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Ein Bewahrer des politisch relevanten Ensembletheaters

Nach zehn Spielzeiten verlässt Intendant Klaus Weise das Theater Bonn: Eine Bilanz

Von Stefan Schmöe

Als Klaus Weise zu Beginn der Spielzeit 2003/2004 sein Amt als Intendant des Bonner Theaters antrat, galt er vielen als Heilsbringer, hatte er doch zuvor das Schauspiel Oberhausen aus der Bedeutungslosigkeit heraus zu einer der interessanteren Bühnen des Landes gemacht. So sollte er dem Bonner Theater, einer aus seligen Bundeshauptstadtzeiten finanziell verwöhnten Institution, bei striktem Konsolidierungskurs ein künstlerisch klares, am besten immer noch metropolentaugliches Profil verleihen. Die Last dieses uneinlösbaren Anspruchs wog schwer, letztendlich zu schwer. Nch zehn Spielzeiten verlässt Weise das Theater Bonn sichtlich amtsmüde, zermürbt durch Dauerstreit mit den viel zu oft kunstfern agierenden Stadtoberen.

Dabei gelang es ihm schnell, ein gut funktionierendes Opernensemble aufzubauen und zusammenzuhalten, mit dem er, geschickt durch Gäste verstärkt, große Oper spielen konnte. Säulen des Bonner Programms waren etliche Hauptwerke von Verdi (Macbeth, La forza del destino, La Traviata, Otello, Un ballo in maschera, Rigoletto, Il trovatore), Donizettis Lucia di Lammermoor, Cileas Adriana Lecouvreur, Bellinis Sonnambula und Norma. Repertoirepflege betrieb er mit Mozart und Händel, Janacek und Puccini, spielte nicht nur Tschaikows Eugen Onegin, sondern auch die Pique Dame, und Wagners Tannhäuser und zuletzt Tristan und Isolde standen Strauss' Rosenkavalier und Elektra gegenüber. Das gab Freiräume für weniger Bekanntes, aber Entdeckenswertes, vor allem aus dem frühen 20. Jahrhunderts: Hindemiths Cardillac, aber auch den Einakter-Triptychon; Korngolds Tote Stadt, Szymanowskis Krol Roger, d'Alberts Golem, Schrekers Irrelohe und den Fernen Klang. Unterrepräsentiert blieb dabei das Musiktheater des späten 20. Jahrhunderts und der Gegenwart, das fast vollständig mit kleinen Formaten in die (immer etwas elitär anmutende) Reihe Bonne Chance! abgeschoben wurde. Blieb Philipp Glass' zuletzt noch einmal wiederaufgenommene Gandhi-Oper Satyagraha die rühmliche Ausnahme, so wurde ausgerechnet Freax von Moritz Eggert statt des erhofften Uraufführungs-Erfolgs der vielleicht größte Flop in Weises Intendanz, weil das Konzept des Regisseurs Christoph Schlingensief nicht stadttheaterfähig war und kurzfristig abgesetzt werden musste, die Komposition in konzertanter Form banal wirkte.

Ambivalent blieben Weises eigene Regiearbeiten in der Oper. So wichtig diese waren, weil der Hausherr persönlich hier den Anspruch eines gesellschaftlich relevanten, intellektuellen Theaters programmatisch festschrieb, so konnten sie selbst diesen Anspruch oft nur teilweise einlösen, weil die Konzeption auf dem Papier besser als auf der Bühne funktionierte, die Umsetzung allzu spröde missriet. Gastregisseure wie Dietrich W. Hilsdorf, Silviu Purcarete, Andrea Schwalbach, Vera Nemirova, Florian Lutz oder Philipp Himmelmann prägten mit oft streitbaren, nicht immer überzeugenden, häufig anregenden Inszenierungen das Bild der Bonner Oper fern jeder Musealität. Mitunter ging das ambitionierte Programm über die Grenzen dessen, was das Bonner Publikum zu (er)tragen bereit war, hinaus – am stärksten wohl aus gerechnet bei Günter Krämers Fidelio, der die Oper des in Bonn geborenen und damit im Stand des Lokalheiligen stehenden Beethoven radikal hinterfragte.

