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"Ich kann Konflikte austragen"

Die Bayreuther Richard-Wagner Festspiele werden am 25. Juli mit einer Neuinszenierung des Parsifal von Uwe Eric Laufenberg eröffnet. Als der vorgesehene Dirigent Andris Nelsons wie aus heiterem Himmel hinschmiss, gab es für alle Beteiligten eine Schrecksekunde. Eine Festspieleröffnung 'mal ohne Kanzlerin ist zu verkraften, eine ohne Dirigenten wäre es natürlich nicht. Über die Gründe für Nelsons Ausstieg wird seither spekuliert. Am Dienstag wurde offiziell bekannt, dass der Parsifal-versierte Hartmut Haenchen einspringt. Joachim Lange traf den Regisseur im Festspielhaus.

Von Joachim Lange


OMM: Herr Laufenberg, wie inszeniert man Oper ohne Dirigenten?

Laufenberg: Es soll ja Dirigenten geben, die Regie führen können. Vielleicht gibt's auch Regisseure, die dirigieren? Meinen Plattenspieler dirigiere ich zu Hause. …
(Lacht. Kann er auch, denn gerade kommt der Pressesprecher mit der ab jetzt offiziellen Nachricht, dass Hartmut Haenchen übernimmt….)

OMM: Im Ernst: was ist dran an dem Eklat? Wer ist Schuld, dass Nelsons hingeschmissen hat?

Laufenberg: Man kann etliche Versionen dazu lesen. Der Laufenberg ist es jedenfalls nicht. Wir haben uns wahnsinnig gut verstanden. Aber jeder Mensch ist halt auf seine Weise kompliziert. Von Christian Thielemann wissen wir das ja. Dann kam noch eine Gemengelage mit Katharina Wagner dazu. Die ganze Wahrheit kenne ich auch nicht.

Laufenberg: Nelsons kann man vorhalten, dass er den Konflikt nicht geführt hat. Er hat die andere Seite nicht wissen lassen, was ihm auf die Nerven geht. Und den anderen kann man vielleicht vorwerfen, dass sie Einfühlung und Empfindlichkeiten außer Acht gelassen haben. Und nun sind alle erstaunt, dass das Porzellan zerschlagen ist. Wie ich es verstanden habe, gibt es aber die Hoffnung, dass es sich bis zum nächsten Jahr wieder kitten lässt….

OMM: Mit Ihnen gab es keinen Dissens?

Laufenberg: Ich hätte fast gesagt leider gar keinen. Sonst könnte ich mich jetzt mit dem Skandal ganz groß rausstellen und sagen können: hier habt ihr den Gorilla….(lacht)

OMM: War Thielemann in den Proben?

Laufenberg: Die Musiker waren bisher nur im Restaurant (Anm: das als Probenraum genutzt wird), und bei dem, was zu lesen war, ging es um Proben im Saal. Christian Thielemann hat allerdings so seine Auffassung davon, wie der Posten des Musikdirektors hier zu handhaben ist. Doch das ist Schnee von gestern. Jetzt kommt Hartmut Haenchen.

OMM: Kann es sein, dass sich Nelsons überfordert hat - er ist ja u.a. in Leipzig für Chailly eingesprungen?

Laufenberg: Nein, hat er nicht. Er war zu 100 Prozent konzentriert und wusste genau, was er wollte. Er ist aber konfliktscheu und wollte die Konflikte nicht austragen.
An allen großen Opernhäusern kommt immer einer, der etwas besser weiß. Mir hat er gesagt, dass er aus diesem Grund immer weniger Oper macht, obwohl er es gerne macht. Im Konzert ist er mit dem Orchester allein. Der Opernbetrieb läuft aber nur selten spannungs- und störungsfrei. Was ich Ihnen alleine von der Wiener Staatsoper erzählen könnte….
Es gibt Leute, die können das besser aushalten und andern nicht. Ich kann Konflikte austragen; auch weil ich schon etliche hinter mir habe. Mittlerweile habe ich ein Gespür dafür, wann ich freundlich sagen kann: Lasst uns auf die Sache gucken. Oder, wann ich auf den Tisch hauen und sagen muss: Lasst mich in Frieden.

