Jan Drees
Letzte Tage, jetzt
Vergeßt Werther (und vergeßt endlich Stuckradt-Barre)!
Von Frank Becker
Ein Erstling ist Jan Drees´ soeben bei Eichborn erschienener neuer Roman "Letzte Tage, jetzt" nicht
- doch er hat die ganze Energie, das Licht, die Farbe, die Musik und das Herzblut, das man
bei anderen Autoren mitunter nur bei ihrem Erstling findet und fortan
schmerzlich vermißt. Dieser vom Umfang her schmale zweite Roman, der
sich weder zu wichtig nimmt, noch auch nur irgendwie aufgesetzt oder
kokett wirkt, ist ein filigranes kleines Meisterwerk - gedanklich allerfeinst
gesponnen, sprachlich von überwältigender Frische und Reichtum, von geradezu
biedermeierlicher Poesie und absolut überzeugend im Plot. Nachdem bereits "Staring at the sun" (2000) auf das sprachliche Potential des jungen Autors aufmerksam gemacht hatte, ist "Letzte Tage, jetzt"
der ganz große Wurf. Jan Drees hat mit diesem Buch mit Verve einen
Spitzenplatz der jungen deutschen Literatur errungen und fad gewordene
Autoren wie den heftig überschätzten Benjamin von Stuckradt-Barre auf
die Plätze verwiesen.
Jan Drees, als Journalist ausgewiesener Kenner der Club- und
DeeJ-aySzene sowie als Germanist Kapazität in Sachen Sprache und
Literatur und notabene Weinkenner, hat eines der ganz raren Bücher
geschrieben, die wenn auch brandaktuell in ihrem musik-kulturellen
Bezug, völlig zeitlos sind. Zitiert wird, was in der Szene gehört und
gelebt wird: Joao Gilbertos "Girl From Ipanema", Lennons "I´m just
sitting there..", Technotrance, Beatles, Massive Attack. Könnte
ebenso Mozart, Beethoven oder Schubert sein. Scheinbar unscheinbar
steht "Letzte Tage, jetzt" neben Goethes "Werther", Strauß´
"Freund Hein", Büchners "Woyzeck" oder Tucholskys "Schloß Gripsholm".
Doch er braucht nicht ins zweite Glied zu treten. Die Sprachgewalt
dieses kleinen großen Romans über den Hunger nach Liebe, den jeder
spürt, hat auf dem wenigen Raum, den er füllt, eine Sprengkraft, die
auch das versteinertste Herz öffnen muß. Dabei spielen Wortschöpfungen
und Sprachfindungen, die topisch werden könnten: "Südfruchtprosa, die
wie Kandis schmeckte" (...) als dufte das Papier wie eine
Kinopopcorn-Tüte" - oder: "lidschattige Mädchenaugen", "Ablieben
voneinander", "...ein wind-, sicht- und brennesselgeschütztes
Dunkelwaldfleckchen" und "..Blick durch die pollenstaubigen Scheiben
nach draußen" eine entscheidende Rolle. Zum Niederknien. Über eine
solche Sprache verfügen nur wenige.
Und wenn das dunkelbraune Cordjackett ins Spiel kommt, wissen wir: der
Autor selbst ist mittendrin in diesem Entwicklungsroman, einer
bittersüßen Liebesgeschichte, die er einfühlsam in Rückblenden aus der
Perspektive eines jungen Mädchens erzählt, das namenlos bleibt,
lediglich seinen geliebten/entliebten Freund beim kryptischen Anagramm
nennt: Nebil. Jan Drees schreibt Jan Drees. Verdammt dicht am Leben, hautnah an der
Wirklichkeit, involviert.
In einem gelungenen "Sitz im Leben" läßt er endlich die Identitäten der
beiden, die im Laufe der 138 Seiten ein zugleich verspielt übermütiges
und tiefgründig ernstes Gesicht bekommen haben, im Heute verschmelzen.
Seine Lesungen (Auftritte), von hellen Scharen bezaubernder, junger,
bildhübscher weiblicher Fans, neidlos bewundernder junger Herren und
anerkennender Literaturkritiker und -kenner besucht, sind derzeit DIE
Club-Events, auf der aktuellen
Deutschland-Tournee von DJ Christian Vorbau begleitet.
Jan Drees ist auf der Überholspur. Seine Lesereise hat am 7.2. in Wuppertal begonnen und führt über die folgenden Stationen (nicht versäumen!):
09.2.06: O 25, Frankfurt/M., 22.00 Uhr
10.2.06: Volksbühne Roter Salon, Berlin, 23.00 Uhr
11.2.06: Astra-Stube, Hamburg, 23.00 Uhr
18.2.06: 3Raumwohn ung, Bonn, 23.00 Uhr
24.2.06: zuHouse Club, Dortmund, 23.00 Uhr
Weitere Temine auf der Web-Seite www.letztetagejetzt.de. Einlaß jeweils eine Stunde vor Beginn - und anschließend Party!
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Jan Drees
Letzte Tage, jetzt
Eichborn, 2006 138 Seiten gebunden, mit farbiger Titel-Illustration
12,90 ¤
Weitere
Informationen unter:
www.eichborn.de
www.letztetagejetzt.de/tour.html
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