wie in Bayreuth?
Guth:
Kleine
Einschränkungen gab es hier auch. Man hat gefragt: Was willst Du ändern? Und
dann schauen wir, ob wir es realisieren können. OMM: Wenn Sie die Arbeit in Bayreuth mit der in Salzburg vergleichen? Wo macht es mehr Spaß? Guth: Ich war ja, seit ich in Bayreuth gearbeitet habe, nicht wieder dort. Das hat sich nicht ergeben, weil ich im Sommer immer in Salzburg zu tun hatte. Vergleichen kann ich das also nur mit der Zeit von damals. Das war von den Arbeitsbedingungen toll. Aber die Atmosphäre war ungut. Man hatte ständig das Gefühl, dass man überwacht wird. Alles, was auf der Probebühne passierte, wusste eine Minute später das Betriebsbüro. Man hatte jedenfalls nicht das Gefühl, dass man geschätzt wird mit seiner Arbeit und dabei unterstützt wird. OMM: Nun waren Sie ja in gewisser Hinsicht auch der erste einer Reihe von „neuen“ Regisseuren… Guth: Sicher. Ich glaube auch, dass sich das inzwischen verändert hat. Das war damals schon eine merkwürdige Atmosphäre…. OMM: Und hier in Salzburg?
Guth: Hier ist es
eigentlich perfekt! Z. B. auch bei den Sängerbesetzungen, die man über Jahre
vorbereiten kann. Man kann sich, selbst für jede kleine Rolle, Sänger anhören
und beratschlagen, ob und wie jemand in zwei Jahren singen könnte. Besetzungen
werden so gemeinsam kreiert und letztlich ist mein Wort dabei entscheidend. Das
erlebe ich sonst selten. Im Theater an der Wien ist eine ähnliche
Arbeitsatmosphäre. OMM: Was meinen Sie, wird das so bleiben? Werden Sie bleiben bzw. wiederkommen, wenn Alexander Pereira Intendant ist?
Guth:
Sagen wir
mal so: Es wäre eigenartig, wenn ich hier nicht mehr arbeiten würde. Ich habe ja
an keinem anderen Opernhaus so viele Inszenierungen gemacht, wie in Zürich.
Insofern wird es zu gegebener Zeit auch wieder eine Zusammenarbeit geben. Jetzt
ist aber erst einmal eine Guth-Pause in Salzburg. Guth: Aber der Publikums-Zuspruch bei der Premiere der Wiederaufnahme war so enorm, dass ich sogar darüber erstaunt war. Klar, es bleibt das schwierigste Stück, eins, bei dem man auch als Zuschauer noch am meisten auf Distanz gehalten wird. Es wird ja immer eine Art Experiment vorgeführt, bei dem man sich nicht so ohne weiteres identifizieren kann. 2009 war ich damit noch gar nicht zufrieden. Deshalb habe ich es auch noch einmal stark überarbeitet. Jetzt bin ich zufrieden. OMM: Die Inszenierung wirkt tatsächlich viel klarer und auf das Experiment hin zentriert… Guth: Ich habe versucht, mich gerade nicht mit den Klippen des Stückes zu beschäftigen. Für mich ging es mehr um die innere Verbindung zum Figaro, mit seiner Amor-Figur, als einem Wesen, das ohne ein Ziel zu haben, Bewegung auslöst. Und dann die Cosi: wo ich plötzlich das Gegenteil erlebe. Wo mir ein Enttäuschter begegnet, der menschliches Verhalten für berechenbar hält. Das ist eigentlich schockierend. Deshalb habe ich auch die Komödie nicht ins Zentrum gestellt. Vielmehr zeige ich einen gefallenen Engel, der das Experiment schon millionenfach gemacht hat und die Reaktion der Menschen als immer gleich erlebt. Es hat mich gereizt, das Verspielte des Figaro, das Obsessive des Giovanni und das Zynische der Cosi nebeneinander zu stellen. Das sind unterschiedliche Einstellungen zum Leben. OMM: In der Cosi ist es bei Ihnen auch nicht so wichtig, wann die Frauen das erste Mal Ihre Beziehungswünsche ändern…. Guth: Für mich ist das eigentlich mehr ein Gedanke, der klein anfängt und dann wächst. Deshalb flüstert Don Alfonso am Anfang den Männern auch etwas ins Ohr. Und man erlebt dann, wie so ein Gedanke dem Lebensentwurf, den die Menschen haben, in die Quere kommt. Das, was unvermittelt daher kommt, hat schließlich die größere Kraft, als das, was man sich vorgenommen hat. OMM: Wie haben sich die Veränderungen an den einzelnen Stücken ergeben? Guth: Als ich mit dem Figaro anfing, konnte ich nicht wissen, dass es ein Zyklus wird. Ich wusste aber, dass ich die Cosi einbinden wollte in ein Thema mit Variationen. Die Bühne im Figaro hat mit Architektur, mit Kultur zu tun. Der Wald im Giovanni ist das maximale Gegenteil, nämlich die Natur. Und in der Cosi gibt es diese Künstlichkeit. Sieht man den Zyklus als Ganzes, dann sind die drei Stücke wie drei Bausteine, aus denen sich die Realität zusammensetzt. Das ist eine kleine Kosmologie des Ganzen. OMM: Und aus dieser Perspektive musste die Cosi am deutlichsten verändert werden? Guth: Nicht nur ich habe mich gefragt, warum mich die Version von 2009 relativ wenig berührt hat. Es lag daran, dass da eine Eigendynamik entstanden war. Weil wir das Geschehen in einer realen Yuppie-Villa angesiedelt hatten, wirkte es so, als ob ich die Scheinheiligkeit einem bestimmten Milieu zuordnen wollte. Dabei hatte mich das gar nicht so interessiert. Jetzt könnte man irgendwelche Paare nehmen, in die Schachtel setzen und schauen wie sie sich verhalten. Zudem ist Despina völlig neu angelegt. Sie ist jetzt in das Zynismus-System des Alfonso eingebunden, wie ein Teufel in der Ausbildung. Ich versuche auch zu zeigen, wie sie mit ihrer Rolle kämpft, also noch eine gewisse Distanz hat. Doch ist insgesamt alles klarer: Don Alfonso und Despina gegen die anderen, wie die Laborleiter gegen die Mäuse. Und wir erleben Leute, die an einen Ort kommen, an dem sie ihre andere Seite kennenlernen. Es gibt bewusst Zitate von psychoanalytischen Verfahrensweisen, wenn etwa die Sänger auf Klötze gesetzt werden. Bei Freud gibt es den „Pförtner des Unbewussten“ - genau der ist Don Alfonso bei mir.
(August 2011)
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