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Der jazzige Ernst des LebensSeit 30 Jahren bereitet das Jugendjazzorchester NRW junge Talente auf Beruf und Leben vorVon Markus Bruderreck (Mai 2005) Diamonds are a Girls Best Friend eine alte Weisheit, die nicht nur Komponist Jule Styne und Marilyn Monroe als kurzsichtiger Sekretärin Lorelei Lee bekannt war. Der Song stammt natürlich aus dem altbekannten Film Blondinen Bevorzugt. Anika Hüttemann und Bianca Körner, Sängerinnen im Jugendjazzorchester Nordrhein-Westfalen, verknüpfen ihn auch mit der Gegenwart: Arrangeur und Komponist Michael Villmow hat passender Weise einige Takte von Madonnas Song Material Girl hier eingeschoben. Noch nicht alles klingt während der Probe des Jugendjazzorchesters in der Akademie Remscheid technisch und musikalisch perfekt. Doch kein Ort könnte für dezibelstarke Jam Sessions geeigneter sein als dieser abgelegene Gebäudekomplex, der in Nordrhein-Westfalen als eine der zentralen Stätten musischer Aus- und Weiterbildung Jugendlicher gilt. Hier haben sich die jungen Musiker des Jugendjazzorchesters NRW auf ihre gerade glücklich beendete Jubiläumstournee vorbereitet. Auch der 26-jährige Trompeter Jan Schneider hat mit seinem Instrument zum knackigen Sound der Band beigetragen. Er spielt nur als Aushilfe, denn eigentlich wird man schon mit 23 freundlich aus dem Ensemble hinauskomplimentiert. Für Jan Schneider war das Orchester ein wichtiges Mittel, um die nötigen Erfahrungen sammeln zu können: Man lernt sofort Leute aus anderen Städten kennen und es bildet sich sofort ein Netzwerk. Und das ist sehr hilfreich, die ersten Jahre. Es hilft einem auch sowieso in einer Gruppe, in einem Orchester zu spielen. Viele haben noch nicht die Erfahrung, in einer Bigband. Manche machen die ersten Gehversuche und lernen eigentlich ganz schön viel: Wie funktioniert das mit einer Bigband unterwegs zu sein, zu proben, 'ne ganze Woche lang. Also, das erfordert auch viel Disziplin. Heute geben fast alle Bundesländer ihrem musikalischen Nachwuchs die Möglichkeit, sich in Jugendjazzensembles auf das Profi-Dasein vorzubereiten. Nordrhein-Westfalen war jedoch 1975 das erste Bundesland, das hier die Initiative ergriff und mit tatkräftiger Unterstützung des damaligen Ministerpräsidenten Johannes Rau das erste Landesjazzorchester ins Leben rief, das damit in Deutschland gleichzeitig auch das erste vom Land geförderte Jugendensemble überhaupt war. Der wesentliche Impuls hierzu kam von der Dortmunder Musikhochschule und ihrem damaligen Leiter, Rainer Glen Buschman. Bis heute haben über 500 junge Musiker und Musikerinnen im Jugendjazzorchester ihre Erfahrungen gesammelt. Thomas Haberkamp, der das Ensemble seit 1993 als Manager betreut, hat selbst lange Jahre im JJO gespielt. Die Aufnahmebedingungen, so Haberkamp, sind hart: Generell muss man schon außergewöhnlich gut spielen können. Und man hat die Möglichkeit, das unter Beweis zu stellen beim Landeswettbewerb Jugend Jazzt, der alle zwei Jahre in Dortmund stattfindet. Dort hat man dann aIs Preisträger die Möglichkeit, in das Orchester aufzusteigen. Dazu machen wir noch so genannte Auditions, wodurch wir zwischendurch noch mal gezielt Leute auswählen, wenn es darum geht, bestimmte Instrumentengruppen neu aufzufüllen. Wenn man als junger Instrumentalist alle Hürden überwunden hat, die vor dem Eintritt ins