...mag ich, mag ich nicht
Die Zustimmungs- und Ablehnungs-Kolumnen aus über 20 Jahren "Tintenfaß"
Bekannte Zeitgenossen besser kennenlernen
Von Frank Becker
Warum
ich Frederico Fellini mag? weil er Brecht nicht mochte. Brecht
überhaupt. Das muß den Mann doch sympathisch machen. Seit mehr als
zwanzig Jahren transportiert das "Tintenfaß", das "Magazin für den
überforderten Intellektuellen" aus dem Zürcher Diogenes Verlag, in
einer aufschlußreichen Kolumne die Vorlieben und Abneigungen von
Künstlern und Autoren. In einem längst fälligen Band sind diese nun
alle zusammengefaßt. Interessant: jeder
Kolumnist in diesem witzigen kleinen Band zieht ja zwei Summen, eine
positive (an erster Stelle) und eine negative (an zweiter Stelle).
Woran liegt es wohl, daß ich jedes Mal zuerst das lese, was der- bzw.
diejenige nicht mag. Vielleicht, weil es hilft, sich in den
eigenen Ablehnungen oder (Vor-) Urteilen bestätigt zu sehen? Oder ist
es einfach Vergnügen am Schmäh, an der Häme? Egal: das Negative zuerst.
Und weil dies hier ein Musik Magazin ist, legen wir besonderes Augenmerk
auf diesen Aspekt.
Günther Anders mochte Rachmaninow und das Geseufze von Opernsängern nicht. Hans Weigel hatte eine Abneigung gegen Puccini, den Rosenkavalier,
Tschaikowsky, Arnold Schönberg, Franz Liszt, Arthur Rubinstein,
Vladimir Horowitz, Svatoslav Richter, Léhar (mit Ausnahme etlicher
Walzer), Richard Wagner, laute Musik und den Bolero von Ravel. Chaval
beschränkte sich auf die Ablehnung elektrischer Gitarren, Patricia
Highsmith auf "die meisten Live-Konzerte, vor allem Streichquartette,
deren Köpfe man nicht einmal in einem kleinen Publikum sehen kann" und
Barbara Vine auf Popmusik. Wagner stieß auch bei Joan Aiken auf
Gegenwehr, ebenso Berlioz und Musik in Aufzügen. Mit Truman Capote
verbindet mich seine Abneigung gegen Yoko Ono, Mick Jagger und Bob
Dylan. Daß er was gegen Sammy Davis jr. hatte, kann durch seine
Wertschätzung für John Lennon als ausgeglichen angesehen werden.
Mehr? Na gut: Milan Kundera lehnt Mozart, Smetana, Tschaikowsky,
Horowitz, Opern außer von Janacek und lateinamerikanische Folklore ab -
ach ja und Rock-Musik. Mit Hans Weigel hätte er sich wohl gut
verstanden. Klaus Staeck, H.M. Enzensberger und Fanny Morweiser haben
wie auch etliche andere Musik nicht auf der Negativ-Liste (aber auch
nicht auf der positiven). Und wieder muß Wagner Federn lassen, denn
Jakob Arjouni mag ihn nicht - und Beethoven. Und wo bleibt das
Positive? Petros Markaris liegt Mahlers 4. Sinfonie, Alan Sillitoe die
große italienische Oper und Paul Flora sympathisch gegensätzlich das
Trompetenblasen, das Harfenspiel und Zirkusmusik. Mehr über Vor-
und Haßlieben in "...mag ich, mag ich nicht".
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...mag ich, mag ich nicht
Die Zustimmungs- und Ablehnungs-Kolumnen aus über 20 Jahren "Tintenfaß"
hrsg. von Daniel Keel und Daniel Kampa
Diogenes, 2006 157 Seiten mit Nachweisen, Paperback 8,90 Euro
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Informationen unter:
www.diogenes.ch
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