OMM: Haben Sie eine Aktie an der Entscheidung für Haenchen?

Laufenberg: Der Name fiel ganz früh. Ich hätte mir gewünscht, dass die Entscheidung noch etwas schneller gefallen wäre. Man hat uns ein paar Tage nervös stehen lassen. Die Sänger waren hochnervös, weil es das Gerücht von Eingriffen in die Besetzung gab. Aber das hat sich nicht bestätigt. Katharina Wagner hat im Radio gesagt, dass sie hundertprozentig zu der Besetzung steht. Und die ist ja auch toll.

OMM: Kennen Sie Haenchen?

Laufenberg: Noch nicht - aber ich habe ein paar Mal Parsifal gehört, als er ihn dirigiert hat, und das fand ich wirklich gut!

OMM: Machen Sie die neuen Sicherheitsmaßnahmen hier auf dem Hügel nervös?

Laufenberg: Die machen mich nicht nervös, die finde ich nur blöd. Sie werden kontrolliert vor der Kantine, der Zaun hinter dem Haus ist auch Blödsinn. Ich denke, dass dieser Spuk nächstes Jahr wieder vorbei ist und man wieder zur Besinnung kommt…
Dieses Haus hat seinen Charme, weil es auf dem Grünen Hügel steht, man drumherum gehen kann, es offen ist. Als Kunsthaltung müsste man genau diese Atmosphäre betonen: Offenheit, Austausch, Freundlichkeit, Sommer! Stattdessen wird hier ein Hochsicherheitstrakt gemacht, der an die DDR erinnert.

OMM: Sind Sie auch schon nicht reingekommen?

Laufenberg: Unsern Parsifal Klaus Florian Vogt haben sie einmal nicht reingelassen und dann sogar mal abgeführt! Selbst Katharina Wagner kam einmal nicht rein. Da hab ich zu ihr gesagt: Sie sind doch die Hausherrin und könnten die alle sofort abziehen. Sie meinte, das ginge nicht. Jetzt gibt es zwischen der Stadt und der Festspielleitung eine Diskussion, wer eigentlich dafür verantwortlich ist.….

OMM: Vielleicht liegt's ja an einem zu provozierenden Regiekonzept?

Laufenberg: Nein, ich bin auch dafür nicht verantwortlich. Ich habe eine Entführung aus dem Serail in Wiesbaden, in Köln und in Potsdam aufgeführt. Und weil heute beim Stichwort Serail auch Burka bzw. Shador nahe liegen, wird das auch auf der Bühne gezeigt. Da ist niemand auf die Idee gekommen, dass man das bewachen muss. Wir waren damit sogar im Irak - da standen zwar Leute mit Maschiengewehren rum, aber man musste keinen Ausweis zeigen.

OMM: Also alles überflüssig und mehr gesellschaftliche Paranoia?

Laufenberg: Ja und zwar eine, die mit der Sache und mit dem, was hier eigentlich stattfindet, nichts zu tun hat. Aber woher die kommt und wie lange die anhält, kann man nicht sagen …

OMM: Kommen wir mal zum Eigentlichen: Was ist der Parsifal für Sie? Eine Art Kunst - Religion?

Laufenberg: Es ist das Ergebnis von Wagners lebenslanger Auseinandersetzung mit Religion. Vor allem mit der christlichen und dem Mysterium dieses Christus. Wagner hatte ein Libretto Jesus von Nazareth geschrieben - was nahe an Jesus Christ Superstar von Andrew Lloyd Webber rankommt. In dem Moment, als er sich entschied, es doch in seinem Mittelaltermythen zu lassen, hat er die Auseinandersetzung mit dem gekreuzigten, gefolterten Gott in den Vordergrund gestellt. Für den steht ja Amfortas. Und die Menschlichkeit, das Emphatische, das durch Mitleid Wissende, dafür steht Parsifal. Es geht darum, inwieweit Religionen, die im Grunde ihres Kerns ja für die Empathie und das Miteinander plädieren, Folter, Krieg und Kampf brauchen. Wagner hat nicht die Religion in ihrem Kern angreifen wollen, sondern versucht zu sagen: Wir finden sie eigentlich gut, aber wir müssen sie transformieren und weiterentwickeln.