Jugendjazzorchester aufgestellt wurden, profitiert man nicht nur von den neuen persönlichen Kontakten und der konzentrierten Arbeitsatmosphäre. Mit Wolf Escher, Wolfgang Breuer und Michael Villmow sorgen gleich drei künstlerische Leiter für Abwechslung im Programm und in den Arrangements. Zentral sind auch die Erfahrungen, die das Orchester auf den insgesamt 25 Tourneen sammeln konnte. Oft waren ferne Ziele dabei wie Ost- und Westafrika, Mittelamerika und China. Die Reisen sorgen immer wieder für unvergessliche Eindrücke. Auch Trompeter Jan Schneider hat solche intensiven Erinnerungen, vor allem an die Tournee des Orchesters durch Weißrussland im Jahr 2001. Im 15. Jahr nach der Katastrophe von Tschernobyl war sie dem Gedenken an den Reaktor-Unfall gewidmet. Da haben wir auch in Minsk mit dem Minsker Philharmonikern zu einer Trauerfeier gespielt. Und es war eine ganz besondere Atmosphäre, die ganze Tournee, es ist nicht so weit weg von Deutschland, es ist aber ein komplett anderes, völlig graues Land, ziemlich kalt. Und das hat die Band damals total zusammengeschweißt, weil das einfach manchmal eine ganz ungewöhnliche Atmosphäre war. Das gilt aber auch für alle Tourneen und alle Reisen, die die Band macht. Es ist danach immer ein sehr starkes Gruppengefühl da, was ich eigentlich immer sehr positiv finde." Das Repertoire des Jugendjazzorchesters Nordrhein-Westfalen ist bunt. Damit setzt es genau auch die Anforderungen um, die an junge Jazzmusiker heute gestellt werden. Nur noch Jazz einer bestimmten Stilrichtung zu präsentieren, reicht heute nicht aus, meint Orchestermanager Thomas Haberkamp. Man hat nur dann eine Chance, wenn man außergewöhnlich vielseitig ist. Und wir versuchen auch, in dieser Band ein bisschen deutlich zu machen, dass man nur dann eine Möglichkeit hat, später einen Fuß an die Erde zu kriegen, wenn man möglichst viel bedienen kann. Wenn man sich unser Programm anguckt, dann sieht man, dass wir auch hier recht flexibel sind und verschiedene Bereiche abdecken, von Jazz über Rockstücke, Balladen über traditionelle Stücke, Modern Jazz, Latin Jazz. Ich glaub', dass die Jugendlichen hier doch sehr unterschiedliche Stile praktizieren lernen, die sie dann später in ihrem Berufsleben gut verwerten können. Das Programm zum dreißigjährigen Geburtstag des Ensembles war ebenso bunt gemischt. Wie schon zum 25-jährigen Jubiläum wurde das Orchester bei seiner Tournee von prominenter Seite unterstützt. Pianist Frank Chastenier, mit Trompeter Till Brönner einer der prominentesten ehemaligen Mitglieder des Ensembles, widmete sich zum Beispiel seiner sanften Jazzversion von Herbert Grönemeyers Hit Mensch. Mit dabei war auch der kubanische Star-Klarinettist und Saxophon-Virtuose Paquito D'Rivera, der nicht nur während seiner Performance im Dortmunder Konzerthaus das Publikum zum Kochen brachte. Schauspielerin Katja Riemann konnte beweisen, dass sie auch eine ganz passable Sängerin ist (aber weniger Stil und Geschmack in der Wahl ihrer Garderobe hat). Kabarettist Robert Kreis sorgte als Moderator für den schwungvollen Rahmen, steppte zusammen mit dem Schlagzeuger der Band und war ansonsten ein recht zurückhaltender Führer durch das Programm. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Jugend Jazz Orchester NRW www.jjonrw.de Fotos: Christoph Giese |
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