Weise wurde mehr und mehr zum Getriebenen. Die Reihe Bonne Chance! wurde aus Kostengründen bis zur Unkenntlichkeit beschnitten, die hauseigene Tanztheater-Sparte vollends aufgegeben und durch Gastspiele ersetzt. Die Lokalpolitik schien oft nicht wahrzunehmen (schon gar nicht zu verstehen), was da unter schwierigen und schwierigsten Umständen geleistet wurde, erging sich derweil in Phantasien um eine Fusion mit der Kölner Oper. Am Ende resignierte Weise, wollte - den durch weite Sparauflagen schleichenden Theatertod vor Augen, zu den wohl unausweichlichen massiven Kündigungen nicht bereit - seinen Vetrag nicht weiter verlängern.

Das Erreichte hat Klaus Weise in einem Bildband dokumentieren lassen, und schon die Fülle des in diesen zehn Jahren Gezeigten ist imponierend. Letztendlich aber fehlte dem immer freundlichen, oft bei allen klugen Gedanken ein wenig naiv erscheinenden Weise das diplomatische Geschick und Durchsetzungsvermögen, wohl auch die entscheidende Prise an Charisma, um der Politik wirkungsvoll die Stirn bieten zu können. Fast anrührend die Idee, nach der letzten Vorstellung des Don Giovanni Blumen an das Publikum verteilen zu lassen. Geradezu trotzig die letzte Pressemitteilung, in der er auf hohe und bis zuletzt gestiegene Besucherzahlen und eine durch kaufmännisch kluges Handeln erwirtschaftete finanzielle Rücklage trotz des bestehenden Spardiktats hinweisen lies.

Sein Nachfolger Bernhard Hellmich, aus Chemnitz an den Rhein geholt, will zukünftig mit weniger Geld gutes Theater machen. Der Spielplan liest sich wie eine intelligente Fortsetzung der Ära Weise mit sanfter Akzentverschiebung: Tosca und Aida als bewährte Repertoire-Schlachtrösser, dazu Lloyd-Webbers Jesus Christ Superstar als Musical für ein breites Publikum (auch dieses Genre hat Weise gepflegt), Massenets Thais, als Ausgrabung Der Traum ein Leben von Walter Braunfels (in Bonn - Bad Godesberg komponiert!) – und nicht nur mit der Familienoper Pinocchio (von Jonathan Dove), sondern vor allem aber mit George Benjamins erst 2012 uraufgeführter Oper Written on Skin kommt die Oper Bonn im 21. Jahrhundert an. Einen allzu radikalen Umbruch im Opern-Ensemble hat Hellmich vermieden. Ob die Rechnung kaufmännisch aufgeht, wird sich zeigen. Künstlerisch hat Weise ihm ein gut bestelltes Feld überlassen. Daran wird sich die Oper Bonn zukünftig messen lassen müssen.



(Juli 2013)




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FotoKlaus weise
Klaus Weise (Foto © Theater Bonn, 2013)

Klaus Weise, geboren 1951 in Gera, besuchte zunächst die Filmhochschule in München, studierte später an der dortigen Universität Germanistik, Philosophie und Theaterwissenschaften. Nach ersten Regieerfahrungen an kleineren Häusern wurde er 1986 leitender Regisseur am Schauspielhaus Düsseldorf, 1989 Schauspieldirektor am Staatstheater Darmstadt und ab 1991 Intendant des Theater Oberhausen. Mit Beginn der Spielzeit 2003/2004 wechselte er als Generalintendant an das Theater Bonn, das er mit Ende der Spielzeit 2013/2014 verlässt. Zukünftig will Klaus Weise wieder als freier Regisseur arbeiten.






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