OMM: Muss man selbst gläubig sein, um so etwas zu inszenieren oder als Zuschauer zu verstehen?

Laufenberg: Ich bin katholisch erzogen und Messdiener gewesen. Aber in Köln bin ich aus der Kirche ausgetreten. Das Bistum Meissner hat mir gereicht. Jetzt, mit Franzsikus, gibt es neue Impulse, die sympathisch sind. Wenn die Kirche sich wirklich nach ihrem neuen Papst richten würde, könnte sie einen deutlichen Schritt raus aus dem Apparat und zum Menschen hin gehen.
Beim Parsifal sagen die, die nicht glauben: Was soll der ganze Firlefanz. Und die, die glauben, sind meistens irgendwie beleidigt. Die wollen sich in ihren Glauben weder von Wagner noch von einem Schlingensief oder von mir reinreden lassen.

OMM: Sollte man Parsifal dann nicht aus einer konsequent nicht religiösen Perspektive interpretieren?

Laufenberg: Das würde das Stück verfehlen. Romeo Castellucci, der in Brüssel (mit Haenchen am Pult) inszeniert hat, eignete sich das Ganze nur übers Hören an. Bewusst, um den Text zu vergessen und sich ausschließlich von der Musik inspirieren zu lassen
Meine Herangehen ist das nicht. Ich halte Richard Wagner für jemanden, der Autor sein wollte, und versuche, diesem Autor gerecht zu werden. Ich bin kein Regisseur, der meint, dass er die Autorschaft unbedingt übernehmen müsste. Wenn man dabei bleibt, kommt man aus dem religiösen Kontext nicht raus. Ich weiß auch nicht, warum wir nicht über Religion reden sollten. Das ist immer noch ein großes Thema unserer Gesellschaft, unserer Geschichte und auch unseres Bewusstseins. Nicht zuletzt, weil wir uns ja dauernd mit den Fanatikern auseinander setzen müssen.

OMM: Sie folgen auf Schlingensiefs und Herheims Deutung …Wo ordnen Sie sich in der Rezeptionsgeschichte ein?

Laufenberg: Ich beziehe mich auf Richard Wagner. Seine Inszenierung ist am längsten gelaufen: 50 Jahre, 200 Vorstellungen. Die von Wieland Wagner brachte es zwischen 1951 und 1963 auf 100 Vorstellungen. Schlingensief ist seiner Vision gefolgt und Herheim hat den historischen Bilderbogen aufgeschlagen und die Geschichte Bayreuths abgehandelt. Das ist nicht unbedingt das Stück, aber die Geschichte des Stücks.

OMM: Und wie haben Sie sich dem Parsifal genährt?

Laufenberg: Innerlich arbeite ich daran schon dreißig Jahre. Ich habe hier in Bayreuth das erst Mal mit 19 den Chereau-Ring gesehen. Und war fasziniert, weil der gezeigt hat, dass Wagner ein Theaterautor ist. Seit dem lebe ich mit diesen Stücken. Parsifal war für mich am schwersten zu verstehen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich die unglaubliche Schönheit der Musik entdeckt habe. Na ja und dann war irgendwann das Konzept für Köln fertig. Was man dort nicht mehr mit mir wollte.
Von heute aus gesehen, müsste ich denen sogar Blumen schicken. Denn als Katharina Wagner mich nach Meeses Absage anrief, konnte ich mit einem fertigen Regiebuch anreisen.

OMM: Meese ist ja dann ziemlich ausfällig auch Ihnen gegenüber geworden…

Laufenberg: Wissen Sie, dieses Gequatsche mit dem Kameradenschwein usw., für mich ist das so öde und doof, ich will dazu gar nichts sagen. Der ist aber auch kein Regisseur. Vielleicht Künstler, aber wenn das die totale Kunst ist, dann will ich die vielleicht auch nicht.

