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Enrik Lauer/Regine Müller Mozart und die Frauen
Von Carsten Neudorf War er's oder war er's nicht? Wolfgang Amadé Mozart, das Wolferl, Liebling von Kitschfilmen aller Art, punkig-alberner Draufgänger in Milos Formans Amadeus: War er ein Frauenheld? Über Wolfgang Amadeus Mozart, das Genie des Musiktheaters, den Meister der subtilen musikalischen Erotik, und (neben Schumann, Heine und Rembrandt) das prominenteste Geburtstagskind des nächsten Jahres, ist schon unendlich viel lustvoll spekuliert worden. Nicht zu zählen sind die Legenden um seine Person, und so lässt der Titel Mozart und die Frauen zunächst vermuten, die Mozart-Literatur sei um ein weiteres Legenden bildendes Schlüsselloch-Buch reicher. Doch man ist angenehm überrascht, - und, zugegeben, auch heimlich ein bisschen enttäuscht, denn wer liebt ihn nicht, den schlüpfrigen Tratsch! - denn es geht zwar auch um Mozarts Liebesbeziehungen, im Zentrum des Interesses stehen jedoch ausführliche Portraits prägender Frauen um Mozart, die überwiegend aus seinem familiären Kontext stammen. Da ist natürlich Constanze, seine langjährige Ehefrau, deren Portrait das umfangreichste Kapitel des Buches beansprucht. Die Autoren verfolgen nicht den Tenor wenig schmeichelhafter Unterstellungen, die nach wie vor ihr Bild in der Literatur dominieren, sondern bemühen sich um ein differenziertes Bild jener Frau, die ihren berühmten Mann lange überlebte und seinen Nachlass - natürlich auch in ihrem Sinne - regelte. In den Passagen über ihr gemeinsames Leben lernt man nebenher viel über die damalige Zeit, über Haushaltskosten und sorglose Luxus-Ausgaben, über gesellschaftliche Gepflogenheiten und das Theaterleben. Und nicht zuletzt wird ungemein folgerichtig das Märchen vom armen Mozart demontiert bis hin zur Entzauberung der Legende vom Armenbegräbnis. Zentral ist auch das Kapitel über Aloysia, Constanzes ältere Schwester, der Mozart zuerst vergeblich den Hof machte, die seine erste ernsthafte Liebe war und es vermutlich immer blieb. Aloysia war eine begnadete Sängerin und machte seinerzeit eine bedeutende Karriere in ganz Europa. Das Buch erzählt überzeugend, dass die Begegnung zwischen Mozart und Aloysia vor allem eine Liebe durch die Ohren war und später in eine fruchtbare Arbeitsbeziehung sublimiert wurde. Anschaulich schildert das Buch ein kurvenreiches Sängerinnenleben im späten 18. und frühen 19. Jahrhundert, das erstaunlich emanzipiert anmutet und doch ein trauriges, einsames Ende nahm. Ein ganz anderes Temperament, und doch ein vergleichbares Schicksal, wird mit dem Leben der Buffo-Sängerin Nancy Storace dargestellt. Die Engländerin neapolitanischer Herkunft war Mozarts erste "Susanna" und wird aufgrund einer simplen Widmung in der Literatur gerne als eine seiner angeblich vielen Affären gehandelt. Überzeugend stellt das Buch heraus, dass die Beziehung zwischen Mozart und Storace wohl eher die von Geschwistern im Geiste gewesen sein dürfte, zumal beide gerne unkonventionelles Verhalten an den Tag legten und als ehemalige Wunderkinder eine ähnliche Lebensgeschichte hatten. Ein weiteres Portrait ist der von der Literatur bisher vernachlässigten Mutter gewidmet, deren elendes Verlöschen in Paris kein eben vorteilhaftes Licht auf den irrlichternden Charakter des ignoranten Sohnemanns wirft. Auch das Schicksal der Schwester, dem hoch begabten Nannerl, ist nach hoffnungsvollem Beginn als Wunderkind und Reisegefährtin ein eher trauriges. Nannerl muss später daheim bleiben, denn die familiäre Förderung konzentriert sich dann nur noch auf Wolfgang. Erst spät geht sie eine Vernunftehe ein und versauert über Jahre in St. Gilgen, in der tiefsten Provinz, bevor sie wieder zurück in Salzburg alt und erblindet stirbt. Tatsächlich pikant ist das Kapitel über das berühmte "Bäsle", das als Adressatin der lange zensiert gebliebenen Erotik-Briefe bekannt wurde. Minutiös erforscht das Buch anhand der erhaltenen Schriftstücke, was sich zwischen Cousin und Cousine damals denn nun wirklich abgespielt hat, denn man kann es tatsächlich lesen (wenn man's kann). Auch des Bäsles Leben wird "nach Mozart" bis zum wiederum etwas tristen Ende weiterverfolgt. Ohne nostalgische Verklärung erzählt das Autoren-Duo vom überwiegend harten Schicksal der Frauen in bewegten Zeiten gesellschaftlichen Umbruchs, von Kindersegen und Kindstod, von stets drohender Armut und Abhängigkeiten in unglücklichen Ehen. Die Autoren erzählen aber auch von handfester, pragmatischer Moral in der Zeit vor Anbruch des verklemmten bürgerlichen Zeitalters und von Künstlerinnen als Rabenmüttern und autarker weiblicher Lebensführung. Immer unterhaltsam, doch nie geschwätzig hüten sich die Autoren vor aufbauschender Spekulation und bleiben immer eng am sozialen Kontext der Zeit. Das rückt vieles gerade, was sich schief abgespeichert hatte. Manche romantische Legende wird enttarnt und diagnostiziert, dass das geltende Mozart-Bild noch immer geprägt ist vom Geist der Romantik. Solide recherchiert, doch nicht akademisch trocken, flott, amüsant und oft anrührend gerade in ihrer unsentimentalen Haltung lesen sich diese Frauengeschichten - ein ungewöhnlicher, empfehlenswerter Beitrag zum Mozart-Jahr, und ein prima Weihnachtsgeschenk dazu!
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Lübbe-Verlag, Oktober 2005 317 Seiten Hardcover ISBN 3-7857-2054-8 19,90 Euro Weitere
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