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Wider den gemeinen Konzert-Huster "Husten, lat. Tussis, stoßweise und tönende Ausatmung unter krampfhaften Schluß der Stimmritze..." usw. (Meyers Konversationslexikon, 6. Auflage)
Von Frank Becker
Wer von uns, liebe Leser und Musikfreunde, hätte
nicht schon unter gleichgesinnten Menschen in einem erhebenden Konzert
gesessen, sich der Eleganz der Melodiebögen, dem ätherischen Ton der Harfe,
gelungenen Tempi, den zärtlichen Klängen von Flöten, Violen und Violinen, dem
Unisono kraftvoll gestrichener Bässe oder dem perlenden Pianissimo einer
Klaviatur hingegeben – und mit aufkochendem Hass hinter, neben oder vor sich
das Sperrfeuer des gemeinen Konzerthusters (tussator vulgaris) ertragen
müssen? Es ist dies ein Phänomen, das dem normalen Verstand so wenig zugänglich
ist wie das Begreifen der Weite des Universums. Der grandiose dänische Pianist Victor Borge
(1909-2000), ein virtuoser Komödiant am Klavier, hatte als einen der Höhepunkte
in seiner weltweit umjubelten Bühnenshow die „Husten-Sonate“: Er spielte
minutenlang piano, suppresso, pianissimo – und nickte freundlich jedem der
unvermeidlichen Huster im Auditorium zu. Das Übel muss man eben beim Namen
nennen. Was aber tun? Es gibt Hustensäfte voller beruhigendem
Alkohol (mein Schwager, der Apotheker ist, erzählt gerne von den alten Damen,
die früher regelmäßig Wer dennoch auf das Erlebnis des Konzerts nicht
verzichten möchte, könnte, nein: sollte mindestens ein großes, gefaltetes
weiches Taschentuch parat haben, um es im Fall des Falles vor den Mund zu
führen und damit das alle, besonders die Musiker bis ins Mark störende
Geräusch zu unterbinden. Das wäre das mindeste an Höflichkeit, was man von
einem kultivierten Menschen – ich unterstelle bei allen, die ein
Sinfoniekonzert besuchen, wenigstens ein Mindestmaß an Kultur – erwarten
könnte, dürfte, ja müsste. Aber mitnichten. Da prasseln, nach anfänglich
leichten, quasi die Wirkung testenden Einzelschüssen ganze Salven brutal und
völlig rücksichtslos in eine Piano-Passage, zersägen röchelnde Attacken
gnadenlos den Aufbau eines Adagio, zerreißen bellende Orgien die schönsten
blumenreichen Sonaten-Sätze eines Mozart, Brahms, Bruckner. Huster wie
krachende Granat-Einschläge torpedieren Tonmitschnitte, obwohl der Saal
unübersehbar mit Mikrophonen bestückt ist und durch eine Vielzahl von Aushängen
und Einrücken im Programmheft um Rücksicht und Ruhe gebeten wird. Und das ganze
hinter „vornehm“ vorgehaltener Hand – als ob das hülfe! Es ist zum Auswachsen.
Mehr noch: besagte Hand wird elegant zu einer röhrenförmigen Faust geformt, in
die man hineinhustet, das Geräusch damit kanalisiert und den Effekt eher noch
verstärkt. Genug! Man glaubt an Vorsatz nach dem Motto: Wenn ich leide, sollen
alle leiden! Und doch: es ist nichts weiter als schlichte Dummheit und pure
Gefühl- und Gedankenlosigkeit. Ob eine deutliche Ansage vor Konzertbeginn etwas
bewirken könnte, wäre noch auszuprobieren. Dazu gebricht es jedoch offenbar
wiederum den Veranstaltern an Mut oder Umsicht. Die Leidtragenden sind die
Musiker und die Musikfreunde. Ich weiß, dass ich mit diesem verzweifelten Ausbruch
sicher nur jene erreiche, die wie ich leiden. Denen aber ist es vielleicht ein
solidarischer Trost in stiller, hustenfreier Stunde.
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Frank Becker |
- Fine -