OMM: Parsifal und Bayreuth - gibts denn nun dieses besondere Aura?

Laufenberg: Man spürt das schon im Zuschauerraum, der ja nirgends nachgebaut wurde. Parsifal ist speziell für hier konzipiert, weil Wagner die normalen Opernhäuser für zu trivial dafür hielt. Er wollte die Besinnung auf die Inhalte. Mich inspiriert dieser Ort total. Die Musik und die Themen sind groß. Und wenn sie dann auch noch eine Besetzung haben, die mit ihnen geht…. Sie merken das bei der Technik, bei der Requisite, beim Chor, beim Orchester. Die Musiker fangen hier bei der Probe da an, wo normale Orchester aufhören! Die ungeheure Kraft, die darin liegt, dass hier alle herkommen, um - ganz egal, was sonst noch passiert - genau die zehn Stücke zu machen, die spürt man.

OMM: Haben Sie es als auch Schauspieler und Schauspielregisseur in der Oper leichter mit den Sängern?

Laufenberg: Bis ich die Kölner Oper übernommen habe, galt ich als reiner Schauspielmann. Seither gelte ich als reiner Opernmann. In Wiesbaden mache ich wieder mehr von allem. In der Oper müssen sie zwar erst den Apparat organisieren, Bewegungsabläufe usw. Aber die meisten Sänger können per se gut schauspielern. Wenn ich allein an unsere Kundry denke….das macht wirklich Spaß!
Ich will die Musik sehen können, ich muss mit der Musik arbeiten, sonst brauch ich keine Oper zu machen. Wenn ich Aufführungen sehe, die sich überhaupt nicht um die Musik kümmern, dann denke ich mir: was soll das?


(Juli 2016)




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Uwe Eric Laufenberg (Foto © Lena Obst)


Uwe Eric Laufenberg, geboren 1960, begann als Schauspielregisseur u.a. in Frankfurt und Köln. Von 2004 - 2009 war er Intendant am Hans Otto Theater in Potsdam, 2009 wechselte er als Intendant an die Kölner Oper, wo er von der Kritik mit viel Lob dafür bedacht wurde, während der Sanierung des Opernhauses Produktionen an diversen, oft sehr originellen Ausweichspielstätten wie z.B. der Zentrale des ehemaligen Gerling-Versicherungskonzerns oder dem Treppenhaus des Oberlandesgrichts zu spielen. Gleichwohl überwarf sich Laufenberg mit der Kölner Lokalpolitik und beendete sein Engagement in einem immer stärker eskalierenden Streit bereits 2012. Seit 2014 ist er Intensant des Hessischen Staatstheaters Wiesbaden.

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Uwe Eric Laufenberg mit Elena Pankratova, der Darstellerin der Kundry, bei den Proben zu Parsifal(Foto © Bayreuther Festspiele / Jörg Schulze)


Ursprünglich sollte der - (nicht nur) wegen des mehrfach in Performances eingebundenen Hitlergrußes höchst umstrittene - Künstler Jonathan Meese die Regie der aktuellen Parsifal-Neuinszenierung übernehmen, bis die Festspielleitung ihm 2014 wieder kündigte. Eine "erhebliche Überschreitung der zur Verfügung stehenden Budgets" nannte man dort als Grund - dem Meese energisch widersprach und jeden potenziellen Regie-Nachfolger gleich als "Kameradenschwein" abkanzelte. Für die Inszenierung wurde kurzfristig Eric Uwe Laufenberg engagiert.

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Uwe Eric Laufenberg als Schauspieler: In Dr. med. Hiob Prätorius von Curt Goetz am Staatstheater Wiesbaden (Foto © Monika und Karl Forster)


Vor ein paar Tagen wurde bekannt, dass der für den Parsifal vorgesehene Dirigent Andris Nelsons abgesprungen ist - offenbar wegen Unstimmigkeiten mit Christian Thielemann, dem musikalischen Direktor der Festspiele. Hartmut Haenchen soll nun die Aufführungen dirigieren.









Da capo al Fine

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