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Der Meister, der dazwischen riefOpernregielegende Joachim Herz ist am Montag (18.10.2010) im Alter von 86 Jahren gestorbenVon Joachim LangeDie jüngste Meistersinger-Premiere in Leipzig am 9. Oktober war der letzte Opernbesuch von Joachim Herz. Mit seiner eigenen Inszenierung dieser Wagneroper wurde der Bau am Augustusplatz ein halbes Jahrhundert zuvor eingeweiht. Es war klar, dass Herz sich es sich nicht entgehen lassen würde, selbst zu sehen, was einer seiner jüngeren Kollegen, Jochen Biganzoli, mit dem Stück anstellen würde. Das Fossil, wie Herz sich gerne selbst schon mal nannte, war immer noch viel unterwegs und hielt mit seiner Meinung nie hinter dem Berg. Da war schon während einer Vorstellung von Grummeln bis hin zum lauten Losbuhen alles drin. Auch diesmal bekam das Team noch einen Brief von ihm. Wie zu hören, war: wohlwollend und mit ausgewogener Kritik versehen. Doch wer im Opernhaus diesmal an dem alten Herrn im Rollstuhl vorbeiging der erschrak. Und der schlimme Eindruck täuschte nicht, am Montag 18. Oktober ist die am 15.Juni 1924 in Dresden geborene Theater- und vor allem Opernlegende gestorben. 126 Inszenierungen von mehr als 60 Opern zählt seine Statistik. Dass Herz nicht nur in Leipzig mit den Meistersingern, sondern 1985 mit Webers Freischütz auch die mit Prestigeehrgeiz und letzter Kraft wiederaufgebaute Dresdner Semperoper eröffnete, ohne Zugeständnisse an die weihevolle Staatsaktion zu machen, spricht vor allem für seinen künstlerische Integrität. Herz war Anfang der 50er-Jahre Assistent von Walter Felsenstein an der Komischen Oper, gehörte zu seinen legitimen Erben und trat 1976 sogar dessen Nachfolge an. Es tat dem nie einfachen, mitunter rabiaten Regisseur sichtlich gut, als ihm das Haus, das er 1981 mehr oder weniger freiwillig verließ, 2005 die Ehrenmitgliedschaft verlieh. Herz war ein Regisseur, der sich den Stücken verpflichtet fühlte und sie sozusagen von innen heraus neu erzählte, ihnen also nie von außen ein Konzept aufzudrücken versuchte. Und einer, ganz altmodisch, der sein Handwerk verstand. Seine Ära als Operndirektor in Leipzig von 1959 bis 1976 gilt heute, trotz aller DDR-typischen Beschränkungen, als die Blütezeit dieses Hauses. Herz selbst sprach von den sinnvollsten Jahren seines Lebens. Ein Jahrzehnt, bis zum Ende der DDR, bestimmte er als Chefregisseur das Profil der Semperoper in Dresden. Durch seine der Sache verpflichtete Unbedingtheit und manchmal auch Unbeherrschtheit hat Joachim Herz sich gewiss nicht nur Freunde gemacht. Im Ganzen haben ihm Berlin, Leipzig und Dresden eine hochproduktive Theaterzeit zu verdanken. Wie Ruth Berghaus (mit der er Anfang der 50er-Jahre eng zusammengearbeitet hat) und wenige andere DDR-Künstler gehörte Herz außerdem zu jenen, die auch im Rest der Welt zeigen durften, was sie konnten von Moskau bis Buenos Aires, in London, Köln, Vancouver und in Wien. In den letzten zwanzig Jahren hat Herz sin in einem lautstarkem und wortgewaltigen Unruhestand geübt. Wo er konnte, meldete er sich zu Wort und mischte sich ein, hielt Standpauken gegen Bühnenunsitten, die er ausgemacht hatte oder schrieb Kritikern auch schon mal erfrischend belehrende Briefe. Etliche seiner Inszenierungen wirken bis heute nach. In wie vielen Götterdämmerungen schieben sich die Bilder aus Herz' legendärem Leipziger Ring des Nibelungen vors innere Auge. Nach Siegfrieds Tod beispielsweise ließ er den Göttervater Wotan persönlich um den Helden trauern und hatte damit nicht nur die innere Logik der Tetralogie als kapitalismuskritisches Gleichnis auf seiner Seite, sondern fand dazu auch noch ein unvergessliches Theaterbild. Bedauerlich, dass dieser sächsische Ring noch nicht einmal verlässlich dokumentiert ist. Herz ließ sich ungern auf diesen Ring reduzieren, sprach lieber über Stücke, die er nicht inszeniert hatte und gerne inszeniert hätte, Rienzi oder etwa Berlioz' Trojaner. Und doch blieb das, was er da 1973 zwischen Krupp und Kaiser Wilhelm geschmiedet hatte (unmittelbar vor Patrice Chéreau in Bayreuth!) der eigentliche deutsche Jahrhundert- Ring. Das wirkt nach und wird bleiben. Seine Zwischenrufe und belehrende Briefe werden fehlen.
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Joachim Herz, 1960 (Foto: Helga Waldmüller) Joachim Herz, 2009 (Foto: Andreas Birkigt) |
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